Spruch:
Es wird festgestellt, daß die Antragsgegner bei Übernahme einer bestehenden Musikschule verpflichtet sind, sämtliche in dieser Musikschule beschäftigten Musikschullehrer mit allen Rechten und Pflichten zu übernehmen.
Text
Begründung
Die kollektivvertragsfähige Antragstellerin stellt für die beiden im Spruch genannten Gewerkschaften (Cerny in Cerny/Haas-Laßnigg/Schwarz ArbVG II 55) gegenüber den kollektivvertragsfähigen Antragsgegnern (§ 7 ArbVG) das im Spruch genannte Feststellungsbegehren, welches jeweils für mindestens drei in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis zu den Antragsgegnern stehende Arbeitnehmer von Bedeutung ist.
Gegenstand des Verfahrens ist die Klärung der Frage, ob der Erstantragsgegner, das Land Tirol bei den von ihm übernommenen und in das Tiroler Landesmusikschulwerk eingegliederten Musikschulen auch die dort tätig (gewesenen) Musikschullehrer mit denselben Rechten und Pflichten wie sie vorher bestanden haben, zu übernehmen hat bzw ob die Zweitantragsgegnerin, die Stadt H***** bei der von ihr vom Verein "Musikschule H*****" übernommenen Musikschule die dort tätig (gewesenen) bzw von ihr übernommenen Musikschullehrer ebenfalls mit sämtlichen Rechten und Pflichten, wie sie bisher zum Verein "Musikschule H*****" bestanden haben, zu übernehmen hat.
Mit 1. 9. 1992 trat das Gesetz vom 8. 7. 1992 über die Musikschulen in Tirol (T-MSchG, LGBl Nr 44) in Kraft. Ziel dieses Gesetzes ist die Schaffung eines flächendeckenden und landesweit möglichst gleichmäßigen Angebotes an musikalischer Ausbildung. Zur Erreichung dieses sowie der weiteren in diesem Gesetz definierten Ziele hat das Land "als Träger von Privatrechten Landesmusikschulen zu errichten und zur führen". Die Gesamtheit der Landesmusikschulen bildet das Tiroler Musikschulwerk. Für dieses hat die Landesregierung in der Sitzung vom 19. 7. 1993 ein Statut erlassen. Am 18. 7. 1995 wurde von der Landesregierung eine Neufassung der "dienst- und besoldungsrechtlichen Richtlinien für die Landesmusikschullehrer in Tirol" beschlossen und darin die Lehrverpflichtung für neu in den Landesdienst eintretende Lehrkräfte von bisher 23 Wochenstunden auf 27 Wochenstunden erhöht.
Die Übernahme diverser bestehender Musikschulen, seien es Gemeindemusikschulen, städtische Musikschulen oder Musikschulen privater Rechtsträger, war für die Musikschullehrer auch mit wesentlichen Nachteilen verbunden. Den Lehrkräften, die an den angeführten Schulen bis zum Zeitpunkt der Übernahme als Arbeitnehmer der jeweiligen Gemeinde mit einer vollen Lehrverpflichtung von 23 oder auch teilweise 25 Wochenstunden unterrichtet haben, wurden vom Erstantragsgegner neue Dienstverträge ausgestellt. Er erklärte definitiv, daß es sich nicht um eine "Übernahme" und schon gar nicht um eine "Übernahme mit allen Rechten und Pflichten", sondern um den "Neubeginn" eines Dienstverhältnisses handle, für den ein separater Antrag auf Aufnahme in den Landesdienst erforderlich sei. Diesen Musikschullehrern wurde seit 1. 9. 1995 vom Land eine Lehrverpflichtung von 27 Wochenstunden auferlegt.
Die Zweitantragsgegnerin Stadt H***** übernahm mit 1. 1. 1994 die vom Verein "Musikschule Solbad H*****" betriebene Musikschule, deren Obmann der jeweilige Bürgermeister der Stadt H***** war, als städtische Musikschule. Im Juni 1994 schloß die Zweitantragsgegnerin mit den Musikschullehrern schriftliche Dienstverträge ab, in denen sie als Beginn des Arbeitsverhältnisses den 1. 1. 1994 festsetzte; die Vordienstzeiten wurden lediglich bei der Einstufung, nicht aber für die Beurteilung der sonstigen dienstzeitabhängigen arbeitsrechtlichen Ansprüche berücksichtigt.
Die Antragstellerin begründet ihren Antrag damit, daß die Lehrkräfte zu schlechteren Bedingungen neu angestellt und nicht "übernommen" worden seien, was unzulässig sei. Musikschulen seien ein Betrieb im Sinn der Betriebsübergangsrichtlinie der EU. Die Richtlinie des Rates vom 14. 2. 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen (77/187/EWG) finde bei allen Möglichkeiten des Wechsels der für den Betrieb des Unternehmens verantwortlichen natürlichen oder juristischen Person Anwendung; sofern die Wirtschaftseinheit ihre Tätigkeit fortsetze, genüge allein die Tatsache des Wechsels der für den Betrieb verantwortlichen natürlichen oder juristischen Person, um die Richtlinie in Anwendung zu bringen. Nur die strukturelle Neuordnung der öffentlichen Verwaltung oder die Übertragung von Verwaltungsaufgaben von einer öffentlichen Verwaltung auf eine andere (Verwaltungsgemeinschaft von Mitgliedsgemeinden) stelle nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes keinen Unternehmensübergang im Sinne der Betriebsübergangsrichtlinie dar, wenn es sich bei den übertragenen Aufgaben ausschließlich oder überwiegend um hoheitliche Tätigkeiten handle, selbst dann, wenn diese Tätigkeiten wirtschaftliche Aspekte einschlössen. Demgegenüber falle die Übertragung von privatwirtschaftlichen Aufgaben von einer Gebietskörperschaft auf andere Gebietskörperschaften oder auf Private unter die Betriebsübergangsrichtlinie. Durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes sei geklärt, daß dem Geltungsbereich der Richtlinie auch alle öffentlichen Einrichtungen unterworfen seien, die wirtschaftliche Tätigkeiten entfalteten, wobei unter wirtschaftlicher Tätigkeit in diesem Sinn auch Tätigkeiten ohne jede Gewinnerzielung zu verstehen seien.
Soweit es sich bei den Musikschulen der Gemeinden oder Gemeindeverbände sowie der städtischen Musikschulen um privatrechtliche Vereine handle, kämen die Bestimmungen des AVRAG zum Tragen. Gehe ein Unternehmen, Betrieb oder Betriebsteil auf einen anderen Inhaber über, so trete dieser - mit Ausnahme von hier nicht relevanten Fällen - als Arbeitgeber mit allen Rechten und Pflichten in die zum Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnisse ein.
Im Falle der Übernahme der Gemeinde- und Gemeindeverbands-Musikschulen durch das Land stützt sich der Antragsteller auf die Betriebsübergangsrichtlinie RL 77/187/EWG des Rates. Österreich sei seit dem Inkrafttreten des EWR-Abkommens (1. 1. 1994) verpflichtet, die Bestimmungen des EWR-Abkommens und die darin übernommenen Verordnungen anzuwenden und die übernommenen Richtlinien innerstaatlich umzusetzen. Soweit die Gesetzgebungszuständigkeit bei den Ländern liege, seien diese zur Umsetzung gemäß Art 23d Abs 5 erster Halbsatz B-VG verpflichtet. Im Falle der Säumigkeit mit der Umsetzung einer Richtlinie könne nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes die nicht fristgerecht umgesetzte Richtlinie unter bestimmten Umständen als Anspruchsgrundlage für individuelle Rechtsansprüche gegen den Staat herangezogen werden. Die einzelnen Arbeitnehmer könnten sich in Ermangelung von fristgemäß erlassenen Durchführungsmaßnahmen auf Bestimmungen einer Richtlinie, die inhaltlich unbedingt und hinreichend genau erscheine, gegenüber allen innerstaatlichen, nicht richtlinienkonformen Vorschriften berufen; sie könnten sich auf diese Bestimmungen auch berufen, soweit diese Rechte festlegen, die dem Staat gegenüber geltend gemacht werden können. Angesichts der gemeinschaftsrechtswidrigen Säumigkeit des Landes bei der Umsetzung der Betriebsübergangsrichtlinie könnten sich die als Musikschullehrer beschäftigten Vertragsbediensteten sowohl der Gemeinde als auch der Gemeindeverbände und auch von privaten Rechtsträgern im Falle der Übernahme der Musikschule durch das Land sowohl gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber als auch gegenüber dem Land unmittelbar auf die genannte Richtlinie berufen.
Daraus folge, daß die Arbeitsverhältnisse der Musikschullehrer aufgrund des Übergangs der Musikschule von der Gemeinde auf das Land ex lege von der Gemeinde auf das Land übergegangen seien. Der Übergang des Arbeitsverhältnisses finde mit allen Rechten und Pflichten statt, die im Zeitpunkt des Überganges zwischen den Arbeitsvertragsparteien bestanden hätten. All dies gelte zugunsten der betroffenen Arbeitnehmer zwingend; dies könne daher auch durch eine vertragliche Vereinbarung zwischen dem Arbeitnehmer und dem "alten" Arbeitgeber oder dem "neuen" Arbeitgeber (Land) zum Nachteil der Arbeitnehmer nicht abgeändert werden; vertragliche Verbesserungen für die betroffenen Arbeitgeber seien hingegen möglich. Allfällige im Zusammenhang mit dem Betriebsübergang abgeschlossene Vereinbarungen, wonach die Arbeitnehmer zB eine höhere Lehrverpflichtung übernehmen, dh für dasselbe Entgelt länger arbeiten müßten, seien nichtig. Aus Art 4 Abs 1 Satz 1 der Richtlinie sei abzuleiten, daß Kündigungen von Musikschullehrern im Zusammenhang mit der Übernahme einer Musikschule durch das Land unzulässig seien. Das Feststellungsbegehren sei daher berechtigt.
Die Antragsgegner beantragen die Abweisung dieses Feststellungsantrages.
Der Erstantragsgegner bringt gegen die Begründung des Feststellungsantrages zusammengefaßt einerseits vor, daß durch die Übernahme der Musikschulen durch das Land die Arbeitsbedingungen der Musiklehrer insgesamt wesentlich verbessert worden seien und daß bei einer verpflichtenden Übernahme aller bisher beschäftigten Musiklehrer die Zielsetzung des "Musikschulwerkes" nicht verwirklicht werden könnte, weil nicht alle Musiklehrer über die nach dem T-MSchG erforderliche Qualifikation verfügten. Andererseits argumentiert er, daß die erwähnte Richtlinie auf die Musikschulen und deren Gründung durch das Land nicht angewandt werden könnte, weil sie keine Unternehmen, Betriebe oder Betriebsteile im Sinne der genannten Richtlinie seien. Durch die Gründung der Landesmusikschulen sei eine strukturelle Neuordnung geschaffen und Verwaltungsaufgaben durch das Land übernommen worden, welche früher in einem zumeist rechtsfreien Raum durchgeführt worden seien. Bei den Musikschulen handle es sich um Dienststellen des Landes, welche jedenfalls öffentliche Aufgaben wahrnähmen und als Unterrichts- und Erziehungsanstalten des Landes aufgrund eines landesweit gültigen Statuts sowie aufgrund eines Lehrplans Prüfungen abhielten und Zeugnisse ausstellten. Musikschulen verfolgten somit eine öffentliche Aufgabe. Zudem würden die genannten Schulen größteils von der öffentlichen Hand erhalten; die Schüler hätten nach dem T-MSchG lediglich einen Beitrag zu den Kosten zu leisten. Überdies sei die Frist zur Umsetzung der genannten Richtlinie zum Zeitpunkt der Übernahme des Großteils der Musikschulen durch das Land noch nicht abgelaufen gewesen.
Die Zweitantragsgegnerin meint, daß die Begriffe "Privatwirtschaftsverwaltung" und "Hoheitsverwaltung" klassische innerstaatliche Begriffe seien, die Begriffe "öffentliche Verwaltung" bzw "Übertragung von Verwaltungsaufgaben" aus der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes zur Betriebsübergangsrichtlinie jedoch gemeinschaftsrechtliche Begriffe mit anderem, nämlich europäischem Begriffsinhalt seien. Eine Gleichsetzung des Begriffes "Hoheitsverwaltung" des innerstaatlichen Rechtes mit den Termini "öffentliche Verwaltung" oder der "Übergang von Verwaltungsaufgaben" der Betriebsübergangsrichtlinie bzw der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes sei daher unzulässig. Vielmehr seien die beiden letztgenannten Begriffe der autonomen Interpretation des Europäischen Gerichtshofes vorbehalten. Da zum "Musikschulwesen" noch keine Judikatur des Europäischen Gerichtshofes bestehe, werde angeregt, den Europäischen Gerichtshofes zur Vorabentscheidung dieser Frage anzurufen. Überdies sollte verneinendenfalls geklärt werden, ob der Richtlinie Drittwirkung gegenüber einer Gemeinde zukomme, welche einer Umsetzungsverpflichtung der Richtlinie mangels innerstaatlicher Kompetenz gar nicht nachkommen könne. Sinnvoll sei ein derartiges Ersuchen aber erst, wenn geklärt sei, ob die "Gutachtertätigkeit" des Höchstgerichts iSd § 54 Abs 2 ASGG überhaupt als urteilende Tätigkeit eines Gerichtes iS des Art 177 EGV zu qualifizieren sei; das Verfahren möge daher bis zur Entscheidung in der Rechtssache C-195/98 Österreichischer Gewerkschaftsbund/ Republik Österreich unterbrochen werden.
Rechtliche Beurteilung
Der Feststellungsantrag ist berechtigt.
Unstrittig ist, daß es sich bei den betroffenen Musikschulen um solche handelt, die dem T-MSchG vom 8. 7. 1992, LGBl 44, unterliegen, und daß es sich bei diesen um Musikschulen ohne Öffentlichkeitsrecht im Sinn des PrivatschulG vom 25. 7. 1962, BGBl 244, idF BGBl 1994, 448 handelt (Walter/Mayer, Grundriß des Verwaltungsrechts**2, 146).
Die von Gemeinden oder auf Vereinsbasis betriebenen Musikschulen wurden in den Jahren 1994 und 1995 vom Land (Erstantragsgegner) bzw von einer Gemeinde (Zweitantragsgegnerin) gemäß § 5 Abs 1 lit b T-MSchG übernommen. Strittig ist, ob sich die dort beschäftigten Musiklehrer auf die Betriebsübernahmsrichtlinie 77/187/EWG berufen können.
Diese Richtlinie war in den innerstaatlichen Bereich umzusetzen. Dieser Verpflichtung kam der Bundesgesetzgeber durch das AVRAG (BGBl 1993/459) grundsätzlich nach. Allerdings ist dieses gemäß der in § 1 Abs 2 Z 1 normierten Ausnahme auf Arbeitsverhältnisse zu Ländern, Gemeindeverbänden oder Gemeinden nicht anzuwenden, auch wenn die betreffenden Arbeitsverhältnisse auf einem privatrechtlichen Vertrag beruhen; dies gilt sowohl dann, wenn der Veräußerer, als auch dann, wenn - wie hier - der Erwerber ein Land, ein Gemeindeverband oder eine Gemeinde ist (Holzer/Reissner, ArbeitsvertragsanpassungsG 34 f) ist.
Daß es sich bei den übernommenen Musikschulen um Betriebe im Sinn der Betriebsübergangsrichtlinie handelt, kann nicht zweifelhaft sein. Die Berufung auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 13. 6. 1996, 8 ObA 234/95, Arb 11.504, kann hieran nichts ändern, weil der Begriff des Betriebes im Sinn der dort entscheidungswesentlichen §§ 33 Abs 1 und 34 Abs 1 ArbVG mit dem hier anzuwendenden Betriebsbegriff im Sinn der Richtlinie 77/187/EWG nicht ident ist. Dieser Begriff ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zu dieser Richtlinie zu beurteilen, die durch die Novelle vom 29. 6. 1998, 98/50/EG zusammengefaßt wurde und in deren Präambel (P4) ausdrücklich festgehalten ist, daß diese nur der Klärung des Anwendungsbereiches der Richtlinie 77/187/EWG dient und die Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof dadurch nicht geändert wird. Gemäß Art 1 der Neufassung der Richtlinie gilt als Übergang in derem Sinne der Übergang einer ihre Identität bewahrenden wirtschaftlichen Einheit im Sinne einer organisierten Zusammenfassung von Ressourcen zur Verfolgung einer wirtschaftlichen Haupt- oder Nebentätigkeit. Die Richtlinie gilt für öffentliche und private Unternehmen, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben, unabhängig davon, ob sie Erwerbszwecke verfolgen oder nicht. Lediglich bei der Übertragung von Aufgaben im Zuge einer Umstrukturierung von Verwaltungsbehörden oder bei der Übertragung von Verwaltungsaufgaben von einer Behörde auf eine andere handelt es sich nicht um einen Übergang im Sinn dieser Richtlinie. Entscheidungswesentlich ist, ob die Tätigkeiten der Arbeitnehmer der Länder oder Gemeinden überwiegend der Privatwirtschaftsverwaltung zuzurechnen sind oder nicht (EuGH 15. 10. 1996, Rs 298/94 -Henke/Gemeinde Schierke, Slg I 5013 = WBl 1996, 487; in diesem Sinn jüngst auch Kiendl, Jüngste Entwicklungen in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zur Betriebsübergangsrichtlinie, WBl 1997, 57 ff [59]).
Die hier in Frage stehenden Musikschulen bieten eine Dienstleistung an, nämlich musikalischen Unterricht. Der Besuch der Musikschulen ist freiwillig und die Schüler bzw deren Eltern bezahlen dafür ein - wenn auch nicht kostendeckendes - Schulgeld. Daran, daß Musikschulen hauptsächlich wirtschaftliche Tätigkeiten ausüben, ändert auch der Umstand nichts, daß sie im Rahmen des Musikunterrichts auch Prüfungen abhalten und Zeugnisse ausstellen; sie werden dadurch nicht zu Verwaltungsbehörden und fallen daher nicht unter die Ausnahmebestimmung "Umstrukturierung von Verwaltungsbehörden" oder "Übertragung von Verwaltungsaufgaben".
Wie bereits erwähnt, beruht die Ausnahme vom Anwendungsbereich des AVRAG auf Arbeitsverhältnisse zu Ländern, Gemeindeverbänden und Gemeinden auf kompetenzrechtlichen Erwägungen (RV 1077 BlgNR 18. GP 9; vgl Art 21 B-VG und hinsichtlich des Schulwesens auch Art 14 f B-VG). Dies befreit aber ein Mitgliedsland nicht von seiner Umsetzungsverpflichtung. Diese trifft vielmehr den innerstaatlich zuständigen Gesetzgeber; bezüglich der Regelungen über die Begründung und Auflösung der Dienstverhältnisse der Landes- und Gemeindebediensteten sowie über die sich aus diesen ergebenden Rechte und Pflichten - mit Ausnahme der Dienstverhältnisse der Lehrer an öffentlichen Schulen und Kindergärtnerinnen - ist dies der Landesgesetzgeber (siehe Mayer B-VG**2 Art 21 Anm I.1. und I.2.). Da mit den betroffenen Arbeitnehmern von den Antragsgegnern Dienstverhältnisse begründet wurden, wäre die Regelung der Folgen des Betriebsüberganges auf den Inhalt dieser Dienstverhältnisse wohl in die Kompetenz des Landesgesetzgebers gefallen. Sollte ein Land bei der Erfüllung der Umsetzungsverpflichtungen säumig bleiben, so ist der Bund, falls er in einem Vertragsverletzungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof wegen dieser Säumigkeit verurteilt wird, berechtigt, die Regelungskompetenz in der jeweiligen Materie an sich zu ziehen (Art 23d Abs 5 B-VG idF B-VG-Nov 1994, 1013). Ein solcher Fall liegt aber derzeit nicht vor, obwohl das Land seiner Umsetzungsverpflichtung unstrittig nicht nachgekommen ist. Eine § 3 der Richtlinie bzw § 3 AVRAG entsprechende Regelung fehlt. Weder das T-MSchG noch das neue T-VBG vom 1. 7. 1998, LGBl 84, das übrigens gemäß dessen § 1 Abs 2 lit b auf Lehrer an Musikschulen nach dem T-MSchG nicht anzuwenden ist, sieht eine der Richtlinie entsprechende Regelung vor.
Die Behauptung, die Frist zur Umsetzung der Richtlinie sei zum Zeitpunkt der Übernahme des Großteils der Musikschulen durch das Land noch nicht abgelaufen gewesen, ist schlicht unrichtig. Nach Art 2 der Beitrittsakte sind ab dem Beitritt die ursprünglichen Verträge und die vor dem Beitritt erlassenen Rechtsakte der Organe für die neuen Mitgliedstaaten verbindlich und gelten in diesen Staaten nach Maßgabe der genannten Verträge und dieser Akte. Übergangsfristen sind in diesem Bereich nicht vorgesehen (vgl Art 69 ff der Beitrittsakte und Anhang VIII, abgedruckt in Stadler MTA Europarecht 20, 15 und 31 ff). Gleiches galt bereits für das EWR-Abkommen (BGBl 1993/115 Art 3 und 7; Stadler aaO, Einleitung 27 f).
Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes können nicht fristgerecht umgesetzte Richtlinien unter bestimmten Umständen als Anspruchsgrundlage für individuelle Rechtsansprüche gegen den Staat herangezogen werden, obwohl sich Richtlinien definitionsgemäß an die Mitgliedstaaten wenden und diese zu ihrer Umsetzung im innerstaatlichen Reich verpflichtet sind (Art 189 Abs 3 EGV). Voraussetzung für eine unmittelbare Wirkung ist, daß die Richtlinie für eine individuelle Anwendung zureichend bestimmt ist und den Mitgliedsstaaten keinen besonderen Ermessensspielraum gewährt (grundlegend EuGH 4. 12. 1974, Rs 41/74 -Yvonne van Duyn/Home Office, Slg 1974, 1337). Dies ist bei der Betriebsübergangsrichtlinie unstrittig der Fall. Zwar hat diese Richtlinie in aller Regel nicht Rechte gegen den Staat, sondern Rechte und Pflichten der Arbeitsvertragsparteien zum Gegenstand, sodaß dadurch eine unmittelbare Anwendbarkeit weitgehend ausscheidet. Anders ist es jedoch dann, wenn Arbeitsvertragspartner der "Staat" selbst ist; in diesem Fall entfaltet die Richtlinie unter den weiteren oben genannten Voraussetzungen unmittelbare Wirkung im Verhältnis zwischen Individuum und Staat (Gudrun Schmidt in Groeben/Thiesing/Ehlermann, Komm EU-/EG Vertrag5 IV 1052 ff mwN; zuletzt in Bezug auf das österreichische Recht ausführlich Kiendl aaO 59 f und Rotter, Unmittelbare Wirksamkeit von Richtlinien, ZUV 1998, H 3, 9 ff [14]).
Der Begriff des "Staates" ist im weiteren Sinn zu verstehen. Trifft die Gesetzgebungskompetenz wie hier nicht die Republik, sondern ein Land und ist dieses säumig und sind die betroffenen übernommenen Arbeitnehmer des Landes nicht hauptsächlich mit hoheitsrechtlichen Verwaltungsaufgaben betraut, können sich diese auf die aus der Richtlinie ergebenen Rechte unmittelbar berufen (Kiendl aaO 59 f), da es sich um Ansprüche gegen staatliche Stellen handelt.
An dieser zwingenden Rechtsfolge kann der Umstand nichts ändern, daß dann unter Umständen die Zielsetzungen des "Musikschulwerkes" nicht voll verwirklicht werden könnten, weil nicht alle Lehrer über die nach den T-MSchG erforderliche Qualifikation verfügen. Hätte das Land die Folgen des § 3 der Richtlinie vermeiden wollen, hätte es eben die Musikschulen nicht "von einem anderen Erhalter übernehmen" (§ 5 Abs 1 lit b T-MSchG), sondern eine eigene Organisation aufziehen müssen.
Auch kann sich der Erstantragsgegner nicht darauf berufen, daß durch die Übernahme der Musikschulen durch das Land die Arbeitsbedingungen der Musiklehrer insgesamt wesentlich verbessert worden seien, was unstrittig der Fall ist. Der Europäische Gerichtshof läßt nämlich einen Gesamtvergleich nicht zu; auch wenn insgesamt die Rechtsstellung der Arbeitnehmer durch die Übernahme verbessert werden würde, darf deren Rechtsstellung in keinem Punkt verschlechtert werden; kurz gesagt, es steht dem Übernehmer zwar frei, den übernommenen Arbeitnehmern günstigere Bedingungen zu gewähren, er darf sie aber in keinem Punkt schlechter stellen als bisher. So hat der Europäische Gerichtshof (12. 11. 1992, Rs C 209/91 -Anne Watson Rask ua/ISS Kantineservice A/S, Slg 1992 I 5775) erkannt, daß nicht einmal eine Änderung der Zahlungsmodalitäten zulässig ist, sofern nicht die innerstaatlichen Vorschriften dem Unternehmer einseitig solche Änderungen unabhängig vom Unternehmensübergang erlauben. Umsoweniger kann daher das Land die bisher vertraglich festgelegte Unterrichtsstundenanzahl einseitig erhöhen.
Der Feststellungsantrag gegenüber dem Erstantragsgegner ist daher berechtigt.
Gleiches gilt aber auch für den Feststellungsantrag gegenüber der Zweitantragsgegnerin.
Durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ist hinlänglich geklärt, daß der Richtlinie unmittelbare Wirkung gegenüber der Zweitantragsgegnerin zukommt, auch wenn diese selbst als Gemeinde keine Gesetzgebungskompetenz zur Umsetzung der Richtlinie hat; für die Einholung einer Vorabentscheidung besteht daher kein Anlaß. Wesentlich ist, daß der EuGH bereits über die Drittwirkung gegenüber Gemeinden erkannt hat, und nicht, ob er sich mit dem "Musikschulwesen" befaßt hat.
Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (besonders deutlich Urteil vom 12. 7. 1990, C-188/89 -Foster ua/British Gas Plc, Slg 1990 I 3313) können sich einzelne auf unbedingte und hinreichend genaue Bestimmungen einer Richtlinie gegenüber Organisationen oder Einrichtungen berufen, die dem Staat oder dessen Aufsicht unterstehen oder mit besonderen Rechten ausgestattet sind, die über diejenigen hinausgehen, die nach den Vorschriften für die Beziehungen zwischen Privatpersonen gelten (in diesem Sinn bereits EuGH 19. 1. 1982, Rs 8/81 -Becker/Finanzamt Münster-Innenstadt, Slg 1982, 53 ua). Dies gilt auch für Gemeinden (EuGH 22. 6. 1989, Rs 103/88 - Fratelli Constanzo/Commune di Milano ua, Slg 1989, 1839): Der Europäische Gerichtshof verweist dort darauf, daß er bereits mehrfach ausgesprochen hat, daß sich die einzelnen in all den Fällen, in denen Bestimmungen einer Richtlinie inhaltlich als unbedingt und hinreichend genau erscheinen, vor einem nationalen Gericht gegenüber dem Staat auf diese Bestimmungen berufen können, wenn der Staat die Richtlinie nicht fristgemäß oder nur unzulänglich in nationales Recht umgesetzt hat. Wenn sich die einzelnen unter den schon vorher genannten Voraussetzungen vor den nationalen Gerichten auf die Bestimmungen einer Richtlinie berufen können, so deshalb, weil die Verpflichtungen, die sich aus diesen Bestimmungen ergeben, für alle Behörden der Mitgliedsstaaten gelten. Folglich seien alle Träger der Verwaltung einschließlich der Gemeinden und sonstigen Gebietskörperschaften verpflichtet, diese Bestimmungen anzuwenden. Daß diese Erwägungen hinsichtlich der Gemeinden auch für den österreichischen Rechtsbereich gelten müssen, ergibt sich zwingend auch daraus, daß diese nach der Verfassungsbestimmung des Art 119a B-VG der Aufsicht des Landes bzw Bundes unterliegen (zur Kompetenz im Schulbereich vgl Art 14 f B-VG).
Hieraus folgt, daß auch die Zweitantragsgegnerin verpflichtet ist, die ehemals bei der auf Vereinsbasis organisierten Musikschule beschäftigten Musiklehrer in den Genuß der Rechte der Betriebsübergangsrichtlinie kommen zu lassen, sodaß auch der Feststellungsantrag gegenüber der Zweitantragsgegnerin berechtigt ist.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)