Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird zur Gänze, jener des Angeklagten hingegen teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Unterstellung der zu Punkt 1. des Schuldspruchs beschriebenen strafbaren Handlung und demgemäß auch im Strafausspruch (jedoch unter Aufrechterhaltung der Vorhaftanrechnung und des Zuspruchs an die Privatbeteiligte) aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO insoweit in der Sache selbst erkannt:
Franz G***** hat durch die zu Punkt 1. des Schuldspruchs angenommenen Tatsachen das Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB idF vor dem StRÄG 1998, BGBl I 1998/153, begangen und wird hiefür sowie für die aufrecht bleibenden Schuldsprüche wegen der Vergehen des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB und der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 207 Abs 1 StGB idF vor dem StRÄG 1998, BGBl I 1998/153, zu einer Freiheitsstrafe von 2 (zwei) Jahren und 8 (acht) Monaten verurteilt.
Die Aussprüche über die Anrechnung der Vorhaft sowie den Zuspruch an die Privatbeteiligte werden aus dem angefochtenen Urteil übernommen.
Im übrigen wird der Angeklagte mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.
Gemäß § 390a StPO fallen ihm auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Franz G***** des Verbrechens des schweren sexuellen Mißbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB idF des StRÄG 1998, BGBl I 1998/153, (1.) sowie der Vergehen des Mißbrauches eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB (2.) und der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (3.) schuldig erkannt.
Danach hat er an verschiedenen Orten des Bezirkes Feldbach
1. von Mitte 1993 bis 27. Jänner 1998 seine unmündige, am (richtig:) 27. Jänner 1984 geborene eheliche Tochter Gerlinde G***** auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht, indem er sie in zahlreichen Angriffen im Genitalbereich und an den Brüsten betastete, seinen Finger in die Scheide einführte und das Mädchen zur Durchführung eines Handverkehrs (an ihm) veranlaßte;
2. von Mitte 1993 bis Anfang August 1998 durch die zu 1. dargestellten Tathandlungen sein minderjähriges Kind zur Unzucht mißbraucht; sowie
3. dieses von Mitte 1993 bis Anfang August 1998 durch gefährliche Drohung zur Unterlassung der Anzeigeerstattung wegen der zu Punkt 1. und 2. dargestellten Tathandlungen genötigt, indem er ihm androhte, es im Falle des Zuwiderhandelns in ein Heim zu geben und dadurch in seiner persönlichen Freiheit zu beschränken.
Dieses Urteil wird in der rechtlichen Beurteilung des dem Punkt 1. des Schuldspruches zugrundeliegenden Sachverhaltes sowohl von Franz G***** als auch - zu dessen Gunsten - von der Staatsanwaltschaft mit jeweils auf die Z 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden bekämpft. Darüber hinaus releviert der Angeklagte den Nichtigkeitsgrund der Z 11 sowie eventualiter jenen der Z 5 leg cit.
Rechtliche Beurteilung
Die Subsumtionsrügen (Z 10) machen zutreffend geltend, daß das dem Angeklagten zu 1. angelastete Verhalten rechtsrichtig dem für den Beschwerdeführer günstigeren Verbrechenstatbestand der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB in der vor Inkrafttreten des Strafrechtsänderungsgesetzes 1998 (BGBl I 1998/153) am 1. Oktober 1998 geltenden Fassung zu subsumieren gewesen wäre.
Das ihm unter anderem vorgeworfene Einführen des Fingers in die Scheide des (zur Tatzeit unmündigen) Mädchens entsprach dem Tatbild des Mißbrauches einer unmündigen Person zur Unzucht auf andere Weise als durch Beischlaf nach dem ersten Fall dieser nachträglich außer Kraft getretenen Bestimmung (vgl insbes Leukauf/Steininger Komm3 § 207 aF RN 5 ff) und einer angedrohten Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.
Dieser Sachverhalt wäre nach der (vom Erstgericht angewendeten) nunmehrigen Rechtslage dem durch das StRÄG 1998 neu geschaffenen Tatbestand des Verbrechens des schweren sexuellen Mißbrauches von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB zu unterstellen, das - anders als § 206 Abs 1 aF - nicht nur Beischlaf mit einer unmündigen Person, sondern auch dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen (wie die aktuelle) pönalisiert und das mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren bedroht ist.
Die zur Tatzeit geltende Bestimmung des § 207 Abs 1 StGB aF (§ 207 Abs 1 StGB nF hat nur mehr den sexuellen Mißbrauch Unmündiger außer dem Fall des § 206 StGB nF zum Gegenstand) ist demnach die für den Angeklagten in ihrer Gesamtwirkung günstigere und daher - ungeachtet der Fällung des Ersturteiles (erst) am 19. November 1998 und damit nach dem Inkrafttreten des StRÄG 1998 - auch die für die Subsumtion anzuwendende Strafnorm (§§ 1 Abs 2, 61 StGB).
Dagegen ist die vom Erstgericht vorgenommene Mischung von Schuldspruch nach neuem Recht und Strafausspruch nach altem Recht unzulässig (Leukauf/Steininger aaO § 61 RN 8 und 14).
Die rechtliche Beurteilung der dem Schuldspruch 1. zugrundeliegenden Tat war demgemäß aufzuheben.
Da die tatsächlichen Konstatierungen des Erstgerichtes zur Unterstellung der Tat unter das Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB aF ausreichen und nicht mit Begründungsmängel behaftet sind, konnte der Oberste Gerichtshof sogleich in der Sache selbst erkennen.
Bei der dadurch erforderlich gewordenen Strafneubemessung wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend die Begehung mehrerer strafbarer Handlungen und deren Fortsetzung durch einen längeren Zeitraum, als mildernd den bisher ordentlichen Lebenswandel und das reumütige Geständnis.
Unter Berücksichtigung der zahlreichen Angriffe über einen Zeitraum von rund fünf Jahren, der Fortsetzung der strafbaren Handlungen trotz einer eingeleiteten Familientherapie und des Umstandes, daß der Angeklagte das Mädchen auch unter Ausnützung der durch die Krankheit der Mutter geschaffenen psychischen Ausnahmesituation mißbraucht hat, entspricht - ausgehend vom Strafrahmen des § 207 StGB idF vor dem StRÄG 1998 - die ausgesprochene Freiheitsstrafe dem Unrecht der Tat und der persönlichen Täterschuld. Diese Gründe lassen auch die bloße Androhung der Freiheitsstrafe oder eines Teiles von ihr nicht geeignet erscheinen, den Täter von der Begehung weiterer, insbesondere gleichartiger strafbarer Handlungen abzuhalten.
Mit seiner weiteren Nichtigkeitsbeschwerde und seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.
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