OGH 10ObS63/99h

OGH10ObS63/99h30.3.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Dr. Steinbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johann Meisterhofer und Dr. Elmar Peterlunger (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Franz R*****, Nebenerwerbslandwirt und Arbeiter, *****, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wider die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der Bauern, 1031 Wien, Ghegastraße 1, vertreten durch Dr. Christian Preschitz und Dr. Michael Stögerer, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. November 1998, GZ 9 Rs 302/98t-12, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 15. Mai 1998, GZ 5 Cgs 228/97i-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie lauten:

Das Klagebegehren, die Beklagte sei schuldig, dem Kläger für die Folgen des Unfalls vom 6. 9. 1997 eine Versehrtenrente im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren, und das in diesem eingeschlossene Eventualbegehren auf Feststellung, daß die geltend gemachte Gesundheitsstörung an der rechten Hand Folge eines Arbeitsunfalles sei, werden abgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 1. 2. 1939 geborene Kläger bewirtschaftet als Nebenerwerbslandwirt einen Betrieb, der 1,8 ha landwirtschaftliche Flächen und 13,6 ha Wald umfaßt und insgesamt einen Einheitswert von 13.100 S hat. Er ist daneben als Arbeiter beim Wasserleitungsverband beschäftigt und bezieht aus dieser unselbständigen Tätigkeit ein monatliches Bruttoeinkommen von 25.200 S. Aus dem Wald gewinnt er Holz für den Eigenbedarf an Brennholz und für den Verkauf in Form von ganzen Stämmen und von vorgeschnittenem Brennholz, wobei er nach Wunsch des Kunden das Holz auch zustellt. So verkaufte er etwa im Jahr 1996 20 Festmeter geschnittenes Brennholz an seinen Schwiegersohn. Im September 1997 richtete er 25 Festmeter Holz als Brennholz zu. Dabei geriet er am 6. 9. 1997 bei der Verarbeitung der letzten zwei Meter mit der rechten Hand in die Kreissäge und verletzte sich am Zeige- und Mittelfinger. Etwa drei Festmeter des im September 1997 zugeschnittenen Holzes verkaufte der Kläger an seinen Sohn, der Rest diente dem Eigenverbrauch.

Mit dem Bescheid der beklagten Sozialversicherungsanstalt der Bauern vom 5. 11. 1997 wurde das Ereignis vom 6. 9. 1997 nicht als Arbeitsunfall anerkannt. Nach der Begründung des Bescheides sei das ofenfertige Zerkleinern von Brennholz zum baldigen Verbrauch für den Haushalt bestimmt gewesen, der nicht wesentlich dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb diene.

Mit der dagegen erhobenen Klage begehrt der Kläger von der Beklagten die Gewährung einer Versehrenrente im gesetzlichen Ausmaß.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wiederholte ihren im Bescheid eingenommenen Rechtsstandpunkt.

Das Erstgericht erkannte die Beklagte mit Urteil schuldig, das Ereignis vom 6. 9. 1997 "als Arbeitsunfall anzuerkennen"; über das allein erhobene Rentenbegehren wurde nicht entschieden. Es stellte den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt fest und führte in rechtlicher Hinsicht aus: Werde in einem landwirtschaftlichen Betrieb Holz nicht nur für den Eigenbedarf, sondern auch teilweise zur Veräußerung verarbeitet, so steht diese Tätigkeit als Betriebstätigkeit im Sinne des § 175 Abs 1 ASVG unter Unfallversicherungsschutz.

Das Berufungsgericht gab der nur wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung der Beklagten nicht Folge und bestätigte das angefochtene Urteil mit der Maßgabe als Teilurteil (gemeint möglicherweise auch Zwischenurteil) wie folgt: "Es wird festgestellt, daß die Verletzungen des Klägers an der rechten Hand am Zeige- und Mittelfinger Folgen eines Arbeitsunfalles vom 6. 9. 1997 sind." Beim Zerkleinern von Brennholz für den eigenen Haushalt bestehe zwar kein Versicherungsschutz; wenn aber eine konkrete Tätigkeit jedenfalls auch dem Erwerb aus dem landwirtschaftlichen Betrieb diene, weil sie eine Vorbereitung für die Veräußerung von Produkten darstelle, sei "von einem unmittelbaren Schutz aus der betrieblichen Tätigkeit auszugehen."

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache (§ 503 Z 4 ZPO) mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer vollen Abweisung des Klagebegehrens.

Der Kläger erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Da sich der Unfall vor dem Inkrafttreten der das bäuerliche Unfallversicherungsrecht neu regelnden 22. BSVG-Novelle BGBl I 1998/140 (1. 1. 1999) ereignete, hat die rechtliche Beurteilung gemäß § 266 Abs 2 BSVB nach der bisherigen Rechtslage (§ 148 BSVG aF; §§ 175, 176 ASVG) zu erfolgen. Wie der Oberste Gerichtshof schon in seiner Entscheidung SSV-NF 1/29 dargelegt hat, sind in einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb alle Arbeiten, die der Urproduktion zuzuzählen sind, unfallversicherungsgeschützt und zwar unabhängig davon, ob die Produktion für den eigenen Bedarf oder für die Vermarktung erfolgt. Gegenstand dieses Verfahrens war eine Verletzung eines Versicherten, die sich beim Entasten von Bäumen nach der Schlägerung in einem zum Betrieb gehörigen Wald ereignete; ein Teil des geschlägerten Holzes war für die Vermarktung bestimmt. Die Forstwirtschaft bildete in diesem Fall einen Erwerbszweig der Nebenerwerbslandwirtschaft. Wie der Oberste Gerichtshof in weiteren Entscheidungen dargelegt hat (SSV-NF 3/146; 10 ObS 89/89 - nicht veröffentlicht; SSV-NF 6/146) ist die Grenze dort zu ziehen, wo die Gewinnung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugnisse abgeschlossen und das Produkt in eine handelsübliche Form gebracht worden ist. Daraus kann aber noch nicht der Schluß gezogen werden, daß jede im Handel erhältliche Form ursprünglich landwirtschaftlicher Produkte deshalb noch unter den Begriff Urproduktion fällt, unabhängig davon, ob sie für den Eigenbedarf erfolgt oder nicht. Im forstwirtschaftlichen Betrieb umfaßt die Urproduktion Holzschlägerungsarbeiten und das weitere Aufarbeiten des Holzes bis zu einem Stand, in dem es im Handel üblicherweise vom Urproduzenten angeboten wird. Üblicherweise erfolgt der Verkauf in größeren Stücken und nicht in ofenfertig zerkleinerter Form. In diese wird es in der Regel erst in der Folge durch besondere Gewerbetreibende (insbesondere Sägewerke, allenfalls Brennstoffhändler) gebracht. Das Zerkleinern von Brennholz zu ofenfertigen Scheiten steht daher nur dann unter Versicherungsschutz, wenn es zum Verkauf bestimmt ist, nicht aber, wenn es für den Eigenbedarf im Haushalt zu privatwirtschaftlichen Zwecken erfolgt. Der Versicherungsschutz beginnt nämlich erst dort, wo der abgrenzbare, rein persönliche Bereich aufhört und ein auch wesentlich betrieblichen Zwecken dienender Bereich anzunehmen ist (SSV-NF 3/146 und 10/72 mwN). Daher sind auch Arbeiten bei der Urproduktion, die von einem Land- oder Forstwirt verrichtet werden, nur dann vom Unfallversicherungsschutz umfaßt, wenn sie den Gegenstand des land- oder fortwirtschaftlichen Betriebes bilden, also in dem Bereich verrichtet werden, der dem Betrieb als Erwerbszweig zuzurechnen ist (SSV-NF 10/72; vgl auch SSV-NF 10/136 - Einnahmenerzielung durch Verkauf des Obstes aus einem landwirtschaftlichen Hausgarten).

Daß der Haushalt des Klägers nicht wesentlich der nur geringfügigen Land- und Forstwirtschaft dient (§ 175 Abs 3 Z 1 ASVG), ist im vorliegenden Fall unbestritten. Zu prüfen ist, ob sich der Unfall im Rahmen der die Versicherung begründenden Beschäftigung (§ 175 Abs 1 ASVG) ereignete. Anders als im Fall der E SSV-NF 10/72 (die dort betroffene, aus Wiese, Ackerland und Wald bestehende Landwirtschaft hatte eine Größe von nur 0,99 ha) verfügt der Kläger über eine nicht unerhebliche Waldfläche von 13,6 ha und damit auch über eine größere Menge an Holz. Nach den Feststellungen der Tatsacheninstanzen, an die das Revisionsgericht gebunden ist, erlitt der Kläger den Unfall beim Zurechtsägen von Brennholz, das zum weit überwiegenden Teil (22 fm) für den eigenen Haushalt und nur zu einem geringen Teil (3 fm) für den Verkauf bestimmt war. Ob der Kläger in der Vergangenheit "regelmäßig" Holzverkäufe vornahm, ist entgegen der Ansicht der Revisionswerberin nicht entscheidend, sondern dieser Umstand stellte nur ein Argument der Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen dar, die aber vom Obersten Gerichtshof nicht überprüft werden kann. Ob es tatsächlich "notorisch" ist, daß ganz allgemein bei einer Waldfläche von 13 bis 14 ha die Verwendung des Holzes über den Eigenverbrauch hinausgehe, wie das Berufungsgericht meinte, kann dahingestellt bleiben, weil es auf die konkreten Feststellungen im jeweiligen Einzelfall ankommt, wonach eben im Herbst 1997 nur ein geringer Teil des Brennholzes zum Verkauf bestimmt war und auch verkauft wurde.

Dieser Umstand ist rechtlich wie folgt zu würdigen:

Das zum Unfall des Klägers führende ofenfertige Zerkleinern von Brennholz im September 1997 war eine sogenannte gemischte Tätigkeit, d. h. sie diente zum Teil privaten (Eigenbedarf an Brennholz), zum Teil betrieblichen Zwecken bzw Interessen (Verkauf von Brennholz). Bei gemischten Tätigkeiten besteht nach einhelliger Auffassung nur dann Unfallversicherungsschutz, wenn sie im Einzelfall dazu bestimmt sind, auch den betrieblichen Interessen wesentlich zu dienen, d. h. wenn sie gegenüber den privaten Interessen nicht erheblich in den Hintergrund treten (vgl SSV-NF 3/150, 4/32, 4/164, 5/10, 5/106, 6/21, 6/24, 6/50, 7/79, 9/105, 10/102 ua; Tomandl, SV-System 8. ErgLfg 314 bei FN 35; Brackmann/Krasney, Handbuch der SV 3, 92. Lfg Rz 48 zu § 8 SGB VII). Selbst wenn der Kläger regelmäßig Brennholz verkaufte und auch das im September 1997 zerkleinerte Brennholz teilweise verkaufen wollte und dann verkaufte, ergibt sich nach dem Umfang dieses Verkaufes, daß die dabei verfolgten betrieblichen Interessen gegenüber den privaten Interessen erheblich in den Hintergrund traten. Der Verkauf einer Teilmenge von 3 fm an den Sohn aus einer Gesamtmenge von 25 fm (um einen zwar nicht festgestellten, aber offenkundig nur wenige 100 S betragenden Kaufpreis) diente zumindest dann nicht wesentlich den betrieblichen Interessen, wenn die restlichen 22 fm für den Eigenbedarf an Brennholz verwendet wurden. Anders als im Fall der Entscheidung SSV-NF 10/136, 11/155 (Verkauf der gesamten im Hausgarten gepflückten Kirschen) ereignete sich der Unfall des Klägers nicht im Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung.

In Stattgebung der Revision waren die Urteil der Vorinstanzen im Sinne einer gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens abzuändern.

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