OGH 11Os176/98

OGH11Os176/9827.4.1999

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. April 1999 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Habl, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Vielhaber als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Ing. Johann H***** wegen des Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Schöffengericht vom 31. März 1998, GZ 10 Vr 811/96-29, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Erster Generalanwalt Dr. Bassler, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Biel zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil mit Ausnahme der Punkte 2 b bis d, 5 b bis d und g, hinsichtlich welcher ein Rücktritt von der Anklage erfolgte, aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ing. Johann H***** von der wider ihn wegen des Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB erhobenen Anklage gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Die Staatsanwaltschaft bekämpft den Freispruch - "soweit die Anklage aufrecht erhalten wurde" - aus den Nichtigkeitsgründen der Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO. In der Hauptverhandlung hat nämlich der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft die Anklagepunkte 2 b bis d und 5 b bis g zurückgezogen (S 4/II), sodaß nach Ansicht der Beschwerdeführerin insofern ein (von ihr nicht bekämpfter) Freispruch gemäß § 259 Z 2 StPO zu fällen gewesen wäre.

Der aufrecht erhaltene Anklagevorwurf der Staatsanwaltschaft geht gemäß dem (zusammenfassend wiedergegebenen) Inhalt der in der Hauptverhandlung ausgedehnten (ON 28) Anklageschrift (ON 16) dahin, daß Ing. Johann H***** im Zeitraum vom 21. Juli 1993 bis zumindest 1996 in Langenzersdorf als Leiter des Bauamtes dieser Gemeinde, sohin als Beamter, seine Befugnis, im Namen der Gemeinde Langenzersdorf Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch wissentlich mißbraucht hat, daß er sich bei baubehördlichen Genehmigungsverfahren in bezug auf dreizehn Bauobjekte, die auf der EZ 198 der KG Langenzersdorf errichtet werden sollten und von der Firma A***** GesmbH zur Bewilligung eingereicht worden waren, seiner amtlichen Tätigkeit nicht enthalten, sondern vielmehr an den mündlichen Verhandlung als Amtssachverständiger der Gemeinde teilgenommen und sodann für den Bürgermeister als Baubehörde erster Instanz die Bescheidentwürfe vorbereitet hat, obgleich er selbst die Pläne dieser Bauobjekte verfaßt hatte. Daß der Angeklagte dabei mit dem für das Verbrechen des Mißbrauches der Amtsgewalt erforderlichen (zumindest bedingten) Schädigungsvorsatz (und zwar in Ansehung des Rechtes der Gemeinde Langenzersdorf auf Einhaltung der Bestimmungen der NÖ. Bauordnungen und des NÖ. Raumordnungsgesetzes) gehandelt hat, leitet die Staatsanwaltschaft aus dem Umstand ab, daß schließlich alle dreizehn Bauprojekte von den nicht ausreichend sachkundigen Bürgermeistern durch Unterfertigung der vom Angeklagten vorbereiteten Bescheidentwürfe mit rechtswidrigem Inhalt genehmigt worden sind, obwohl bei diesen antragsgemäß bewilligten (in der Anklage und ihr folgend im Urteil durch Nennung zumindest der Parzellennummer der Liegenschaft zumeist auch der Daten der Baubewilligungsbescheide konkretisiert) Bauobjekten

1. in acht Fällen die Höhe der Gebäude nicht mit der NÖ. Bauordnung und dem Bebauungsplan in Einklang gestanden sind (vgl 1 a bis h des Urteils),

2. in zwei Fällen die gesetzlich höchstens zulässige Bebauungsdichte überschritten worden ist (vgl 2 a und e des Urteils),

3. in einem Fall eine Baubewilligung auf Grund- lage eines geänderten Bebauungsplans erteilt worden ist, obgleich dieser mangels Abschlusses des aufsichtsbe- hördlichen Genehmigungsverfahrens noch nicht rechtsver- bindlich war (vgl 3 des Urteils),

4. in vier Fällen eine Garage entgegen den gesetzlichen Bestimmungen über vier Parzellen geplant worden ist (vgl 4 a bis c des Urteils; die Parzelle 801/6 und 7 entsprechen 4 b der Anklageschrift ON 16; im Freispruch offenbar irrtümlich nicht angeführt),

5. in vier Fällen die Bauwiche zu gering geplant worden sind (vgl 5 a, e, f und h des Urteils, das in seinem Spruch und den Gründen ersichtlich irrtümlich als verletzte Bebauungsvorschrift die Baudichte, statt richtig: die Bauwiche, bezeichnet - US 4 und 9),

6. in einem Fall ein Dachgeschoß als Vollgeschoß ausgeführt worden ist (vgl 6 des Urteils), und

7. in vier Fällen der Abstand zu Nachbargrundstücken zu gering gewesen ist (vgl 7 a bis d des Urteils).

Rechtliche Beurteilung

In ihrer Mängelrüge (Z 5) macht die Staatsanwaltschaft unter anderem geltend, das Erstgericht sei - obwohl für die rechtliche Beurteilung wesentlich - auf die "Doppelrolle" des Angeklagten nicht eingegangen.

Damit ist die Beschwerde im Recht:

Nach Lage des Falles bestand der Befugnismißbrauch des Ing. H***** nämlich schon darin, daß er als Planverfasser "für den Bürgermeister als Baubehörde I. Instanz die Überprüfung der Pläne auf deren Übereinstimmung mit der NÖ Bauordnung und den NÖ Bebauungsbestimmungen vornahm", "an den nach der NÖ Bauordnung zwingend vorgesehenen mündlichen Verhandlungen als - ebenfalls zwingend beizuziehender - Amtssachverständiger der Gemeinde Langenzersdorf teilnahm" und "für den Bürgermeister die genehmigenden Bescheidentwürfe vorbereitete", die dieser dann auch unterfertigte (US 6). Ausdrücklich konstatiert der Schöffensenat, daß der Angeklagte bei Übernahme der Projektplanung wußte, "daß er als Bauamtsleiter der Marktgemeinde Langenzersdorf dann über die von ihm selbst erstellten Pläne im Zuge des Baugenehmigungsverfahrens als Sachverständiger für den Bürgermeister der Gemeinde Langenzersdorf werde befinden müssen" (US 5, 6). Aus dieser Wissentlichkeit in Ansehung des Befugnismißbrauches ergibt sich zwar in logischer Folge die Erkenntnis, daß er durch sein Einschreiten als Bauamtsleiter und Amtssachverständiger dem Verfahrenszweck zuwider jede objektive Überprüfung der von ihm erstellten Einreichpläne auf bauordnungskonforme Planung der Reihenhäuser und Wohnungsanlagen vereitelt, sohin die Gemeinde an ihrem konkreten öffentlichen Recht auf Feststellung der Baugenehmigungsvoraussetzungen in einem unvoreingenommen geführten Verfahren schädigen werde (in diesem Sinne SSt 57/75; 57/85; JBl 1989,263; JBl 1990,807 mit Anm. Bertel; RZ 1991/27), doch hat das Schöffengericht hiezu ausreichende Feststellungen insbesondere zur subjektiven Tatseite unterlassen. Abgesehen davon war es dem (freigesprochenen) Angeklagten verwehrt, ihm allenfalls zum Nachteil gereichende Urteilsfeststellungen zu bekämpfen.

Daß der Angeklagte laut Urteilsbegründung "bei der Abfassung" der Einreichpläne in Ansehung einiger nicht bauordnungskonformer Details ohne Schädigungsvorsatz handelte (US 6), ist bei dieser Sachlage - wie sowohl das Erstgericht als auch die Staatsanwaltschaft verkennen - bedeutungslos, zumal es insoweit auf die materielle Richtigkeit der Erledigung nicht ankommt (in diesem Sinne SSt 41/56; SSt 51/49; RZ 1965,158).

Es war daher schon aus diesem Grund in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft der Freispruch im angefochtenen Umfang aufzuheben und dem Erstgericht die diesbezügliche Verfahrenserneuerung aufzutragen.

Damit erübrigt aber auch ein Eingehen auf die weiteren Beschwerdeargumente der Anklagebehörde.

Im erneuerten Verfahren wird daher die "Doppelrolle" des Angeklagten zu bewerteten und für ihre rechtliche Beurteilung ausreichende Feststellungen in objektiver und subjektiver Richtung zu treffen sein.

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