OGH 15Os1/99-13 (15Os3/99)

OGH15Os1/99-13 (15Os3/99)11.3.1999

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. März 1999 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder, Dr. Schmucker, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Matz als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Goran G***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Goran G***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 29. September 1998, GZ 7 c Vr 7768/98-113, sowie über dessen (implizierte) Beschwerde gegen den unter einem gefaßten Widerrufsbeschluß gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Kirchbacher, des Angeklagten Goran G***** und des Verteidigers Dr. Unger zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben und die Freiheitsstrafe unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 15. Oktober 1998, AZ 20 u Vr 11352/97 (im Strafausspruch abgeändert mit Urteil des Oberlandesgerichtes vom 2. Februar 1999, AZ 20 Bs 4/99) auf zwölf Monate herabgesetzt.

Der (implizierten) Beschwerde wird keine Folge gegeben.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde (der am 19. Juli 1978 geborene) Goran G***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 16. September 1997 in Wien in bewußtem und gewolltem Zusammenwirken mit dem gesondert verfolgten Jugendlichen Esad M***** als Mittäter Peter H***** mit Gewalt gegen dessen Person, indem ihn Goran G***** gegen einen Hausvorsprung drückte, während Esad M***** seine Taschen durchsuchte und ihm Goran G***** sodann mehrere Faustschläge gegen das Gesicht und einen Fußtritt gegen den Bauch versetzte, 1.600 S Bargeld und einen Walkman Marke Philips mit unrechtmäßigem Bereicherungsvorsatz weggenommen hat.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 5a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

Rechtliche Beurteilung

Dem Vorbringen in der Tatsachenrüge (Z 5a) zuwider sind die Hinweise auf Urteilsfeststellungen im Verfahren gegen den beim Jugendgerichtshof Wien abgesondert verfolgten Esad M***** schon aus den vom Erstgericht zutreffend angeführten Gründen nicht geeignet, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen hervorzurufen. Die Annahme eines Betrugsgeschehens beim hier als Raub beurteilten Übergang eines Bargeldbetrages von 1.600 S in jenem Verfahren (ON 86) beruhte auf einer anderen Beweisgrundlage, welche die im angefochtenen Urteil verwerteten Widersprüche zwischen den Angaben des Angeklagten und seines Komplizen M***** (US 10 f) ebensowenig berücksichtigt wie die feststellungskonformen, auch in Anbetracht einer tataktuellen Drogenbeeinträchtigung plausiblen Aussagen des Tatopfers (vgl US 11).

Spekulationen über ein allfälliges Entschlagungsrecht des - übrigens vom Untersuchungsrichter im Sinn des § 152 Abs 1 Z 1 StPO belehrten (ON 73) - Zeugen Peter H***** liegen außerhalb der Zielsetzung einer Tatsachenrüge und entziehen sich daher bei deren Behandlung einer sachbezogenen Erörterung. Im übrigen bekämpft die Beschwerde mit dem Einwand, das Erstgericht hätte der Aussage des Opfers geringeres Gewicht beimessen müssen als denjenigen der Täter, nach Art und Zielsetzung einer auch unter diesem Nichtigkeitsgrund nicht vorgesehenen Schuldberufung ausschließlich die zu seinem Nachteil ausgefallene sachgerechte und nachvollziehbare Beweiswürdigung der Tatrichter.

Entgegen der Subsumtionsrüge (Z 10) wurde die konstatierte Wegnahme eines Walkman zu Recht als Raub und nicht als Diebstahl beurteilt.

Nach den Urteilsfeststellungen beschlossen der Angeklagte und Esad M*****, den durch Drogenkonsum sehr benommen wirkenden Peter H***** auszurauben, weil sie Risiko und mögliche Gegenwehr als gering einschätzten. Beide stürzten sich auf H***** und drängten ihn in den Seiteneingang eines Geschäftes. Der Angeklagte drückte seinen rechten Unterarm gegen den Hals des Opfers, mit der linken Hand hielt er dessen rechten Arm nach oben. M***** durchsuchte die Taschen des Wehrlosen und entnahm aus der Gesäßtasche 1.600 S Bargeld. Infolge des Gerangels fiel H***** ein Walkman zu Boden. Auch diesen nahm Esad M***** mit dem Vorsatz, ihn für sich zu behalten, vom Boden auf. Dann ließen beide von H***** ab (US 8 f) und teilten später folgerichtig die gesamte Beute (US 10). Das Handeln des Angeklagten war, wie das Erstgericht konstatierte, vom Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung getragen, weil er bei der Rollenverteilung wußte, daß M***** dem Opfer alle Wertsachen wegnehmen werde (US 14).

Das raubspezifische Merkmal der Wegnahme oder (gleichwertigen) Abnötigung mit Gewalt gegen eine Person ist erfüllt, wenn die Sachherrschaft - wie hier - tatplangemäß infolge Anwendung nicht unerheblicher physischer Kraft zur Überwindung eines wirklichen oder erwarteten Widerstandes in räumlicher und zeitlicher Nähe vom Opfer auf einen Täter übergeht (Leukauf/Steininger Komm3 § 142 RN 14 f, Kienapfel BT II3 § 142 Rz 16 f, 21, 56, vgl auch § 128 Rz 19; Mayerhofer/Rieder StGB4 § 142 E 17a). Demnach ist es entgegen der Beschwerde nicht relevant, wenn auf ein Beutestück erst zugegriffen wird, nachdem es dem Opfer durch den Einsatz des Raubmittels entfallen ist. Der kritisierte Schuldspruch ist somit fehlerfrei.

Auf den in der Beschwerde gezogenen Vergleich mit der rechtlichen Beurteilung der in einem anderen Verfahren eigenständig urteilsmäßig festgestellten Sachverhaltskomponenten kann die Subsumtionsrüge prozeßordnungsgemäß nicht gestützt werden.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach § 142 Abs 1 StGB (unter Anrechnung der Vorhaft) eine Freiheitsstrafe in der Dauer von achtzehn Monaten.

Dabei wertete es als erschwerend die einschlägigen Vorstrafen, als mildernd hingegen die Tatbegehung vor Vollendung des 21. Lebensjahres.

Zugleich widerrief es gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO, § 53 Abs 1 StGB, die mit Urteil des Jugendgerichtshofes vom 15. Juli 1997, AZ 2 Vr 70/97 gewährte bedingte Strafnachsicht einer Freiheitsstrafe von acht Monaten.

Mit Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 2. Februar 1999, AZ 20 Bs 4/99, wurde der Strafausspruch des über den Angeklagten wegen eines am 26. November 1997 begangenen Raubes nach § 142 Abs 1 StGB geändert und er zu einer Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren verurteilt. Auf dieses Urteil ist gemäß §§ 31, 40 StGB Bedacht zu nehmen. Dabei erweist sich die Berufung des Angeklagten, mit der er eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe anstrebt, als zielführend, nicht jedoch der in der Äußerung gestellte Antrag auf Absehen von der Verhängung einer Zusatzstrafe.

Zu den vom Erstgericht ansonsten zutreffend angenommenen Strafbemessungsgründen kommt als erschwerend der rasche Rückfall sowie die Begehung an einem - durch die Einnahme von Suchtgift (15 Stück Rohyponol und 1 mg Mundiol - US 8) - in der Möglichkeit der Gegenwehr beeinträchtigten Tatopfers hinzu. Der Angeklagte vermag demgegenüber vom Erstgericht nicht berücksichtigte Umstände mildernder Natur nicht darzutun. Weder kann von einer vollen und reumütigen Schuldeinsicht im Sinn eines Geständnisses - der Angeklagte hat lediglich das Versetzen von Schlägen gegen das Tatopfer zugestanden - gesprochen werden, noch vermag der "vermeintlich vergleichsweise geringfügige" Wert der Raubbeute - immerhin wurden ein Bargeldbetrag von 1.600 S und ein Walkman erbeutet - einen Milderungsumstand darzustellen.

Wenn sich auch aus dem sich in wiederholten Tathandlungen dokumentierenden Aggressionspotential des Täters als auch der im raschen Rückfall deklarierten ablehnenden Einstellung gegen Eigentumswerte ein nicht unbeträchtliches Verschulden ergibt, so hatte unter Bedachtnahme auf die im zitierten Urteil des Oberlandesgerichtes verhängten Freiheitsstrafe eine Reduktion der Strafe auf das im Spruch genannte Maß zu erfolgen, weil die Summe der Strafen jener entspricht, die bei gemeinsamer Aburteilung zu verhängen wäre (§ 40 StGB).

Der erstgerichtliche Beschluß auf Widerruf der bedingten Strafnachsicht hinwieder steht mit dem Gesetz im Einklang, ist er doch angesichts der einschlägigen Vorbelastung zusätzlich zur nunmehrigen Strafe geboten, um den Angeklagten von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Der gemäß § 498 Abs 3 dritter Satz StPO auch als Beschwerde dagegen zu betrachtenden Berufung des Angeklagten mußte daher ein Erfolg versagt bleiben.

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