OGH 7Nd504/99

OGH7Nd504/9923.3.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich und Dr. Tittel als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Jasmine Elisabeth S*****, infolge negativen Kompetenzkonfliktes nach § 111 Abs 2 JN den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Zuständigkeitsübertragung der Pflegschaftssache vom Bezirksgericht Wels an das Bezirksgericht Aspang wird nicht genehmigt.

Text

Begründung

Das Bezirksgericht Wels übertrug seine Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache mit Beschluß vom 18.1.1999 dem Bezirksgericht Aspang mit der Begründung , daß sich die Minderjährige voraussichtlich bis Dezember 1999 einer Langzeittherapie im Rahmen des "Grünen Kreises" in Mönichkirchen unterziehen werde (ON 78).

Das Bezirksgericht Aspang lehnte die Übernahme der Pflegschaftssache mit der Begründung ab, daß ein Antrag des Onkels der Minderjährigen auf Zuteilung der Obsorge unerledigt geblieben sei (ON 76) und der Akt derzeit nicht übernommen werde.

Rechtliche Beurteilung

Die Übertragung der Pflegschaftssache war gemäß § 111 Abs 2 JN aus folgenden Gründen nicht zu genehmigen:

Bei Beurteilung der Zweckmäßigkeit einer Übertragung der Zuständigkeit nach § 111 JN steht im Vordergrund die Frage, ob im Interesse des Minderjährigen und zur Beförderung der wirksamen Handhabung des pflegschaftsbehördlichen Schutzes eine Übertragung erforderlich erscheint. Ein (örtliches) Naheverhältnis zwischen dem Pflegschaftsgericht und dem Minderjährigen ist in der Regel zweckmäßig und von wesentlicher Bedeutung (vgl Mayr in Rechberger JN § 111 Rz 1 mwN). Verlegt der Minderjährige den Mittelpunkt seiner Lebensführung und seiner wirtschaftlichen Existenz in einen anderen Gerichtssprengel, so kann das Gericht die Zuständigkeit an jenes Gericht übertragen, in dessen Sprengel der neue Lebensmittelpunkt liegt, wo der Betreffende also seinen gewöhnlichen (ständigen) Aufenthalt hat. Grundsätzlich sprechen offene Anträge im allgemeinen nicht gegen eine Zuständigkeitsübertragung, es sei denn, dem übertragenden Gericht käme zur Entscheidung eine besondere Sachkenntnis zu (RIS Justiz RS0047032; 5 Nd 514/98). Sind allerdings aller Voraussicht nach pflegschaftsbehördliche Maßnahmen, die einen speziellen Bezug zum Aufenthaltsort der Minderjährigen haben, nicht erforderlich, so besteht dann - wenn noch eine Entscheidung über einen Antrag aussteht, der stärkere Beziehungen zum bisher mit der Sache befaßten Gericht aufweist (in diesem Falle Obsorgeübertragungsantrag des Onkels der Minderjährigen) - kein Anlaß zur Übertragung dieser Pflegschaftssache an das Bezirksgericht, in dessen Sprengel sich die Minderjährige aufhält (8 Nd 512/89). Im vorliegenden Fall hat das übertragende Gericht zwar noch keine Erhebungen über den Obsorgeantrag des Onkels gepflogen, doch liegen Erhebungsergebnisse der Diplomsozialarbeiterin des Magistrates der Stadt Wels, die die Minderjährige über einen längeren Zeitraum betreute und offensichtlich auch eine Bezugsperson darstellt, vor (ON 75). Besondere Maßnahmen, die einen speziellen Bezug zum derzeitigen Aufenthaltsort der Minderjährigen haben, sind derzeit nicht erkennbar. Bei diesem Sachverhalt kann dahingestellt bleiben, ob der (vorübergehende) Aufenthalt der Minderjährigen im Sprengel des Bezirksgerichtes Aspang bereits dahingehend beurteilt werden kann, daß sie ihren Lebensschwerpunkt in den Sprengel des Gerichtes, an das übertragen werden soll, verlegt hat, weil jedenfalls Zweckmäßigkeitserwägungen dafür sprechen, daß die Pflegschaftssache vom übertragenden Gericht weitergeführt wird.

Die Übertragung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Aspang war daher nicht zu genehmigen.

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