OGH 9ObA320/98v

OGH9ObA320/98v24.2.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Othmar Roniger und Dr. Heinz Nagelreiter als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Christopher G*****, Angestellter, *****, vertreten durch Dr. Thomas Wanek und Dr. Helmut Hoberger, Rechtsanwälte in Perchtoldsdorf, wider die beklagte Partei P***** GesmbH, *****, vertreten durch Dr. Hans Pritz, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 22.736,97 brutto sA, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 21. August 1998, GZ 9 Ra 191/98v-18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Wr. Neustadt als Arbeits- und Sozialgericht vom 26. Mai 1998, GZ 4 Cga 97/97x-13, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Rekurskosten sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger absolvierte in der Zeit vom 7. 1. 1993 bis 6. 1. 1996 bei der Beklagten die Lehre zum Reproduktionstechniker und legte im Jänner 1996 die Lehrabschlußprüfung erfolgreich ab. Er war ab 7. 1. 1996 bei der Beklagten als Reproduktionstechniker beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis unterlag dem Kollektivvertrag für das graphische Gewerbe (Arbeiter). Der Kläger war laut Lohntabelle für die Druckvorstufe und den Druck in B/Stufe I/1. Gehilfenjahr, eingestuft. In der Zeit vom 1. 6. 1996 bis 31. 1. 1997 absolvierte er den ordentlichen Präsenzdienst. Vor Antritt des Präsenzdienstes konsumierte er noch jenen Resturlaub, der ihm auf seine Frage vom Personalbüro als offen mitgeteilt worden war. Ab 10. 2. 1997 nahm der Kläger seine Arbeit bei der Beklagten wieder auf. Die vorherige Einstufung blieb unverändert. Am 28. 3. 1997 wurde das Arbeitsverhältnis durch Arbeitgeberkündigung beendet.

Der Kläger begehrt mit der vorliegenden Klage S 22.736,97 brutto sA für restlichen Lohn, anteilige Sonderzahlungen, Kündigungsentschädigung und Urlaubsentschädigung. Der Zeitraum seines Präsenzdienstes sei gemäß § 8 APSG in den Beschäftigungszeitraum einzurechnen. Die Endabrechnung hätte daher auf der Basis einer Einstufung in B/Stufe II/2. Gehilfenjahr erfolgen müssen. Der Urlaubsentschädigung liege ein Urlaubsanspruch von 21 offenen Urlaubstagen (Werktagen) zugrunde.

Die Beklagte stellte das Klagebegehren der Höhe nach außer Streit. Dem Grunde nach wendete sie ein, daß der Kläger zu Recht bis zuletzt in B/Stufe I/1. Gehilfenjahr, eingestuft gewesen sei. Der anzuwendende Kollektivvertrag stelle nicht auf Dienstjahre oder Betriebszugehörigkeit, sondern auf "Gehilfenjahre" ab. Die Urlaubsentschädigung sei vom Kläger unrichtig berechnet worden, weil er einen in den Vorjahren erfolgten Urlaubsvorgriff nicht berücksichtigt habe, sodaß nach Wiederaufnahme der Tätigkeit nach Absolvierung des Präsenzdienstes nur mehr neun Urlaubstage (Arbeitstage) offen gewesen seien.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Unter Zugrundelegung des eingangs wiedergegebenen Sachverhaltes vertrat es die Rechtsauffassung, daß aus § 8 APSG nicht abgeleitet werden könne, daß die Zeiten des ordentlichen Präsenzdienstes auf die Dauer der Dienstzeit anzurechnen seien. Die Einstufung in B/Stufe II/2. Gehilfenjahr trage der vermehrten Erfahrung und höheren Fertigkeit Rechnung. Der Kläger sei daher von der Beklagten richtig eingestuft worden.

Das Berufungsgericht hob das Ersturteil infolge Berufung des Klägers auf und verwies die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es trat der Rechtsauffassung des Erstgerichtes bei, daß der Kläger bei der Endabrechnung richtig eingestuft worden sei. Die Anrechnung gemäß § 8 APSG gelte zwar auch für Ansprüche, die auf Einzelvertrag oder auf Normen kollektiver Rechtsgestaltung beruhen, jedoch nur, wenn sie von der Dauer der Dienstzeit abhängig bzw nach deren Dauer gestaffelt seien. Der hier anzuwendende Kollektivvertrag für das graphische Gewerbe enthalte keine ausdrückliche Bestimmung über die Anrechnung von Zeiten des Präsenzdienstes bezüglich der Einstufung. Die Lohntabelle für den Druckvorbereich knüpfe nicht nur an die Dauer, sondern auch an den Inhalt der Tätigkeit an. Die daraus resultierenden Entgeltansprüche seien daher nicht nur von der Dauer der Dienstzeit abhängig. Es habe aber dennoch eine Aufhebung des Ersturteils zu erfolgen, weil die Feststellungen des Erstgerichtes nicht ausreichen, um die strittige Urlaubsentschädigung beurteilen zu können. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil zur Frage der Anrechnung des Präsenzdienstes bei kollektivvertraglicher Einstufung keine oberstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

Gegen diesen Beschluß, und zwar ausschließlich gegen die Überbindung der Rechtsansicht über die Nichtanrechnung des Präsenzdienstes, richtet sich der Rekurs des Klägers.

Die Beklagte beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig (§ 519 Abs 1 Z 2 ZPO iVm §§ 46 Abs 1, 47 Abs 1 ASGG; Fink ASGG 117 f). Mit dem Rekurs gegen einen Aufhebungsbeschluß kann auch allein dessen Begründung angefochten werden, ohne daß der Auftrag an das Erstgericht, das Verfahren zu ergänzen, bekämpft wird; das Rechtsmittel kann auch von der Partei erhoben werden, auf deren Berufung hin die Aufhebung erfolgt ist (Kodek in Rechberger, ZPO Rz 5 zu § 519 mwN). Der Rekurs ist jedoch im Ergebnis - es bleibt bei der Aufhebung und Zurückverweisung - nicht berechtigt.

Bald nachdem mit dem Staatsvertrag von Wien (BGBl Nr 152/1955) die Republik Österreich ihre volle Unabhängigkeit wiedererlangt hatte, begannen die Arbeiten zur Schaffung der gesetzlichen Grundlagen für die österreichische Landesverteidigung (Klein/Knöfler, APSG [1993] 9). Als sich der Nationalrat mit der Verabschiedung des Wehrgesetzes 1955 befaßte, erhoben der Österreichische Gewerkschaftsbund und die Arbeiterkammern die Forderung, daß den zum Wehrdienst einberufenen Arbeitnehmern aus der Einberufung keine zivilen Nachteile entstehen dürfen (Olah [Vorwort] in Freisinger/Martinek/Scheer/Weißenberg, Der sozialrechtliche Schutz der Wehrpflichtigen [1956] 9 f). Das Wehrgesetz, BGBl Nr 181/1955, sah nämlich - im bewußten Gegensatz zum Freiwilligen-Heer der ersten Republik - die Schaffung eines Bundesheeres auf der Basis der allgemeinen Wehrpflicht vor. Das Gros des Bundesheeres sollte aus Wehrpflichtigen gebildet werden, die aus ihrem Berufsleben heraus zur Wehrdienstleistung einberufen werden und nach Beendigung ihres Wehrdienstes wieder in das Berufsleben zurückkehren sollten. Diese Konzeption des Wehrrechtes machte Begleitmaßnahmen zur Sicherung des Arbeitsplatzes sowie zur Wahrung der arbeits- und sozialrechtlichen Ansprüche der zum Wehrdienst Einberufenen unumgänglich. Die arbeits- und sozialrechtliche Situation der zum Wehrdienst Einberufenen sollte gesichert werden (Klein/Knöfler aaO 9). Das Wehrgesetz 1955 bestimmte in § 41 Z 1, daß Dienstnehmern und regelmäßig beschäftigten Heimarbeitern, die zum Präsenzdienst berufen sind, der Arbeitsplatz gesichert bleibt. Diese Sicherung umfasse neben der Aufrechterhaltung bestehender Dienst(Beschäftigungs-)verhältnisse und dem Kündigungs- und Entlassungsschutz auch die Anrechnung der Präsenzdienstzeiten auf Ansprüche eines Dienst(Beschäftigungs-)verhältnisses. Die Erlassung der näheren Vorschriften über die Sicherung des Arbeitsplatzes blieb nach dem Wehrgesetz 1955 einem besonderen Bundesgesetz vorbehalten. Mit dem Arbeitsplatzsicherungsgesetz, BGBl Nr 154/1956, wurde diese Regelung getroffen (25 BlgNR 8. GP 6; Ermacora/Loebenstein, Das österreichische Wehrrecht [1958], Anm 1 zu § 41 WehrG; Kuderna in DRdA 1963, 11).

§ 16 Abs 1 Arbeitsplatzsicherungsgesetz 1955 sah vor, daß die Zeiten des Präsenzdienstes, während deren das Dienstverhältnis bestanden hat, auf die Dauer der Dienstzeit anzurechnen sind, soweit sich Ansprüche eines Dienstnehmers nach der Dauer der Dienstzeit richten. Den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage war zu entnehmen (25 BlgNR 8. GP 9 f):

"Gemäß der Vorschrift des Abs 1 ist die Dauer der Präsenzdienstzeit unter anderem bei Berechnung der Dauer der Kündigungsfrist, bei Berechnung des Zeitraumes, während dessen wegen Dienstverhinderung Anspruch auf Fortzahlung des Entgeltes besteht, bei Berechnung der Höhe der Abfertigung, bei Feststellung des Urlaubsausmaßes sowie bei vertraglich vorgesehenen Vorrückungen in höhere Bezüge in Anrechnung zu bringen."

Unter anderem auch darin kam die zentrale sozialpolitische Zielsetzung der Regelung des Arbeitsplatzsicherungsgesetzes 1956, dem Präsenzdiener für die Zeit nach der Erfüllung seiner staatsbürgerlichen Pflicht den Arbeitsplatz zu sichern und den Wiedereinstieg in die Beschäftigung und ins Erwerbsleben zu garantieren, zum Ausdruck (Dirschmied in Glosse zu DRdA 1997/19, 198). An der dargestellten Absicht des Gesetzgebers hat sich weder in dem in der Folge zweimal wiederverlautbarten Wehrgesetz (s. § 51 Z 1 Wehrgesetz 1978, BGBl Nr 150/1978; § 55 Wehrgesetz 1990, BGBl Nr 305/1990; Ermacora/Kopf/Neisser, Das österreichische Wehrrecht2 [1980] 119 und 204; Ermacora/Neisser/Rauter, Wehrrecht2 [1990] 4 und 96) noch durch die Neufassung des Arbeitsplatzsicherungsgesetzes im Jahr 1991 etwas geändert (Dirschmied aaO). Einzelne im Wehrrecht eingetretene Änderungen, insbesondere das durch das Wehrrechtsänderungsgesetz 1983, BGBl Nr. 577, geschaffene Institut des Zeitsoldaten, waren aber mit dem Grundgedanken des Arbeitsplatzsicherungsgesetzes - Schutz des Arbeitsplatzes des Präsenzdieners - kaum mehr vereinbar. Jahrelange Beratungen führten schließlich zum Arbeitsplatz-Sicherungsgesetz 1991 - APSG, BGBl Nr 683/1991 (291 BlgNR 18. GP 8; Klein/Knöfler aaO 9 f).

Die Anrechnungsbestimmungen finden sich nunmehr in § 8 APSG. Sie lauten:

"Soweit sich Ansprüche eines Arbeitnehmers nach der Dauer der Dienstzeit richten, sind Zeiten

1. des ordentlichen Präsenzdienstes,

......

während derer das Arbeitsverhältnis bestanden hat, auf die Dauer der Dienstzeit anzurechnen"

§ 8 APSG regelt laut den Erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage die Anrechnung von im Präsenz(Zivil)Dienst zurückgelegten Zeiten für die Bemessung von Ansprüchen der Arbeitnehmer, die von der Dauer der Dienstzeit abhängen. Die Neuregelung der Anrechnung nimmt auf die Art des Präsenzdienstes Bedacht (291 BlgNR 18. GP 11; Klein/Knöfler aaO 70; Gruber in ecolex 1992, 863 [865]; RdW 1986, 83).

Die Anrechnung nach § 8 APSG erfolgt grundsätzlich auf alle Ansprüche, deren Entstehen oder Ausmaß von der Dauer der Dienstzeit abhängig ist (Klein/Knöfler aaO 72), also nicht nur bei gesetzlichen Ansprüchen, sondern unter anderem - wie schon bei der vorhergehenden Bestimmung des § 16 Abs 1 Arbeitsplatz-Sicherungsgesetz 1956 (BlgNR 8. GP 9 f) - auch bei der vertraglich vorgesehenen Vorrückung in höhere Bezüge. Zutreffend weisen Klein/Knöfler aaO 72 darauf hin, daß es nicht darauf ankommt, ob die Ansprüche auf Einzelvertrag oder Normen kollektiver Rechtsgestaltung beruhen, sofern sie nur von der Dauer der Dienstzeit abhängen bzw nach deren Dauer gestaffelt sind.

Eine derartige Norm kollektiver Rechtsgestaltung findet sich in der im vorliegenden Fall anzuwendenden Lohntabelle für den Druckvorbereich und Druck zum Kollektivvertrag für das graphische Gewerbe (Arbeiter), die einen integrierenten Bestandteil des Kollektivvertrages bildet. Diese Lohntabelle gliedert die Facharbeiterinnen und Facharbeiter in acht Gruppen (A-H) und (in den Gruppen A, B, D, E und H) in drei Lohnstufen (Stufe I im 1. Gehilfenjahr, Stufe II im 2. Gehilfenjahr, Stufe III nach dem 2. Gehilfenjahr). Sowohl die Auslegung nach dem Wortsinn als auch die objektiv-teleologische Auslegung lassen erkennen, daß mit "Gehilfenjahre" nicht bloße Lebensjahre, sondern einschlägige Dienstjahre gemeint sind. Insoweit ist der Hinweis der Beklagten auf die Entscheidung dieses Senates zu 9 ObA 10/87 (teilweise veröffentlicht in ARD 3.913/12/87 = infas 1988, A 22) durchaus berechtigt. Für ihren Standpunkt ist hieraus jedoch im Ergebnis nichts zu gewinnen; dort ging es nämlich nicht nur um einen anderen Kollektivvertrag und auch nicht um die Frage einer Anrechnung des Präsenzdienstes, sondern vielmehr um die Frage, ob die Einstufung allein von den Lebensjahren einer Arbeitnehmerin abhängig sei und demzufolge auch die Zeit der Arbeitslosigkeit einzurechnen wäre.

Steht eine der Gruppen A-H der im vorliegenden Fall anzuwendenden Lohntabelle fest (hier B: Alle graphischen Facharbeiter, die nicht anders einzustufen sind), in die der betroffene Facharbeiter gehört, dann stellt die Lohntabelle des Kollektivvertrages für das graphische Gewerbe (Arbeiter) nur mehr auf Dienstzeiten ab. Das Ausmaß der Erfahrung mag durchaus eine Folge der jeweiligen Dauer der Dienstzeit sein, ist jedoch als solches in der Lohntabelle nicht direkt angesprochen. Die Einstufung nimmt nur abstrakt auf den zeitlichen Aspekt Bedacht. Der Ausdruck "Gehilfenjahr" in der Lohntabelle bezieht sich offensichtlich auf Personen, die die Lehrabschlußprüfung erfolgreich abgelegt haben (vgl § 21 Abs 3 BAG). So spricht etwa auch § 25 Kollektivvertrag für das graphische Gewerbe-Mantelvertrag für Arbeiter in der ab 1. 1. 1997 geltenden Fassung davon, daß jeder zum graphischen Facharbeiter ausgebildete Dienstnehmer "nach Vollendung des ersten Gehilfenjahres" über Verlangen des Dienstgebers zur Lehrlingsausbildung verpflichtet ist. Für die Grenzziehung zwischen den Stufen I, II und III (im 1., 2. bzw nach dem 2. Gehilfenjahr) ist demnach nur maßgebend, ob bereits mehr als ein oder zwei Dienstjahre nach Ablegung der Lehrabschlußprüfung verstrichen sind. Der von den Vorinstanzen betonten "Erfahrung" des betroffenen Facharbeiters wird im graphischen Gewerbe nicht unmittelbar in der Vorrückung von einer Gehaltsstufe zur nächsten, sondern durch eine eigene Betriebserfahrungszulage, gestaffelt nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit, Rechnung getragen (§ 10 Kollektivvertrag für das graphische Gewerbe-Mantelvertrag für Arbeiter).

Leistet ein Arbeitnehmer den ordentlichen Präsenzdienst, dann greift § 8 APSG ein, der wie bereits ausgeführt normiert, daß bei Ansprüchen eines Arbeitnehmers, die sich nach der Dauer der Dienstzeit richten, die Zeiten des ordentlichen Präsenzdienstes, während derer das Arbeitsverhältnis bestanden hat, auf die Dauer der Dienstzeit anzurechnen sind. Durch die Einberufung zum ordentlichen Präsenzdienst tritt eine Art gesetzlich angeordneter Karenzurlaub ein, weil nach § 4 APSG Arbeitspflicht des Arbeitnehmers und Entgeltzahlungspflicht des Arbeitgebers ruhen (Floretta/Spielbüchler/Strasser, Arbeitsrecht I4 [1998] 327; Klein in RdW 1986, 115; 9 ObA 502/87). Der ordentliche Präsenzdienst stellt somit eine qualifizierte Abwesenheit vom Dienst dar, die kraft gesetzlicher Anordnung wie Dienstzeit zu behandeln ist.

Die Rechte, die das APSG 1991 dem Arbeitnehmer einräumt, können weder einzelvertraglich noch durch Normen der kollektiven Rechtsgestaltung aufgehoben oder beschränkt werden (§ 25 leg cit; Gruber in ecolex 1992, 863 [865]). Die Rechte des Arbeitnehmers, die sich aus dem APSG ergeben, sind einseitig zwingendes Recht. Vereinbarungen, die den Arbeitnehmer günstiger stellen, sind jederzeit zulässig und gültig. Vereinbarungen, die die Rechtslage des Arbeitnehmers allerdings verschlechtern, sind rechtsunwirksam. An ihre Stelle tritt die gesetzliche Regelung (Klein/Knöfler aaO 141).

An der Aufrechterhaltung der Beschäftigungsmöglichkeit und dem Wiedereinstieg in das Erwerbsleben nach Ableistung des Präsenz- bzw Zivildienstes besteht ein eminent gesellschaftspolitisches Interesse (Dirschmied aaO 191). Dieses Interesse wäre erheblich beeinträchtigt, würde man dem Arbeitnehmer, der in Erfüllung seiner staatsbürgerlichen Pflicht den ordentlichen Präsenzdienst ableistet, bei vertraglich vorgesehenen Vorrückungen in höhere Bezüge von der Anrechnung des Präsenzdienstes ausschließen. Eine derartige, mit dem APSG nicht in Einklang zu bringende Absicht der Kollektivvertragsparteien ist im gegenständlichen Kollektivvertrag nicht erkennbar; sie kann den Kollektivvertragsparteien auch nicht unterstellt werden. Das Schweigen des Kollektivvertrages zu Fragen der Anrechnung des Präsenzdienstes läßt entgegen der Ansicht der Vorinstanzen gleichfalls keine anderslautende Schlußfolgerung zu, zumal sich die Anrechnung ohnehin aus dem Gesetz ergibt (§ 8 APSG). Da das Arbeitsverhältnis des Klägers zur Beklagten während der Zeit seines ordentlichen Präsenzdienstes weiterbestanden hat, ist die Zeit der Präsenzdienstleistung auf die für die Vorrückung erforderliche Dienstzeit gemäß § 8 APSG anzurechnen (vgl auch ZfVB 1983/1.084; ÖJZ 1957, 332/A 8). Im fortgesetzten Verfahren wird daher von einer Einstufung des Klägers ab Wiederaufnahme der Beschäftigung nach Ableistung des Präsenzdienstes in B/Stufe II/2. Gehilfenjahr auszugehen sein.

Die Rechtssache ist aber dennoch noch nicht spruchreif. Ob die Verfahrensergänzung in der Frage der dem Kläger zustehende Urlaubsentschädigung tatsächlich notwendig ist, ist vom Obersten Gerichtshof nicht zu überprüfen (Kodek in Rechberger, ZPO Rz 5 zu § 519) und wird vom Rekurswerber nicht angezweifelt. Es bleibt daher bei der Aufhebung des Ersturteils und Zurückverweisung an das Erstgericht.

Der Ausspruch über die Kosten beruht auf § 52 Abs 1 ZPO. Obwohl der Rekurs in der Frage der Aufhebung und Zurückverweisung keinen Erfolg gehabt hat, war die Entscheidung über die Rekurskosten vorzubehalten, weil der Rekurs zur Klärung der Rechtslage beigetragen hat (RIS-Justiz RS0036035).

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