OGH 9ObA346/98t

OGH9ObA346/98t14.4.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Hradil sowie durch die fachkundigen Laienrichter MR Dr. Richard Warnung und Wilhelm Hackl als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Johann R*****, Angestellter, ***** vertreten durch Dr. Thomas Stampfer und Dr. Christoph Orgler, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Hermann S*****, Unternehmer, ***** vertreten durch Dr. Reinhard Tögl, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 472.700 brutto sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 8. Oktober 1998, GZ 8 Ra 105/98t-18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 20. Jänner 1998, GZ 34 Cga 110/97b-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S

20.610 (darin S 3.435 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom 20. 12. 1971 bis 18. 4. 1997 beim Beklagten als Werkmeister im Angestelltenverhältnis beschäftigt. Das Arbeitserhältnis endete entweder durch - fristwidrige - Dienstgeberkündigung oder durch einvernehmliche Auflösung (- da ein Anspruchsverlust im Sinne des § 23 Abs 7 AngG jedenfalls nicht gegeben ist, kann die nicht genau festgestellte Auflösungsart dahingestellt bleiben -). Die der Höhe nach mit S 472.700 brutto unstrittige Abfertigungsforderung des Klägers wurde diesem nicht ausgezahlt. Unstrittig ist ferner, daß für den Fall des rechtlichen Bestandes der gesamte Abfertigungsbetrag bereits zur Zahlung fällig ist.

Der Kläger begehrt die Abfertigung. § 23 Abs 2 AngG sei nicht anwendbar, weil zwischen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers und der rechtlichen und wirtschaftlichen Auflösung des Unternehmens der vom Gesetz geforderte enge Zusammenhang nicht bestanden habe. So sei ein weiterer Tischlergeselle noch bis zum 6. 6. 1997 im Betrieb tätig gewesen, ein Lehrling sogar bis zum 11. 7. 1997. Erst an diesem Tage habe der Beklagte auch seine Gewerbeberechtigung zurückgelegt. Auch sei bis Juli 1997 noch ein Auftrag eines Kunden bearbeitet worden. Der Beklagte sei überdies wirtschaftlich ausreichend leistungsfähig, um die geforderte Abfertigung zahlen zu können. Der Kläger habe ihm gehörende Liegenschaftsanteile zu einem unangemessen niedrigen Preis an seine Gattin veräußert. Darüber hinaus habe sich die seit 10 Jahren gleich anhaltende angespannte wirtschaftliche Lage des Unternehmens des Beklagten nicht erst bei Auflösung des Dienstverhältnisses mit dem Kläger verschlechtert. Soweit der Beklagte Gläubiger im Rahmen eines stillen Ausgleichs befriedigt habe, hätte er dabei auch seine Arbeitnehmer berücksichtigen können und müssen. Dies habe er aber unterlassen.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Er wendete ein, daß er aufgrund der wirtschaftlichen Situation zur Liquidation seines Unternehmens gezwungen gewesen sei und aus diesem Grunde den Kläger und andere Dienstnehmer zum 18. 4. 1997 gekündigt habe. Der Betrieb sei eingestellt, die Maschinen seien verkauft worden. Der Beklagte habe versucht, seine Dienstnehmer bei anderen Tischlern unterzubringen, dies sei aber nicht gelungen. Die Gewerbeberechtigung sei deshalb erst am 11. 7. 1997 zurückgelegt worden, um bis dahin einem Lehrling die Absolvierung der Lehrzeit zu ermöglichen. Der Lehrling habe sich überwiegend im Krankenstand oder im Urlaub befunden, Aufräumarbeiten getätigt und bereits ausgelieferte Möbel bei einem Kunden montiert. Das Unternehmen sei im zeitlichen Zusammenhang mit dem Kündigungstermin geschlossen worden. Mit den Hauptgläubigern sei ein "stiller Ausgleich" mit einem Forderungsnachlaß zwischen 40 und 50 % vereinbart worden. Die Betriebsliegenschaft sei schon vor Schließung des Unternehmens veräußert worden; mit dem Erlös seien teilweise Gläubiger befriedigt worden. Da sich kein Käufer gefunden habe, der die Betriebsliegenschaft zum Verkehrswert übernommen hätte, habe die Hauptgläubigerbank diese Liegenschaft über eine Tochtergesellschaft erworben und als Kaufpreis die aushaftenden Schulden akzeptiert. Darin sei ein 50 %iger Nachlaß enthalten gewesen. Zur Finanzierung des stillen Ausgleichs habe der Beklagte überdies einen Kredit in Höhe von S 1,000.000 aufgenommen und auf einer privaten Liegenschaft sichergestellt. Der Beklagte habe Anteile an Privatliegenschaften an seine Gattin auf Abschlag weit über dem Wert der Liegenschaften stehender Forderungen veräußert. Er selbst beziehe nur eine geringe Pension und habe Unterhaltspflichten für zwei behinderte Kinder. Die Erfüllung der Forderungen aller Dienstnehmer hätte die Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz des Beklagten zur Folge. Die Voraussetzungen des § 23 Abs 2 AngG seien daher gegeben.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es traf folgende wesentlichen Feststellungen:

Der Beklagte beendete am 18. 4. 1997 mit zwei Ausnahmen auch die übrigen Arbeitsverhältnisse. Bei diesen Ausnahmen handelte es sich um einen Gesellen, der bis zum 6. 6. 1997 im Betrieb verblieb und einen Lehrling, welcher bis bis zum Ende seiner Lehrzeit am 11. 7. 1997 weiterbeschäftigt wurde. An diesem Tage legte der Beklagte auch seine Gewerbeberechtigung zurück. Der verbliebene Geselle hatte insbesondere den Auftrag, dem Lehrling bei der Vorbereitung für die Lehrabschlußprüfung zu helfen. Nach dem 18. 4. 1997 nahm der Beklagte keine neuen Aufträge mehr an. Mitte Mai 1997 begann der vom Gesellen und dem Lehrling bewerkstelligte Abtransport der Maschinen. In der Zeit vom April bis Juli 1997 fertigten der Lehrling und zunächst auch der Geselle vier Truhen an; weiters wurden fünf Hobelbänke durch Abschleifen instandgesetzt. Ein Kunde hatte bereits im Zeitraum Dezember 1996/Jänner 1997 Einrichtungsgegenstände für Badezimmer, Garderobe und Wintergarten in Auftrag gegeben. Die Möbelstücke waren bis Ende April ausgeliefert, jedoch nicht montiert worden. Die Montage erfolgte Anfang Juni 1997 und nahm etwa eineinhalb Wochen in Anspruch. Diese Arbeiten wurden vom verbliebenen Gesellen und vom Lehrling durchgeführt.

Das Unternehmen des Beklagten hatte in den letzten drei Jahren steigende Verluste zu verzeichnen. Der Umsatz war zurückgegangen, ohne daß gleichzeitig Fixkosten und Personalkosten abgebaut worden wären. Im Zuge eines ab dem Frühjahr 1996 beginnenden stillen Ausgleiches wurde zunächst die Betriebsliegenschaft, die auch im Miteigentum der Gattin des Beklagten stand, veräußert. Der Erlös wurde zur Abdeckung von Vebindlichkeiten bei der S***** Sparkasse verwendet. Der Kaufpreis belief sich auf die Höhe der Schulden von S 10,500.000. Mit einem Teil der Gläubiger wurden Nachlässe von 40 bis 50 % vereinbart. Für eine Abschlagszahlung an das Finanzamt G***** wurden Fremdmittel in Höhe von S 1,000.000 aufgenommen, wobei als Besicherung Liegenschaftsanteile in H***** und in der M***** in G***** dienten. Diese Liegenschaftsanteile veräußerte der Beklagte am 25. 8. 1997 um die Kaufpreise von S 1,000.000 und S 1,500.000 an seine Gattin.

Das Erstgericht verneinte das Vorliegen der Voraussetzungen des § 23 Abs 2 AngG. Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger und die tatsächliche sowie rechtliche Stillegung des Unternehmens des Beklagten seien zeitlich auseinandergefallen. Bis zur Zurücklegung des Gewerbes durch den Beklagten seien beinahe drei Monate vergangen. Auch seien über den Zeitpunkt der Auflösung des Arbeitsverhältnisses hinaus zwei Arbeitnehmer weiter beschäftigt geblieben. Darüber hinaus müsse dem Beklagten aber auch der Vorwurf gemacht werden, daß er es im Rahmen des stillen Ausgleichs unterlassen habe, auch die Dienstnehmer zumindest teilweise zu befriedigen.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß sich der Beklagte nicht auf § 23 Abs 2 AngG berufen könne. Wohl sei mit ein Motiv des Beklagten für den zunächst weiteren Behalt der Gewerbeberechtigung gewesen, einem Lehrling die Beendigung seiner Ausbildung zu ermöglichen, wobei auch die Herstellung der Truhen der Vertiefung der fachlichen Kenntnisse des Lehrlings gedient habe. Doch bleibe unbedenklich bestehen, daß der Lehrling nicht nur mit Ausbildungstätigkeiten beschäftigt gewesen sei, sondern auch noch echte betriebliche Tätigkeiten verrichtet habe, wie die Montagearbeiten bei einem Kunden und das Herrichten der Hobelbänke. Es könnte überdies nicht im Belieben des Beklagten liegen, einen defizitären Betrieb über einen Zeitraum von zweieinhalb Monaten weiterzuführen und dadurch zu weiteren Verlusten beizutragen. Das Berufungsgericht schließe sich zwar der von Migsch (Abfertigung für Arbeiter und Angestellte, 167 f, insbesondere 169) vertretenen elastischeren Auffassung an, wonach die Auflösung des Arbeitsverhältnisses (nur) mit der Auflösung des Unternehmens im unmittelbaren (zeitlichen) Zusammenhang stehen müsse, doch sei der jedenfalls zu fordernde enge Zusammenhang zwischen der Auflösung des Unternehmens und der Auflösung des Dienstverhältnisses des Klägers hier nicht mehr gegeben.

Das Berufungsgericht sprach weiters aus, daß die ordentliche Revision nach § 46 Abs 1 ASGG zulässig sei, weil in Lehre und Judikatur abweichende Meinungen vertreten würden.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Beklagten aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben; hilfsweise, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen werde.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil die Frage, ob § 23 Abs 2 AngG auch dann Anwendung finden kann, wenn die abfertigungsbegründende Auflösung eines Arbeitsverhältnisses und die Auflösung des Unternehmens zeitlich auseinanderfallen, von der Rechtsprechung (insbesondere Arb 10.607) bisher offengelassen wurde; sie ist aber nicht berechtigt.

Nach § 23 Abs 2 AngG entfällt der gesetzliche Abfertigungsanspruch ganz oder teilweise dann, wenn sich die persönliche Wirtschaftslage des Dienstgebers im Falle der Auflösung des Unternehmens derart verschlechtert hat, daß ihm die Erfüllung dieser Verpflichtung zum Teil oder zur Gänze billigerweise nicht zugemutet werden kann. Vor der Auflösung des Unternehmens und ohne Hinzutreten persönlicher Schwierigkeiten kann sich der Arbeitgeber sohin nicht auf eine Verschlechterung der Wirtschaftslage berufen (SZ 62/4). Die zitierte Bestimmung soll verhindern, daß der Arbeitgeber, der sein Unternehmen infolge einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation auflösen will oder muß, durch hohe Abfertigungsansprüche seiner Arbeitnehmer in seiner Existenz bedroht und so möglicherweise in den Konkurs getrieben wird (Arb 10.607 = RdW 1987, 235 = WBl 1987, 216 mwN). Die Anwendung dieser sogenannten wirtschaftlichen Reduktionsklausel ist jedoch dann ausgeschlossen, wenn bereits ein Anspruch auf Abfertigung besteht und die Auflösung des Unternehmens im Zuge eines lang andauernden Liquidationsvorganges in Verfolgung eines "einheitlichen subjektiven Willens auf Liquidierung" erst

später eintritt bzw erst eintreten wird (RdW 1997, 469 = ARD

4833/19/97 = SozArb 1997 H 2, 24). § 23 Abs 2 AngG hat nach der Rechtsprechung (Arb 10.607) nur jene Situationen im Auge, in denen infolge Auflösung des Unternehmens auch die Arbeitsverhältnisse ihr Ende finden; die Anwendbarkeit dieser Bestimmung ist ausgeschlossen, wenn ein Anspruch auf Abfertigung bereits besteht und die Auflösung des Unternehmens später eintritt.

Nach Lehre und Rechtsprechung ist § 23 Abs 2 AngG eng auszulegen und kann nicht auf ähnliche Fälle analog angewendet werden (Arb 10.607 mwN). In dieser Entscheidung (14 ObA 2 - 4/87 = Arb 10.607) warf der Oberste Gerichtshof in Anlehnung an die Lehre (Migsch, Abfertigung für Arbeiter und Angestellte 167, 169) auch die Frage auf, ob an der Rechtsansicht, daß bereits erworbene Abfertigungsansprüche durch spätere Vorgänge nicht mehr berührt werden können, in der Strenge festzuhalten sei, daß § 23 Abs 2 AngG auch auf eine zeitlich knapp nach der Auflösung des Arbeitsverhältnisses liegende Unternehmensauflösung nicht zur Anwendung käme, selbst wenn die Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit der unmittelbar bevorstehenden Unternehmensauflösung begründet worden sei. Im Hinblick auf die damalige Fallkonstellation (Auflösung der Dienstverhältnisse am 31.

7. bzw 31. 12. 1983 - Zurücklegung der Gewerbeberechtigung am 24. 1. 1986) konnte diese Frage aber noch unbeantwortet bleiben.

In der Lehre findet sich hiezu folgender Meinungsstand:

Migsch (aaO) vertritt zunächst auch die Ansicht, daß die Auflösung des Arbeitsverhältnisses im unmittelbaren Zusammenhang mit der Auflösung des Unternehmens stehen müsse, doch sei der elastischeren Formel des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen (Arb 5882 ua) der Vorzug zu geben. Ein Zusammenhang zwischen Vertragsbeendigung und Unternehmensauflösung sei nicht grundsätzlich ausgeschlossen, wenn letztere auf erstere folge; so etwa, wenn der Arbeitgeber seine Kündigung mit der bevorstehenden Unternehmensauflösung motiviert und sie einige Tage später auch tatsächlich vollziehe. Zeitspannen, die mehr als einen Monat betragen, sprengten jedoch das Erfordernis des unmittelbaren Zusammenhanges bei weitem. Die Verschlechterung der Vermögenslage müsse bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses bereits eingetreten sein, nachträgliche Verschlechterungen seien irrelevant (mit Zitat von Mayer/Mallenau/Grünberg, AngG Anm 6 zu § 23; SZ 8/116).

Auch nach Martinek/M. Schwarz/W. Schwarz, AngG7 Anm 15 zu § 23, braucht es bei der Auflösung des Unternehmens zeitlich nicht genau auf den Tag der Beendigung des Arbeitsverhältnisses anzukommen, doch darf auch die Liquidierung des Unternehmens nur kurzfristig über diesen Zeitpunkt hinaus andauern. Eine der letzten Meinung gleichlautende Auffassung vertreten Schwarz/Löschnigg (Arbeitsrecht6 328). Nach Holzer (Abfertigung und Unternehmensauflösung in Runggaldier, Abfertigungsrecht) müsse man sich der Auffassung von Migsch anschließen, wolle man § 23 Abs 2 AngG nicht jede praktische Bedeutung rauben. Einerseits werde es nicht immer leicht sein, den Zeitpunkt einer Unternehmensauflösung auf den Tag genau festzulegen. Andererseits werde es vielfach nicht gelingen, die Auflösung der Dienstverhältnisse gerade zu diesem Zeitpunkt zu bewerkstelligen. So werde etwa die Unternehmensauflösung zum Ende eines Kalendervierteljahres dann auf Schwierigkeiten stoßen, wenn dieses auf einen Sonn- oder Feiertag falle. Gleichwohl müßten Angestellte zu diesem Termin gekündigt werden. Die Verschlechterung der Vermögenslage des Arbeitgebers müsse aber bei der Auflösung des Arbeitsverhältnisses jedenfalls bereits eingetreten sein; nachträgliche Verschlechterungen blieben außer Betracht. Spielbüchler (in Floretta/Spielbüchler/Strasser, Arbeitsrecht3 I 182) vertrat hiefür noch die Meinung, daß für die Anwendung des § 23 Abs 2 AngG Voraussetzung sei, daß Arbeitsverhältnis und Unternehmen zugleich aufgelöst würden. Auch dieser Autor ist jedoch mittlerweile (in Spielbüchler/Grillberger4, Arbeitsrecht I Individualarbeitsrecht) von dieser strengen Auffassung abgerückt, soweit er einräumt, daß mit "zugleich" nicht gemeint sei, daß Arbeitsverhältnis- und Unternehmensauflösung uno actu geschehen müssen, sondern daß ein enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang genüge (aaO FN 88). Dieser nunmehr im wesentlichen übereinstimmenden Lehrmeinung schließt sich der erkennende Senat an, zumal eine solche Auslegung des § 23 Abs 2 AngG den Erfordernissen des Wirtschaftslebens eher Rechnung trägt als eine allzu einengende Sicht betreffend das Zusammenfallen von Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit der Unternehmensauflösung. Im Interesse der Rechtssicherheit wird wohl ein Zeitraum von einem Monat als Richtwert einer Obergrenze dienen können, doch können im Einzelfall - bedingt durch Art und Größe des aufzulösenden Unternehmens - Abweichungen davon notwendig und berechtigt sein.

Diese Betrachtungsweise kann dem Beklagten im vorliegenden Fall nicht zum Vorteil gereichen. Selbst wenn man ihm zugestehen wollte, daß die fast drei Monate nach der Auflösung des Arbeitsverhältnisses des Klägers erfolgte Gewerbezurücklegung seine Ursachen darin hatte, dem verbliebenen Lehrling die Beendigung seiner Berufsausbildung zu ermöglichen, so kann doch nicht übersehen werden, daß auch ein weiterer Geselle über einen Zeitraum von ca sechs Wochen über den Zeitpunkt der Auflösung der anderen Arbeitsverhältnisse hinaus beschäftigt blieb und dabei Tätigkeiten verrichtete, die unmittelbar im Zusammenhang mit dem Unternehmensgegenstand standen, wie insbesondere die Montage von Möbeln oder das Herrichten von Hobelbänken. Der Beklagte vermochte nicht darzulegen, warum es ihm nicht möglich gewesen wäre, die letztgenannten Arbeiten bereits vor Auflösung der übrigen Dienstverhältnisse oder aber zumindest im zeitlich engeren Zusammenhang mit dieser zu bewerkstelligen. Der Arbeitgeber hat somit den ihm obliegenden Beweis für eine mit der Auflösung der Dienstverhältnisse eng zusammenhängende Unternehmensauflösung nicht erbracht, weshalb ihm auch der Ausnahmetatbestand des § 23 Abs 2 AngG nicht zugute kommen kann.

Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, daß in dem vom Beklagten schon früher eingeleiteten stillen Ausgleich kein (- für die Anwendung des § 23 Abs 2 AngG nicht schädlicher -) Liquidationsausgleich (Arb 8388 ua) gesehen werden kann, weil es hiefür an der Voraussetzung der Einleitung eines Insolvenzverfahrens und der damit verbundenen Kontrolle durch einen Ausgleichsverwalter mangelt (SZ 58/16; Schuhmacher, Der Liquidationsausgleich in der Praxis in JBl 1990, 5 f).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 40, 50 Abs 1 ZPO.

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