OGH 8Ob261/98k

OGH8Ob261/98k15.4.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer, Dr. Rohrer, Dr. Adamovic und Dr. Spenling als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien Dkfm Peter P*****, Angestellter, ***** und Jan S*****, Angestellter, ***** vertreten durch Dr. Thomas Rohracher, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei J***** W*****, Angestellte, ***** vertreten durch Dr. Erich Haase, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 27. Mai 1998, GZ 41 R 165/98p-19, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt vom 5. Jänner 1998, GZ 44 C 96/97-14, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der außerordentlichen Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.021,24 bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten S 670,20 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagenden Parteien begehrten die Räumung der Wohnung durch die beklagte Partei; sie brachten hiezu vor, sie hätten mit der beklagten Partei einen Mietvertrag geschlossen, wobei sie jedoch bei Vertragsabschluß über wesentliche Umstände durch die beklagte Partei absichtlich getäuscht worden seien. Bei Kenntnis der tatsächlichen Verhältnisse, die sich erst nach Mietvertragsabschluß herausgestellt hätten, hätten die klagenden Parteien den Mietvertrag mit der beklagten Partei niemals abgeschlossen. Insbesondere behaupteten die klagenden Parteien, es wäre ihre Absicht gewesen, einen Mieter mit bester Bonität zu finden. Nach Sichtung der Mietinteressenten sei der Ehemann der Beklagten als präsumptiver Mieter ausgewählt worden. Auf dessen Wunsch sei der Mietvertrag auf den Namen der Beklagten vorbereitet worden.

Voraussetzung für den Abschluß des Mietvertrages sei auch die Verpflichtung des Mieters gewesen, die gegenständliche Wohnung bei sonstiger Vertragsauflösung in einen Zustand der Kategorie A zu versetzen. Die Beklagte habe sich durch Unterfertigung einer Erklärung verpflichtet, die gegenständliche Wohnung bis längstens 31. 12. 1995 in einen Zustand der Kategorie A zu bringen, dies bei sonstiger Vertragsauflösung. Der Hausverwalter habe keinerlei Bedenken gehabt, daß die Bonität zur Durchführung dieser Arbeiten vorhanden sei. Einige Zeit nach Mietvertragsabschluß hätten die klagenden Parteien in Erfahrung gebracht, daß die beklagte Partei von ihrem Ehemann getrennt lebe. In weiterer Folge habe sich herausgestellt, daß die beklagte Partei aus finanziellen Gründen alleine nicht in der Lage sei, die Kategorieanhebung durchzuführen. Es sei daher evident, daß der Auftritt und die Vertragshandlungen des Ehemannes der Beklagten nur dazu gedient hätten, Bonität vorzutäuschen und die klagenden Parteien durch bewußte Vortäuschung falscher Tatsachen zum Abschluß eines Mietvertrages zu bewegen. Die gegenständliche Wohnung befinde sich nach wie vor im selben Zustand wie bei der Anmietung.

Die Beklagte bestritt die behauptete Irreführung. Die Kläger hätten mit der Beklagten einen Mietvertrag geschlossen, wobei nie im Gespräch gewesen sei, daß ihr damaliger Ehemann Mieter werden sollte. Sie habe um Baubewilligung für die Sanierung angesucht und diese auch erhalten. Außerdem habe sie Kostenvoranschläge eingeholt, die einen Aufwand ergeben hätten, zu dessen Bezahlung sie wirtschaftlich nicht in der Lage sei. Die Verpflichtungserklärung bezüglich der Kategorieanhebung sei rechtsunwirksam, da dieser keine Gegenleistung der klagenden Parteien gegenüberstehen würde. Die Übernahme der Kosten einer Kategorieanhebung sei nur bei Anhebung von D auf C zulässig, nicht aber bei einer Anhebung von C auf A. Die Vereinbarung über die Verpflichtung zur Sanierung der Wohnung stelle eine gesetzwidrige Ablöse dar.

Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte zur Räumung der Wohnung, wobei es im wesentlichen folgende Feststellungen traf:

Die Wohnung sollte nur an eine Person vermietet werden, die sich verpflichtet, die Wohnung zu sanieren und den Ausstattungszustand von Kategorie C auf Kategorie A anzuheben. Wichtig für die Vermieterseite war daher die Bonität der zukünftigen Mieter. Der damalige Ehemann der Beklagten bekundete Interesse an der Wohnung.

Knapp vor Vertragsabschluß teilten die Beklagte und ihr damaliger Ehemann der Hausverwaltung mit, daß die Beklagte Mieterin sein solle. Sie erweckten den Eindruck, daß sie die Wohnung gemeinsam beziehen würden. Intern war bereits vor Abschluß des Mietvertrages zwischen der Beklagten und ihrem Ehegatten vereinbart, daß es zur Scheidung kommen werde. Bei Abschluß des Mietvertrages war dem damaligen Ehemann der Beklagten der Scheidungstermin bereits bekannt, der Beklagten teilte er diesen Termin allerdings erst nach Vertragsunterzeichnung mit.

Am 17. 1. 1995 unterfertigte die Beklagte den Mietvertrag. Am 18. 1. 1995 unterfertigte sie eine Zusatzvereinbarung, in der sie sich verpflichtete, die gegenständliche Wohnung bis längstens 31. 12. 1995 in einen Zustand der Kategorie A zu bringen, dies bei sonstiger Vertragsauflösung. Die Beklagte war der Ansicht, die Adaptierung der Wohnung mit den S 200.000,- -, die sie anläßlich der Scheidung erhalten sollte und in der Folge auch erhielt, finanzieren zu können.

In der Folge ließ die Beklagte die Arbeiten nicht durchführen, da sie die finanziellen Mittel dazu nicht aufbrachte. Die Beklagte hat nicht darauf hingewiesen, daß sie sich von ihrem Mann scheiden lassen und die Wohnung alleine beziehen werde, obwohl ihr klar war, daß sich die Hausverwaltung über die Vermögenslage im Hinblick auf die Wohnungssanierung informiert hatte. Überlegungen, daß sie bei Bekanntwerden der Tatsache der Scheidung die Wohnung nicht bekommen könnte, hat sie allerdings nicht angestellt.

Zur rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, der Beklagten sei keine vorsätzliche Täuschung im Sinne des § 870 ABGB vorzuwerfen. Die Beklagte habe sich aber bei sonstiger Vertragsauflösung verpflichtet, die Wohnung auf die Ausstattungskategorie A anzuheben. Da die Beklagte dieser Verpflichtung nicht nachgekommen sei, sei der Vertrag aufgelöst, sodaß sie die Wohnung seither titellos benütze.

Gegen dieses Urteil erhob die beklagte Partei Berufung aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung, ohne sich jedoch im Sinne des § 468 Abs 2 ZPO ausdrücklich auf Feststellungen des Erstgerichtes zu beziehen. In der von den klagenden Parteien eingebrachten Berufungsbeantwortung wurden die Feststellungen des Erstgerichtes weder zugestanden noch gerügt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und änderte das Urteil des Erstgerichtes im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens ab. Weiters sprach es aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

In der rechtlichen Begründung führte das Berufungsgericht aus, § 29 Abs 1 und Abs 2 MRG zähle die spezifischen Gründe für eine wirksame Beendigung eines Mietverhältnisses taxativ auf. Daneben würden nur noch die Bestimmungen des allgemeinen Vertragsrechtes über die Beendigung und Anfechtung von Verträgen gelten. Die Kläger hätten ihr Räumungsbegehren auch auf die Aufhebung des Mietvertrages wegen List gestützt. Diese Anspruchsgrundlage sei vom Erstgericht verneint und von den Klägern nicht bekämpft worden, sodaß sie vom Berufungsgericht nicht mehr zu prüfen sei. Der Rücktritt vom Vertrag gemäß den §§ 918 ff ABGB sei bei Dauerschuldverhältnissen, die bereits ins Abwicklungsstadium getreten seien, grundsätzlich ausgeschlossen. Die Vereinbarung einer den Mietvertrag auflösenden Bedingung bedeute eine Umgehung der im § 29 MRG geregelten Auflösung des Mietvertrages. Die zwischen den Streitteilen vereinbarte bedingte Vertragsauflösung sei daher unwirksam. Das vertragswidrige Unterlassen einer Standardanhebung von der Ausstattungskategorie C auf A bilde keinen erheblich nachteiligen Gebrauch im Sinne des § 1118, 1. Fall ABGB.

Gegen dieses Berufungsurteil wendet sich die außerordentliche Revision der klagenden Parteien aus dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klagestattgebenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

In der der Beklagten freigestellten Revisionsbeantwortung beantragte diese die Zurückweisung der Revision vor allem mit der Begründung, der Verfahrensmangel sei nicht geeignet gewesen eine unrichtige Entscheidung herbeizuführen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht die Bestimmung des § 473a ZPO nicht beachtet hat und im Rahmen der Prüfung der Relevanz des vom Revisionswerber geltend gemachten Verfahrensmangels erhebliche Fragen des materiellen Rechts zu lösen sind.

Die Revision ist jedoch nicht berechtigt.

Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, eine Anspruchsgrundlage, deren Ablehnung durch das Erstgericht von den in erster Instanz obsiegenden Klägern nicht bekämpft worden sei, sei vom Berufungsgericht nicht mehr zu prüfen, läßt die mit der Wertgrenzennovelle 1997 eingeführte Bestimmung des § 473a ZPO außer Acht. Sinn dieser Bestimmung ist es, dem Berufungsgegner die Möglichkeit zu geben, Feststellungen in einem für ihn günstigen Urteil zu bekämpfen. Es wäre geradezu sinnwidrig § 473a ZPO so auszulegen, daß er sich nur auf jene Feststellungen beziehe, auf die das Berufungsgericht seine abändernde Entscheidung unmittelbar stützt und nicht auch auf jene, die das Berufungsgericht gar nicht mehr prüft.

Erläßt das Berufungsgericht zu Unrecht keine Mitteilung, so stellt dies im Sinne des § 503 Z 2 ZPO einen wesentlichen Verfahrensmangel dar (Kaja Puschner, Die Geltendmachung von Verfahrensmängeln im Licht der Erweiterten Wertgrenzennovelle 1997, ÖJZ 1998, 11, 415).

Die Revisionswerber führen in der Revision aus, daß sie die erstgerichtlichen Feststellungen betreffend die Täuschung durch die Beklagte angefochten hätten, wäre ihnen dazu Gelegenheit gegeben worden.

Allerdings ist der Argumentation der Revisionsgegnerin in der Revisionsbeantwortung, der Verfahrensmangel sei nicht geeignet gewesen, eine unrichtige Entscheidung herbeizuführen, beizupflichten.

Es bedarf zwar keines Nachweises, daß der Mangel in concreto eine unrichtige Entscheidung zur Folge gehabt hat (Fasching, Kommentar IV 206; ders Lehrbuch2, Rz 1765), jedoch muß der Mangel zumindest abstrakt geeignet sein, eine unrichtige Entscheidung zur Folge zu haben.

Zunächst ist dem Berufungsgericht darin zuzustimmen, daß die Vereinbarung der gegenständlichen Instandsetzungsverpflichtung als auflösende Bedingung unwirksam ist, weil dadurch der Kündigungsschutz umgangen würde. Dies ergibt sich insbesondere aus § 5 Abs 3 iVm § 30 Abs 2 Z 13 MRG, wonach bei Vermietung einer frei gewordenen Wohnung der Ausstattungskategorie D an einen Dritten vereinbart werden kann, daß sich dieser im Fall des Freiwerdens einer zur Anhebung des Standards geeigneten Nachbarwohnung der Kategorie D zur Zumietung und Umgestaltung in eine Wohnung der Kategorie C verpflichtet und daß die Nichteinhaltung dieser Verpflichtung bei Freiwerden einer solchen Nachbarwohnung als Kündigungsgrund vereinbart werden kann (zur wirksamen Vereinbarung des Bruches einer derartigen Umgestaltungsverpflichtung als Kündigungsgrund siehe EvBl 1985/109; WoBl 1994/57 sowie 10 Ob 504/96); auch mit dem Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 16 MRG, wonach die Weigerung des Mieters, eine vom Vermieter angebotene Standardverbesserung einer Wohnung der Kategorie D zuzulassen oder die angebotene Verbesserung selbst durchzuführen, den Vermieter zur Kündigung gegen Beistellung einer Ersatzwohnung berechtigt, ist die Auffassung unvereinbar, für den Fall der Nichteinhaltung einer vom Mieter übernommenen Verpflichtung zur Standardanhebung von Kategorie C auf Kategorie A könne wirksam die Vertragsauflösung vereinbart werden (zur Unwirksamkeit der Vereinbarung eines Kündigungsgrundes für den Fall der Nichteinhaltung der Verpflichtung des Mieters zur Standardanhebung einer Wohnung der Kategorie C im Zusammenhang mit einer ansonsten § 5 Abs 3 MRG entsprechenden Zumietverpflichtung bezüglich einer Nachbarwohnung siehe 4 Ob 505/88). Schließlich verstößt die Verpflichtung der Mieterin, eine mit erheblichem Aufwand verbundene Standardanhebung von Kategorie C auf Kategorie A vorzunehmen, schon für sich allein - ohne daß ihre Nichteinhaltung mit der Auflösung des Mietvertrages sanktioniert wäre - gegen § 27 Abs 1 Z 1 MRG (siehe JBl 1988, 524; vgl JBl 1988, 522). War aber die Verpflichtung der Beklagten zur Standardanhebung der Wohnung auf eigene Kosten ungültig, dann könnte auch eine absichtliche Täuschung der Kläger über die Fähigkeit der Beklagten, diese ungültige Nebenverpflichtung zu erfüllen, nicht die Gültigkeit des Mietvertrages berühren; würde man dem Vermieter, der den Abschluß des Mietvertrages von der Übernahme einer derartigen zusätzlich zum gesetzlichen Mietzins zu erbringenden Leistung des Mieters abhängig macht, die Anfechtung des Mietvertrages mit der Begründung ermöglichen, der Mieter habe ihn über seine Fähigkeit oder Bereitschaft, die vereinbarte Zusatzleistung zu erbringen, getäuscht, würde damit der Kündigungsschutz (sowie die gesetzlichen Mietzinsbeschränkungen und das Ablöseverbot) ebenso umgangen, wie bei Bejahung der Gültigkeit der vereinbarten auflösenden Bedingung.

Selbst ein bewußtes Verschweigen der von den Klägern ins Treffen geführten Umstände wäre daher nicht relevant und liegt damit kein Mangel vor, der geeignet war, eine unrichtige Entscheidung durch das Berufungsgericht herbeizuführen. Der Revision der klagenden Parteien war daher keine Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Stichworte