OGH 1Ob40/99k

OGH1Ob40/99k23.3.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj. Michael J*****G*****, vertreten durch den besonderen Sachwalter Dr. Roland Piccolruaz, Rechtsanwalt in Bludenz, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17-19, wegen Feststellung (Streitwert S 110.000,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 26. November 1998, GZ 2 R 260/98x-48, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 22. Juli 1998, GZ 7 Cg 215/97f-43, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit S 6.760,-- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der nunmehr achtzehnjährige Kläger ererbte beträchtliches Vermögen, unter anderem 168 Kommanditanteile an einer Brauerei. Deren Hauptkommanditistin war 1993 in Liquiditätsschwierigkeiten geraten und beabsichtigte den Verkauf ihrer Anteile (51,5179 % des Gesellschaftskapitals). Der Kläger war auch Kommanditist der Hauptkommanditistin der Brauerei und hielt eine Beteiligung von 1,2294 % am Gesellschaftskapital der Hauptkommanditistin.

Am Erwerb deren Anteile an der Brauerei war eine Gesellschaft mbH interessiert, doch regte sich bei einem Teil der Gesellschafter der Brauerei dagegen Widerstand. Deshalb wurde der Plan ausgearbeitet, die Beteiligung der Hauptkommanditistin an der Brauerei aus Gesellschaftsmitteln durch die Aufnahme von Fremdkapital und eine teilweise Börsenkapitalisierung abzuschichten. Dieser Plan wurde mehrheitlich angenommen.

Um die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Klägers sachgerecht vertreten zu können, bestellte das Pflegschaftsgericht einen besonderen Sachwalter, insbesondere zur Verwaltung der Kommanditanteile des Klägers. Es stellte sich dabei die Frage, ob die Kommanditanteile des Klägers abgeschichtet werden sollten oder ob deren Umwandlung in vinkulierte Namensaktien stattfinden sollte, zumal eine gesellschaftsrechtliche Umstrukturierung der Brauerei geplant war und schließlich auch durchgeführt wurde. Jeder Gesellschafter der Brauerei hatte bis zum 20. 7. 1993 rechtsverbindlich zu erklären, ob er seine Kommanditanteile zum Preis von S 53.571,-- ganz oder teilweise an einen anderen Interessenten verkaufen wolle bzw ob und wieviel zusätzliche Anteile er von anderen verkaufswilligen Mitgesellschaftern zu erwerben trachte.

Bei einer Besprechung am 13. 7. 1993 vertraten der Sachwalter und die Mutter des Klägers ebenso wie der Pflegschaftsrichter die Ansicht, der Erwerb von Anteilen an der Brauerei wäre für den Kläger vorteilhaft. Der Sachwalter sollte mit Genehmigung des Pflegschaftsgerichts weitere 16 Kommanditanteile zum Preis von jeweils S 53.571,-- kaufen; die dazu nötigen Mittel waren auf den mit 7 % verzinsten Konten des Klägers vorhanden.

Die gesellschaftsrechtliche Umstrukturierung der Brauerei wurde in der Folge durchgeführt. Die Abschichtung der diese anstrebenden Kommanditisten erfolgte rückwirkend zum 1. 1. 1993 um den Abschichtungspreis von S 53.571,-- je Kommanditanteil; die Gründung einer Aktiengesellschaft wurde am 20. 8. 1993 mit einem Stammkapital von 6 Mio S vollzogen, und die Gesellschafter der Brauerei brachten mit Sacheinlagevertrag vom 27. 10. 1993 ihre Anteile in die Aktiengesellschaft ein. Je Anteil im Nominale von S 800,-- wurden 117,6827 vinkulierte Namensaktien im Nominale von S 100,-- ausgegeben. Insgesamt wurden von 10.080 Kommanditanteilen 6.668 (davon 5.193 der Hauptkommanditistin) abgeschichtet, 3.412 Anteile wurden in die Aktiengesellschaft eingebracht. In der außerordentlichen Hauptversammlung der Aktiengesellschaft am 27. 10. 1993 wurde die Kapitalerhöhung zur Ausgabe vinkulierter Namensaktien an die einbringenden Kommanditisten beschlossen, wobei das Grundkapital auf S 46,153.400,-- erhöht wurde. Diese Erhöhung entspricht der Ausgabe von 117,6827 Aktien pro Kommanditanteil. Insgesamt wurden 401.534 Aktien ausgegeben. Eine weitere in dieser Hauptversammlung beschlossene Kapitalerhöhung auf S 49,436.700,-- diente dazu, die Beteiligung jener Personen - darunter der Kläger -, die Anteile von abschichtungswilligen Gesellschaftern übernommen hatten, zu ermöglichen. Diese erhielten insgesamt 32.833 vinkulierte Namensaktien im Nominale von S 100,-- zum Ausgabekurs von 455,2156 %. Letztlich wurde in dieser Hauptversammlung eine Kapitalerhöhung um weitere 40 Mio S zur Ausgabe von 400.000 Stück Inhaberaktien beschlossen. Diese wurden zu einem Ausgabepreis von mindestens S 400,-- je Aktie an ein Bankenkonsortium übertragen, das Bezugsrecht der Altaktionäre wurde ausgeschlossen.

Nach diesen gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen war der Kläger Eigentümer von 19.771 Aktien aus der Einbringung von 168 Kommanditanteilen an der Brauerei und Eigentümer von 1.883 Aktien aus der Übernahme weiterer 16 Kommanditanteile abgeschichteter Gesellschafter. Die 400.000 Stück Inhaberaktien wurden zur Zeichung vom 9. 11. bis 19. 11. 1993 aufgelegt. Als Ausgabepreis war ein Betrag von S 520,-- je Aktie im Nominale von S 100,-- bestimmt worden. Es herrschte rege Nachfrage: Die Zeichnung wurde vorzeitig geschlossen; das Angebot war bereits am ersten Tag überzeichnet. 1993 konnten - mit Ausnahme von Japan - die Weltbörsen durchwegs deutliche Kursgewinne realisieren. Die Prognosen für die Entwicklung an den Börsen im Jahr 1994 waren überwiegend positiv. Die Brauereibranche zählte 1993 mit einem Wachstum von 67,29 % zu den stärksten Wachstumsbranchen. Ein höheres Wachstum war lediglich in der Energiewirtschaft zu erzielen.

Wäre ein Abschichtung der 168 Kommanditanteile des Klägers erfolgt, so wäre ihm damit ein Abschichtungserlös von S 7,283.605 zur weiteren Veranlagung zur Verfügung gestanden. Die durch den Umtausch der Kommanditanteile erworbenen 19.771 Aktien hatten im November 1993 einen Wert von etwa S 10,280.920,--. Die Aktien waren allerdings vinkuliert, was zu einem der Höhe nach nicht feststellbaren Abschlag führt. Im Zuge der Gründung der Aktiengesellschaft erwarb der Kläger 500 (weitere) Aktien, was zu einem Nettovermögenszuwachs von S 210.000,-- führte. Der Umtausch der vom Kläger erworbenen 16 Kommanditanteile führte zum Erwerb von 183 Aktien a S 520,--, was einen Nettovermögenszuwachs von S 122.024,-- bedeutete. Die Nettodividendenerträge aus diesem Aktienpaket betrugen in den Jahren 1994 bis 1996 S 52.253,--. Hätte der Kläger die Kaufsumme von S 857.136,-- mündelsicher angelegt, hätte sich daraus ein Vermögen von S 1,055.538,-- ergeben. Die weiteren vom Kläger erworbenen 20.271 Aktien erbrachten 1994 bis 1996 Nettodividendenerträge von S 556.145,--.

Wäre dem Kläger das Abschichtungsrealisat von S 7,283.605,-- netto zugeflossen, so hätte er bei mündelsicherer Wiederveranlagung unter Heranziehung der Sekundärmarktrendite für Bundesanleihen zum 31. 12. 1997 Vermögenswerte von S 8,970.000,-- zur Verfügung gehabt. Wäre die Anlegung des Erlöses in einem "konservativen" Fonds erfolgt, so hätte nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge eine Wertsteigerung von etwa 10 % erzielt werden können.

Im November 1993 erhielt der Kläger durch den Umtausch der Kommanditanteile insgesamt S 10,490.290,-- an Vermögenswerten.

Vor Bewilligung der geschilderten Transaktionen holte der Pflegschaftsrichter kein Sachverständigengutachten ein.

Das Aktienpaket des Klägers stellt nur etwa 50 % von dessen Vermögen dar. Sein Unterhalt kann auch ohne Verkauf dieser Aktien bestritten werden.

1998 verfügte der Kläger mit pflegschaftsbehördlicher Genehmigung über die Aktien und bot sie einer Gesellschaft mbH bis 31. 12. 2003 zum Kauf an. Bereits 1995 und 1996 hatte der Sachwalter des Klägers versucht, die Aktien zu verkaufen, die erforderliche Zustimmung des Vorstands und Aufsichtsrats für den Verkauf vinkulierter Namensaktien aber nur für den Verkauf an andere Inhaber von Namensaktien erhalten; letztere waren am Kauf des Aktienpakets des Klägers aber nicht interessiert.

Der Kläger begehrte die auf den Rechtsgrund der Amtshaftung gestützte Feststellung, die beklagte Partei sei schuldig, ihm alle jene Schäden zu ersetzen, die ihm in Zukunft dadurch entstehen werden, daß das Pflegschaftsgericht für den Kläger 1993 anstelle der Abschichtung von 168 Kommanditanteilen an der Brauerei und gesetzmäßiger Veranlagung des Erlöses sowie anstelle gesetzeskonformer Veranlagung von gekündigten und zurückbezahlten Darlehen in der Höhe von S 857.130,-- den Erwerb von vinkulierten Namensaktien der Aktiengesellschaft genehmigte; hilfsweise begehrte er die Zahlung von 1 Mio S samt 4 % Zinsen seit 18. 6. 1998. Er brachte vor, das Pflegschaftsgericht habe die zwingende Bestimmung des § 230e ABGB nicht beachtet und vor dem Aktienerwerb keinen Börsensachverständigen gehört. Es habe auch Erhebungen darüber, ob und inwieweit das Engagement an der Aktiengesellschaft den Grundsätzen einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung entspreche, unterlassen. Die vom Pflegschaftsgericht genehmigte Vorgangsweise sei für den Kläger nachteilig gewesen. Seine vinkulierten Namensaktien seien nur erschwert und mit Verlusten verkaufbar. Die wirtschaftliche Prognose für die Aktiengesellschaft sei - wie für die gesamte Brauereibranche - negativ, der Emmissionskurs für frei handelbare Aktien sei auf unter S 365,-- gefallen. Wären die Kommanditanteile des Klägers abgeschichtet und der Erlös festverzinslich veranlagt worden, hätte er ein um zumindest 1 Mio S höheres Vermögen. Infolge der 10jährigen Behaltefrist sei ein Verkauf der Aktien derzeit nicht zweckmäßig. Der genaue Schaden stehe erst 2003 fest, es bestehe aber schon jetzt ein rechtliches Interesse des Klägers an der Feststellung der Haftung der beklagten Partei.

Die beklagte Partei wendete ein, trotz der Unterlassung der Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Gebiet des Börsen- oder Bankwesens sei die Vorgangsweise des Pflegschaftsgerichts aus damaliger Sicht nicht für den Kläger nachteilig gewesen; ein Umtausch der Kommanditanteilen in Aktien haben keinen wirtschaftlichen Nachteil befürchten lassen. Die Anhörung eines Sachverständigen sei aber schon deshalb entbehrlich gewesen, weil der Umtausch von Kommanditanteile in Aktien keine Anlegung von Mündelgeld in Form des Erwerbs von Wertpapieren im Sinne des § 230e Abs 1 ABGB darstelle. Die pflegschaftsgerichtlich genehmigte Vorgangsweise habe den Grundsätzen einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung entsprochen. Die bloß theoretische Möglichkeit, daß dem Kläger nach Ablauf der Behaltefrist der Aktien tatsächlich ein Schaden erwachsen könnte, rechtfertige keine Feststellungsklage.

Das Erstgericht wies das Haupt- und auch das Eventualbegehren ab.

Es stellte über den schon wiedergegebenen Sachverhalt hinaus noch folgendes fest: Hätte das Pflegschaftsgericht vor dem Umtausch der Kommanditanteile in Aktien einen Sachverständigen aus dem Gebiet des Börsen- oder Bankwesens gehört, so hätte die Mehrheit der Sachverständigen einem Umtausch zugestimmt. Damals sei zu beurteilen gewesen, ob ein Barrealisat durch Veräußerung von Anteilen in einer Höhe von 7,3 Mio S dem Erwerb von Aktien im Wert von damals 10,5 Mio S vorzuziehen gewesen wäre. Die Aktie sei auf dem Markt günstig aufgenommen und die Bewertung als attraktiv eingeschätzt worden. Die Stimmung der Börse sei während des Jahres 1993 positiv, die Aussichten für das Jahr 1994 seien überwiegend optimistisch gewesen. Besonders die Aktien der Brauereibranche seien in den Publikationen mehrerer Banken positiv bewertet worden. Aus der Sicht des Kapitalmarkts habe im Umtauschzeitpunkt 1993 nichts gegen einen Umtausch der Kommanditanteile in Aktien gesprochen. Sowohl der Erwerb der Aktien wie auch der Umtausch der Kommanditanteile in Aktien sei als wirtschaftlich sinnvoll zu beurteilen gewesen. Eine Veranlagung in Aktien sei stets mit einem gewissen Risiko behaftet, dessen Quantifizierung sehr schwer möglich sei. Dieses Risiko werde durch die Chancen auf eine höhere Gesamtrendite aufgewogen. An der wirtschaftlichen Beteiligung des Klägers durch die Umstrukturierung der Brauerei, den Umtausch der Kommanditanteile in Aktien und den Kauf von Aktien habe sich nichts geändert.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, das Pflegschaftsgericht habe der ihm obliegenden Fürsorgepflicht entsprochen. Die in § 230e ABGB festgelegte Verpflichtung zur Anhörung eines Sachverständigen entspreche einem Schutzgesetz, entbinde das Pflegschaftsgericht aber nicht von seiner Verpflichtung, selbst zu beurteilen, ob der Aktienerwerb nach den Verhältnissen des Einzelfalls den Grundsätzen einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung entspreche. Letzteres sei der Fall gewesen. Wäre ein Sachverständiger beigezogen worden, hätte die Mehrheit der Sachverständigen dem Umtausch der Kommanditanteile in Aktien zugestimmt, und aus der Sicht des Kapitalmarkts im Entscheidungszeitpunkt habe nichts gegen den Umtausch der Kommanditanteile in Aktien gesprochen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstands S 260.000,-- übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. § 230e ABGB sei als Schutzgesetz gemäß § 1311 ABGB zugunsten des minderjährigen Anlegers aufzufassen. Die Beseitigung der beim Erwerb von Aktien bestehenden Risken sei aber auch bei Einhaltung dieses Schutzgesetzes keinesfalls zu erwarten, weil die wirtschaftliche Entwicklung von Aktien letztlich unvorhersehbar sei. Das Pflegschaftsgericht habe die Anlegung von Mündelgeld in Form des Erwerbs von Aktien zu genehmigen, wenn dies nach den Verhältnissen des Einzelfalls den Grundsätzen einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung entspreche. Der gemäß § 230e ABGB beizuziehende Sachverständige für das Börsen- oder Bankwesen habe nur die seinem Fachgebiet entsprechenden Aspekte zu beleuchten, die Gesamtbeurteilung des Vorliegens einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung bleibe dem pflichtgemäßen Ermessen des Pflegschaftsgerichts überlassen. Die Nichtbeiziehung eines Sachverständigen könnte dann Amtshaftung begründen, wenn dadurch die Gesamtbeurteilung durch das Gericht beeinflußt worden wäre. Dem belangten Rechtsträger sei es aber möglich, das "rechtmäßige Alternativverhalten" einzuwenden. Zweifellos wäre das Pflegschaftsgericht verpflichtet gewesen, vor Genehmigung des Aktienerwerbs einen Sachverständigen aus dem Börsen- oder Bankwesen beizuziehen. Maßgeblich sei, ob und mit welcher Begründung ein solcher Sachverständiger aus damaliger Sicht den konkreten Erwerb der vinkulierten Namensaktien befürwortet oder in Frage gestellt hätte. Der vom Erstgericht beigezogene Sachverständige habe keinen Zweifel daran gelassen, daß er aus der damaligen Sicht den Umtausch der Kommanditanteile in Aktien als wirtschaftlich sinnvoll beurteilt hätte. Aus objektiver Sicht habe zum Entscheidungszeitpunkt im Jahr 1993 nichts gegen einen Umtausch der Kommanditanteile in Aktien gesprochen. Das sei "aber jene Sicht", die ein im Pflegschaftsverfahren beizuziehender Sachverständiger "zu beurteilen gehabt hätte"; eine eingehende Betrachtung und Bewertung der Erfolgsaussichten des konkreten Unternehmens hätte den Aufgabenkreis des Sachverständigen überschritten, eine eingehende Unternehmensanalyse darüber hinaus den zeitlichen Rahmen gesprengt, der dem Erstgericht zur Verfügung gestanden sei. Spekulative Überlegungen, mit wem ein Sachverständiger bei Gutachtenserstattung allenfalls Kontakt aufgenommen hätte, seien nicht anzustellen. Das Börsenklima sei zum Entscheidungszeitpunkt positiv gewesen, beträchtliche Steigerungsraten seien zu verzeichnen gewesen, die konkret gehandelten Aktien hätten eine positive Bewertung erfahren und seien "ausgezeichnet verkauft" worden; das stelle ein "starkes Indiz für die Richtigkeit der Entscheidung des Pflegschaftsrichters aus damaliger Sicht" dar, zumal der durch den EU-Beitritt Österreichs zu bedenkende stärkere Konkurrenzdruck für regionale Brauereien zu den normalen Risken zähle, denen ein Unternehmen stets ausgesetzt sei. Der Umtausch der Kommanditanteile in Aktien habe gegenüber der Alternative einer Abschichtung und Wiederanlage des dabei erlösten Kapitals einen ganz erheblichen Vermögenszuwachs in Millionenhöhe erwarten lassen. Das Pflegschaftsgericht hätte dem Umtausch der Kommanditanteile in Aktien auch dann zugestimmt, wenn - § 230e Abs 1 ABGB entsprechend - ein Sachverständiger für das Börsen- oder Bankwesen gehört worden wäre. Auch bei rechtmäßigem Alternativverhalten hätte sich somit die Vermögenslage des Klägers auf dieselbe Weise gestaltet.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Den Vorinstanzen ist darin beizupflichten, daß § 230e ABGB beim Erwerb von Aktien durch das Mündel ein Schutzgesetz zu dessen Gunsten ist; diese Gesetzesbestimmung findet auch im vorliegenden Fall Anwendung, zumal die Wendung "Anlegung von Mündelgeld" nicht so eng gesehen werden darf, daß die Bestimmung also nur dann anzuwenden sei, wenn über eine bereits vorhandene Barschaft zu befinden ist. Der Kläger hatte die Wahl, seine Kommanditanteile entweder abschichten zu lassen oder Aktien der neugegründeten Aktiengesellschaft zu erwerben. Hätte er die erstere Variante gewählt, wäre ihm letztlich Bargeld zur Verfügung gestanden, das angelegt hätte werden können. Der Umstand, daß eine Umwandlung der Kommanditanteile in Aktien erfolgte, ist unter diesen Umständen der "Anlegung von Mündelgeld" gleichzuhalten.

Unmißverständlich und eindeutig ist die Anordnung des § 230e ABGB insofern, als vor der Genehmigung des Erwerbs von Wertpapieren jedenfalls ein Sachverständiger für das Börsen- oder Bankwesen anzuhören ist. Unstrittigerweise hat das Pflegschaftsgericht dieser Vorschrift nicht entsprochen. Eine Haftung des Bundes für diese Vorgangsweise des Pflegschaftsgerichts käme gemäß § 1 Abs 1 AHG dann in Betracht, wenn dem Kläger durch diese Unterlassung schuldhaft ein Schaden zugefügt worden wäre. Der Rechtsträger kann sich von seiner Haftung befreien, wenn er das mangelnde Verschulden seiner Organe nachweist oder die Kausalität der Pflichtwidrigkeit ernstlich zweifelhaft macht. Da der Kläger dem beklagten Rechtsträger vorwirft, dessen Organ - der Pflegschaftsrichter - habe es unterlassen, vor seiner Entscheidung - so wie vom Gesetz geboten - einen Sachverständigen zu hören, bedarf es entgegen den Erörterungen des Gerichtes zweiter Instanz keines Rückgriffs auf das "rechtmäßige Alternativverhalten", um die beklagte Partei von deren Haftung für das rechtswidrige Organverhalten loszuzählen: Diese Haftung für die Folgen einer rechtswidrigen Unterlassung ist nämlich bereits wegen fehlender Kausalität zu verneinen, wenn der Nachteil, auf dessen Ersatz jemand in Anspruch genommen wird, auch bei dessen pflichtgemäßem positiven Tun eingetreten wäre. Die Unterlassung ist nur dann ursächlich, wenn die Vornahme einer bestimmten aktiven Handlung den Eintritt des schädlichen Erfolges verhindert hätte und diese Handlung möglich gewesen wäre (SZ 62/73 uva; Koziol, Haftpflichtrecht I3 Rz 8/63 und FN 239 f). Letzteres ist - wie die nachstehenden Erwägungen belegen werden - zu verneinen:

Auch die Anlegung von Mündelgeld im Sinne des § 230e ABGB soll in erster Linie sicher, daneben aber möglichst ertragreich sein (RV, 73 Blg NR 14. GP 7 und 9; Pichler in Rummel, ABGB2 Rz 2 zu §§ 230 bis 230e ABGB). Das in § 230 Abs 1 ABGB verankerte Handlungsgebot, Geld eines Minderjährigen "möglichst fruchtbringend" anzulegen, bewirkt die Gleichrangigkeit der in den §§ 230a bis 230e ABGB näher behandelten Anlegungsarten. Das Pflegschaftsgericht ist somit dann verpflichtet, die Anlegung des Mündelgelds auf eine andere als der in den §§ 230a bis 230d ABGB umschriebenen Weise zu genehmigen, wenn dies den Grundsätzen einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung entspricht. Ob diese Voraussetzungen zutreffen, ist an Hand der Umstände des Einzelfalls zu prüfen. Maßgebend wird dabei sein, ob auch ein Fachmann auf dem Gebiet der Vermögensverwaltung sein Geld auf die vom gesetzlichen Vertreter vorgeschlagene Weise anlegen würde (RV aaO 13 f; Frotz, Neuordnung des Rechts der Mündelsicherheit, in JBl 1978, 29 ff). Maßstab bei der Anlegung gemäß § 230e ABGB ist stets der Grundsatz der wirtschaftlichen Vermögensverwaltung im Einzelfall (Pichler aaO Rz 9 zu §§ 230 bis 230e; vgl ÖA 1991, 54).

Im vorliegenden Fall legte der in erster Instanz beigezogene Sachverständige dar, aus der Sicht der im Jahre 1993 mit Kapitalanlagen befaßten Personen sei der Umtausch der Kommanditanteile in Aktien wirtschaftlich sinnvoll gewesen und habe den Grundsätzen einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung entsprochen. Eine "Mehrheit von Sachverständigen" des Börsen- und Bankwesens hätte dem Umtausch zugestimmt. Damit brachte dieser Sachverständige klar zum Ausdruck, wäre auch dem Pflegschaftsverfahren ein Sachverständiger beigezogen worden, so hätte dieser ein den Umtausch der Kommanditanteile in Aktien befürwortendes Gutachten erstattet, werde unterstellt, daß der Sachverständige ein - an der damals erforderlichen ex-ante-Betrachtung gemessen - richtiges Gutachten erstattet hätte, was gewiß mit überwiegender Wahrscheinlichkeit angenommen werden muß. Wäre aber ein solches (ex ante gesehen) richtiges Gutachten im Pflegschaftsverfahren abgegeben worden, so wäre das Pflegschaftsgericht auch unter Bedachtnahme auf ein solches Gutachten zu dem - aus damaliger Sicht richtigen - Ergebnis gelangt, daß der Umtausch der Kommanditanteile in Aktien den Grundsätzen einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung entspreche. Angesichts dieser Umstände, erweist sich das Argument des Revisionswerbers, ein Sachverständiger, der dem Pflegschaftsverfahren beigezogen worden wäre, hätte ein Gutachten dahin erstattet, daß der Erwerb von Aktien der umgegründeten Gesellschaft - entgegen der aus damaliger Sicht gebotenen Prognose - dem Minderjährigen abträglich sein werde, als nicht stichhältig, auch wenn sich diese Prognose entgegen allen Erwartungen in der Folge als zutreffend herausgestellt haben sollte; an dieses Argument darf somit die Bejahung der Haftung des beklagten Rechtsträgers nicht geknüpft werden. Soweit der Kläger behauptet, ein dem Pflegschaftsverfahren beigezogener Sachverständiger hätte umfassende Unternehmensanalysen angefertigt, entfernt er sich nicht bloß von den vorinstanzlichen Feststellungen, sondern ist ihm auch entgegenzuhalten, daß solche zur Vertiefung der Grundlagen angestellte Untersuchungen angesichts der vom Pflegschaftsgericht rasch zu treffenden Entscheidung kaun möglich gewesen wären. Was ein solcher Sachverständiger im übrigen alles hätte erheben können, ist reine Spekulation, auf die eine gerichtliche Entscheidung nicht gegründet werden darf. Soweit die Vorinstanzen daher der Auffassung des vom Erstgericht beigezogenen Sachverständigen dahin folgten, daß ein ex ante gesehen richtiges Gutachten den Umtausch der Kommanditanteile in Aktien und den weiteren Aktienankauf befürwortet hätte, ist dies nicht zu beanstanden.

Im Ergebnis ist das Pflegschaftsgericht somit seiner umfassenden Fürsorgepflicht für den minderjährigen Kläger (vgl RZ 1995/61) gerecht geworden und - trotz Unterlassung der gemäß § 230e ABGB gebotenen Anhörung eines Sachverständigen - zu dem aus der Sicht ex ante zutreffenden Schluß gelangt, daß die Anlegung des Mündelvermögens den Grundsätzen einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung entsprach, auch wenn sich die Prognose danach - wider alle Erwartung - nicht als zutreffend herausgestellt haben sollte.

Der Revision des Klägers ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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