Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes (P. 2.) wiederhergestellt wird.
Die klagenden Parteien haben der Erstbeklagten die mit 10.476,18 S (darin 1.746,03 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens und die mit 12.573,-- S (darin 2.095,50 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Der Erstkläger ist Herausgeber, die Zweitklägerin Medieninhaberin der Tageszeitung "täglich Alles". Die Erstbeklagte ist Medieninhaberin der Wochenzeitschrift "News", der Zweitbeklagte ein bekannter ehemaliger Fußballer und derzeitiger Fußballtrainer in Österreich. Gegen den Zweitbeklagten und andere in der Öffentlichkeit ebenfalls bekannte Personen war ein Strafverfahren wegen eines Steuerdeliktes anhängig. Über dieses Verfahren und die Gerichtsverhandlung wurde in zahlreichen Medien breit berichtet. Der Zweitbeklagte wurde strafgerichtlich verurteilt. In der Ausgabe vom 13. 8. 1997 der Zeitschrift der Erstbeklagten wurde unter dem Titel "K***** total von den Socken" ein Interview mit dem Zweitbeklagten veröffentlicht. Dieser gab dabei auf die Frage des Journalisten der Erstbeklagten "Sie sollen beim Prozeß Journalisten beschimpft und gedroht haben, die Kameras zu zerschlagen?" die Antwort: "Das stimmt nicht. Das stand in "täglich Alles", der Trottelzeitung ...".
Die Kläger beantragen zur Sicherung ihres gleichlautenden Unterlassungsbegehrens die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, womit den Beklagten bis zur Rechtskraft des über die Unterlassungsklage ergehenden Urteils geboten werde, das Aufstellen und/oder die Verbreitung der Äußerung, "täglich Alles" sei eine Trottelzeitung, zu unterlassen. Mit der beleidigenden Äußerung werde das Unternehmen der Zweitklägerin herabgesetzt. Es werde zum Ausdruck gebracht, daß die Zeitschrift von Trotteln herausgebracht werde. Dadurch sei auch der klagende Herausgeber von der Beleidigung betroffen. Die Beleidigung des Zweitbeklagten sei nicht näher präzisiert worden, sodaß die Beleidigung einer objektiven Überprüfung nicht zugänglich sei. Der Herausgeber einer Zeitung lege die Blattlinie fest. Durch die Aussage "Trottelzeitung" werde der Erstkläger in seiner Ehre verletzt. Dies gelte aber auch für die Zweitklägerin. Die Äußerung sei auch rufschädigend. Es bestehe die Gefahr, daß die beleidigenden Äußerungen wiederholt werden.
Die Erstbeklagte beantragte die Abweisung des Sicherungsantrages. Sie habe die Aussage des Zweitbeklagten wörtlich zitiert. Der Erstbeklagten komme der Rechtfertigungsgrund nach § 6 Abs 2 Z 4 MedienG zugute. Die Weiterverbreitung möglicherweise ehrverletzender Äußerungen Dritter sei immer dann gerechtfertigt, wenn das Interesse der Öffentlichkeit an der Kenntnis der Äußerung die Interessen des Verletzten überwiege, etwa wegen der besonderen Stellung des Zitierten in der Öffentlichkeit oder wegen der aktuellen, besonderen Wichtigkeit des Themas. Der Zweitbeklagte sei nicht nur in der Sportöffentlichkeit bekannt, er zähle zu den profiliertesten Bürgern des Landes. Er sei einer der besten Fußballer Österreichs gewesen. Nunmehr sei er auch als Fußballtrainer sowie als Moderator einer Rundfunksendung einem breiten Publikum bekannt. Über das gegen ihn geführte Finanzstrafverfahren sei in allen Medien Österreichs breit berichtet worden. Wenn nun die Zweitklägerin über den Zweitbeklagten Unrichtiges berichtet habe, bestehe an der Weiterverbreitung der Reaktion des Zweitbeklagten ein öffentliches Interesse. Der Erstkläger sei als Herausgeber einer Zeitung von der Äußerung des Zweitbeklagten nicht konkret betroffen. Eine Zeitungsredaktion sei ein so großes Kollektiv, daß sich die Behauptung nicht auf eine einzelne Person beziehen lasse. Den Klägern gehe es in Wahrheit um die Schädigung des wirtschaftlichen Rufes und nicht um eine Ehrenbeleidigung. Die Kläger hätten nach § 381 Z 2 EO eine Gefahrenbescheinigung erbringen müssen. Die Äußerung des Zweitbeklagten sei überdies nicht als Beschimpfung zu qualifizieren. Dazu sei auf eine Entscheidung des EGMR zu verweisen.
Das Erstgericht erließ gegen den Zweitbeklagten die beantragte einstweilige Verfügung (diese wurde rechtskräftig) und wies den Sicherungsantrag gegen die Erstbeklagte ab. Es beurteilte den im wesentlichen schon wiedergegebenen Sachverhalt rechtlich im wesentlichen dahin, daß die Erstbeklagte nach der in ecolex 1995, 892 veröffentlichten Entscheidung 6 Ob 30/95 den Rechtfertigungsgrund des § 6 Abs 2 Z 4 MedienG für sich in Anspruch nehmen könne. An der Veröffentlichung der Äußerung des Zweitbeklagten habe wegen seines allgemeinen Bekanntheitsgrades ein öffentliches Interesse bestanden.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Kläger statt und erließ das begehrte Unterlassungsgebot auch gegen die Erstbeklagte. Es führte in rechtlicher Hinsicht im wesentlichen aus, daß der Begriff "Trottelzeitung" rufschädigend und ehrenbeleidigend sei. Über die vom Erstkläger herausgegebene Zeitung der Zweitklägerin sei ein Werturteil abgegeben worden. Eine Ehrenbeleidigung verursache auch schon derjenige, der eine fremde Beschimpfung bloß weitergebe. Es hafte auch der Medieninhaber als Verursacher. Das Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes müsse sich aus einer Interessenabwägung ergeben. Dem Medieninhaber einer periodischen Druckschrift könne in Ansehung eines aus § 1330 Abs 1 ABGB abgeleiteten Unterlassungsanspruchs der mit der Mediengesetznovelle 1992 neu geschaffene Rechtfertigungsgrund des § 6 Abs 2 Z 4 MedienG zugutekommen. Es seien aber auch die Interessen des Verletzten zu bedenken, die nach dem Willen des Gesetzgebers gegenüber dem Medieninhaber offenbar nur deshalb zurücktreten sollten, weil er sich immer noch gegen den Dritten (unmittelbaren Täter) zur Wehr setzen könne. Nach der zitierten Gesetzesstelle bestehe der (Entschädigungs-)Anspruch gegenüber dem Medieninhaber nicht, wenn es sich um eine wahrheitsgetreue Wiedergabe der Äußerung eines Dritten handle und ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit an der Kenntnis der zitierten Äußerung bestanden habe. Das Rekursgericht könne jedoch nicht erkennen, weshalb hier ein Interesse der Öffentlichkeit an der Kenntnis der zitierten Äußerung bestanden haben sollte. Der Zweitbeklagte sei zwar als österreichisches Fußballidol vergangener Jahre nach wie vor bekannt. Seine Äußerung habe aber mit seiner ehemaligen Tätigkeit als Fußballer oder mit seiner jetzigen Tätigkeit als Fußballtrainer nichts zu tun.
Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 52.000 S, nicht aber 260.000 S übersteige und daß der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig sei. Es änderte auf Antrag der Erstbeklagten seinen Ausspruch dahin ab, daß der ordentliche Revisionsrekurs zugelassen werde.
Mit ihrem ordentlichen Revisionsrekurs beantragt die Erstbeklagte die Abänderung dahin, daß der gegen sie gerichtete Sicherungsantrag abgewiesen werde.
Die Kläger beantragen, den Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.
Zunächst ist festzustellen, daß die Rechtsansicht des Rekursgerichtes über den beleidigenden Charakter der Bezeichnung "Trottelzeitung" völlig zutreffend ist. Dazu kann auf die Ausführungen des Rekursgerichtes verwiesen werden (§ 510 Abs 3 iVm § 528a ZPO). An dieser Beurteilung vermag auch der Hinweis der Rekurswerberin auf die in MR 1997, 196 veröffentlichte Entscheidung des EGMR ("Oberschlick II") nichts zu ändern. Dort wurde zwar die Bezeichnung eines Politikers als "Trottel" unter Hinweis auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit für gerechtfertigt erklärt. Der Meinungsäußerung lag aber ein (wahrer) Sachverhalt zugrunde, aufgrund dessen die der Beleidigung vorangehende Meinungsäußerung des Politikers als widersinnig und geradezu abstrus beurteilt werden konnte, sodaß der Gerichtshof meinte, einen Wertungsexzeß bei der Verwendung des Wortes "Trottel" verneinen zu können. Ein vergleichbarer Sachverhalt liegt in dem hier zu beurteilenden Fall jedoch nicht vor.
Zu Recht rügt die Erstbeklagte aber, daß sie als Medieninhaberin unter bestimmten Voraussetzungen nicht für die Äußerung des Zweitbeklagten hafte. Unter der Voraussetzung, daß das bekämpfte Zitat in einer wahrheitsgetreuen Wiedergabe der Äußerung des Dritten besteht und keine Identifikation des Verbreiters mit der veröffentlichten Meinung des Zitierten stattfand, ist zu prüfen, ob sich aus der gebotenen Interessensabwägung ein Rechtfertigungsgrund ergibt. Bei dieser ist die Verletzung der Ehre der sogenannten Medienfreiheit gegenüberzustellen, die ebenfalls ein absolut geschütztes Gut ist und verfassungsrechtlichen Schutz genießt (Art 13 StGG; Art 10 MRK). Zu den Grundlagen der auch im zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutz eingeräumten Zitierfreiheit des Presseunternehmens kann auf die von der Rekurswerberin zitierte Vorjudikatur, insbesondere die Entscheidung 6 Ob 2018/96z = SZ 69/113 verwiesen werden. Aus § 6 Abs 2 Z 4 MedienG, wonach der im Abs 1 leg cit dem Verletzten eingeräumte zivilrechtliche Anspruch auf Entschädigung dann nicht besteht, wenn eine wahrheitsgetreue Wiedergabe der Äußerung des Dritten vorlag und ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit am Erkenntnis der zitierten Äußerung bestand, hat der erkennende Senat abgeleitet, daß bei einer Güterabwägung das Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit bei Einhaltung der objektiven Sorgfaltspflicht des Journalisten den Ausschlag zur Bejahung eines Rechtfertigungsgrundes geben kann und ausgeführt:
"Die Weiterverbreitung ist dann gerechtfertigt, also nicht rechtswidrig, wenn das Interesse der Öffentlichkeit an der Kenntnis der Äußerung die Interessen des Verletzten überwiegt, etwa wegen der besonderen Stellung des Zitierten in der Öffentlichkeit oder wegen der aktuellen, besonderen Wichtigkeit des Themas".
Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung müssen den Interessen am gefährdeten Gut die Interessen des Handelnden und diejenigen der Allgemeinheit gegenübergestellt werden, wobei es auf die Art des eingeschränkten Rechtes, die Schwere des Eingriffs, die Verhältnismäßigkeit zum verfolgten Zweck und den Grad der Schutzwürdigkeit dieses Interesses ankommt (so schon SZ 64/36 mwN). Stets entscheiden die Umstände des Einzelfalls, in welche Richtung die Interessenabwägung ausfällt. Die dargelegten Grundsätze entsprechen der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (6 Ob 168/97p; 6 Ob 244/98w ua). Es ist der Revisionsrekurswerberin zuzustimmen, daß hier dem Informationsbedürfnis der Allgemeinheit ein hoher Stellenwert wegen der allgemeinen Bekanntheit des Zitierten und wegen des damals gegen ihn anhängigen Strafverfahrens zukommt. Die Wichtigkeit eines Sachthemas kann sich nicht nur aus dem wissenschaftlichen oder intellektuellen Niveau der behandelten Probleme ergeben, sondern auch aus dem allgemeinen Interesse des Publikums. Die Presseprodukte der Parteien sind sogenannte Massenmedien, die sich an das breite Publikum wenden und vor allem über schlagzeilenträchtige wirkliche oder vermeintliche Sensationen berichten. Bei Berücksichtigung dieser Umstände ist der Meinung der Rekurswerberin zuzustimmen, daß sowohl nach dem personenbezogenen als auch nach dem themenbezogenen Maßstab ein erhebliches Informationsinteresse bejaht werden kann. Dabei ist es nicht entscheidend, daß die bekämpfte Passage im Interview des Zweitbeklagten nur den Randbereich des Sachthemas berührt, nämlich die Berichterstattung in der Zeitung der Kläger und die Reaktion des Zweitbeklagten. Ebenfalls zutreffend verweist die Rekurswerberin dazu auf den Umstand, daß es grundsätzlich nicht Aufgabe des Zitierenden ist, über den Zitierten eine Zensur auszuüben und seine Meinungsäußerung wie ein Gericht nach allen Richtungen dahin zu prüfen, ob nun ein Wertungsexzeß vorliegt. Damit würde die journalistische Sorgfaltspflicht überspannt werden. Ob der dem beleidigenden Vorwurf des Zweitbeklagten zugrundeliegende Sachverhalt (Unrichtigkeit der Berichterstattung in der Zeitung der Kläger) wahr ist, steht nicht fest. Dies wäre auch nur für den Anspruch der Kläger gegen den Zweitbeklagten von Bedeutung. Eine Haftung der zitierenden Erstbeklagten könnte sich allenfalls nur daraus ergeben, daß sie die Unrichtigkeit des Vorwurfs des Zweitbeklagten kannte oder in Wahrnehmung der journalistischen Sorgfaltspflicht leicht erkennen hätte können und trotzdem den rufschädigenden und beleidigenden Vorwurf veröffentlicht hätte. Auf einen solchen (nicht festgestellten) Sachverhalt haben sich die Kläger nicht berufen.
Die obsiegende Erstbeklagte hat Anspruch auf Ersatz ihrer Kosten des Provisorialverfahrens (§§ 41 und 50 ZPO; §§ 78, 402 EO).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)