Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 11.430,- (darin enthalten S 1.905,- Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die klagende Partei betreibt einen Handel mit Mineralölprodukten. Sie schloß mit der beklagten Partei für die Durchführung von Mineralöltransporten mit Tankschiffen von Schwarzmeerhäfen zu österreichischen Donauhäfen eine Transportversicherung ab. Mit dem Abschluß des Versicherungsvertrages war seitens der klagenden Partei Karl F***** beauftragt worden, der sich mit Ing. H*****, einem Angestellten der R*****maklerdienst GmbH, in Verbindung setzte. Karl F***** wies Ing. H***** darauf hin, daß die klagende Partei am Abschluß eines Versicherungsvertrages insbesondere deshalb interessiert sei, weil es beim Transport von Mineralölen, vor allem von Heizöl Schwer, immer wieder zu Fehlmengen bei der Entladung komme. Bei Heizöl Schwer liegt der Stockpunkt, das heißt der Punkt, bei dem Heizöl Schwer vom flüssigen Zustand in einen viskoseartigen zähen Zustand übergeht, relativ hoch, so daß eine vollständige Entladung nur dann möglich ist, wenn eine entsprechende Erwärmung des Transportgutes vorgenommen wird. Die Erwärmung kann aber oft nicht im ausreichenden Ausmaß durchgeführt werden. Ing. H***** legte nach Rücksprache mit der beklagten Partei ein Anbot zum Abschluß einer Transportversicherung, wobei in dem Offert der Haftungsumfang wie folgt angeführt ist:
"Die Versicherung gilt unter Zugrundelegung der Allgemeinen Österreichischen Transportbedingungen (AÖTB 1988) gegen Schäden, entstanden durch Brand, Blitzschlag, Explosion, Strandung, Schiffbruch, Transportmittelunfälle, zur Kondition "frei von Beschädigung" inklusive Leckage und/oder Gewichtsverlust mit 0,5 % Abzugsfranchise, die ganze Ladung einer Serie. Die Be- und Entschlauchung gilt als mitversichert."
Aufgrund einer beispielsweisen Berechnung wurde von Ing. H***** eine Jahresprämie von S 336.000 vorgeschlagen. Dieses Anbot nahm die klagende Partei an. Die beklagte Partei erstellte daraufhin eine entsprechende "Generalpolizze".
Karl F***** charterte in der Folge DSG-Schiffe und Schiffe der Firma D*****. Mit drei Kähnen der D***** wurde Heizöl Schwer von S***** nach K***** befördert. Die Tankkähne waren von der Type her für den Transport von Heizöl Schwer geeignet und werden üblicherweise hiefür eingesetzt. Sie wiesen mehrere Kammern auf und verfügten über eine Beheizungseinrichtung, die dazu diente, beim Entladen den Kahn aufzuheizen, um das Heizöl Schwer in einen flüssigen Zustand zu versetzen. Das Aufheizen erfolgte bei der Entladestelle durch Einführen von heißen Dampf in das in den Kähnen eingebaute Heizsystem.
Bei der Entladung in K***** stellte sich heraus, daß das Heizungssystem bei einigen Kammern defekt war, so daß es dort nicht zu der für die vollständige Entadung von Heizöl Schwer notwendigen Erwärmung kam. Deshalb verblieben im Kahn mit der Nr DL 11014 71,672 t, im Kahn DL 11111 75,289 t und im Kahn DL 11121 31,444 t. Es war nicht möglich, das nicht verflüssigte Heizöl Schwer aus den Kähnen mit einer anderen Methode zu entladen. Die Entladung der Kähne wurde seitens der Firma SGS Austria Controll-Co GmbH überwacht. Nach den hierüber erstellten Inspektionsberichten erfolgte die Entladung nicht vollständig; beim Kahn DL 11114 war kein Kondensatablauf betreffend den Dampf, der zur Erwärmung verwendet wird, vorhanden. Bei einzelnen Kammern kam es zu keiner entsprechenden Erwärmung. Die Ursache hiefür war, daß die Kähne während eines längeren Zeitraumes nicht gewartet worden waren, wodurch es zu einer Ablagerung des Heizöls Schwer in Form einer bitumenartigen Masse in den einzelnen Tankkammern kam. Die Tankkammern müssen, um das Heizsystem funktionsfähig zu erhalten, rechtzeitig entschlammt werden. Die klagende Partei hat den Zustand der Kähne vor dem Transport nicht geprüft.
Mit Schadensmeldungen vom 16. 6. und 1. 7. 1992 teilte die klagende Partei der Versicherung die Höhe der Differenzmengen mit. Mit Schreiben vom 3. 9. 1992 lehnte die beklagte Partei den Deckungsschutz ab. In 18 anderen Fällen, bei denen es zu Fehlmengen bei der Entladung kam, liquidierte die Beklagte jedoch die Schäden, wobei die höchste diesbezügliche Schadenssumme S 40.409 betrug.
Abzüglich des 0,5 %igen Selbstbehaltes verursachte die Fehlmenge der klagenden Partei einen Schaden von S 235.928.
§ 9 der AÖTB 1988 lautet:
"Eignung des Transportmittels:
Abs 1: Die Versicherung gilt nur bei Benützung eines Transportmittels, das die für die Aufnahme und Beförderung der betreffenden Güter erforderliche Eignung besitzt, und wenn..... b) bei Transporten auf Binnengewässern das Fahrzeug in einem international anerkannten Klassifikationsregister mit der ersten Klasse bezeichnet wird.....
Abs 2: Die Eignung des Transportmittels ist auf Verlangen des Versicherers vom Versicherungsnehmer nachzuweisen".
Die klagende Partei begehrte S 235.928 sA aufgrund des bestehenden Transportversicherungsvertrages.
Die beklagte Partei stellte das Begehren der Höhe nach außer Streit, bestritt aber dem Grunde nach und beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Tankkähne seien aufgrund mangelhafter Wartung technisch nicht mehr voll funktionsfähig gewesen, weil nur eine unzureichende Aufheizung des Heizöls erfolgen habe können. Den Tankkähnen habe daher die erforderliche Eignung für die Beförderung des betreffenden Gutes gefehlt, so daß die beklagte Partei gemäß § 9 AÖTB leistungsfrei sei.
Die klagende Partei replizierte, daß die Kähne grundsätzlich die Eignung besessen hätten, das betreffende Gut zu befördern. Wie sich aus den besonders vereinbarten Bedingungen über den Haftungsumfang ergebe, sollten gerade die im Hinblick auf die Beschaffenheit von Heizöl Schwer auftretenden Gewichtsverluste durch derartige Vorgänge mitversichert sein.
Daraufhin führte die beklagte Partei noch aus, daß Gewichtsverluste und Leckage nur insofern mitversichert seien, sofern sich diese Verluste "im Rahmen des Üblichen" hielten. In den hier strittigen Fällen sei der Haftungsausschluß gemäß den AÖTB 1988 aber deshalb gegeben, weil die Tankkähne in einem derart schlechten Zustand gewesen seien, daß mit dem Auftreten von Minderlieferungen zu rechnen gewesen sei.
Das Erstgericht erkannte im Sinn des Klagebegehrens. Eine Höchstgrenze für die Fehlmenge, ab der der Schaden nicht mehr von der beklagten Partei zu ersetzen sei, sei nicht vereinbart worden. § 9 Abs 1 erster Halbsatz der AÖTB sei dahin auszulegen, daß die Eignung des Transportmittels für einen bestimmten Transport nicht durch jegliche technische Gebrechen ausgeschlossen sei. Das Hauptmotiv der klagenden Partei sei ja die Deckung des Verlustes durch Fehlmengen gewesen. Der Versicherungsnehmer sei oft gar nicht in der Lage, den technischen Zustand von gecharterten Transportkähnen zu überprüfen. Es komme vielmehr darauf an, daß die Kähne generell und an sich zum Transport geeignet gewesen seien. Für eine solche Auslegung sprächen auch die Vorgängerbestimmungen der AÖTB 1988 aus den Jahren 1975 und 1965 sowie die Allgemeinen Deutschen Seeversicherungsbedingungen.
Das Gericht zweiter Instanz bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Die Allgemeinen Deutschen Seeversicherungsbedingungen seien zwar nicht als Auslegungshilfe heranzuziehen, weil diese ausdrücklich die Eignung eines Transportmittels ansähen, wenn dieses von einem anerkannten Klassifikationsregister entsprechend klassifiziert sei. Die AÖTB regelten aber nur den Zeitraum bis zum Beginn der Entladung. Selbst wenn die AÖTB sinngemäß auch auf die Versicherung gegen Gewichtsverlust der Ladung bei der Entladung anzuwenden seien, sei für die beklagte Partei nichts gewonnen. Da der Abschluß des Versicherungsvertrages gerade wegen der Beschaffenheit des Gutes, nämlich seiner Neigung, bitumenartige Rückstände zu bilden, geschlossen worden sei, müsse es zur Erfüllung der Voraussetzungen des § 9 AÖTB ausreichen, wenn der Versicherungsnehmer ein Transportmittel wähle, das an sich für die Aufnahme, Beförderung und Entladung des betreffenden Gutes geeignet sei. Dem Versicherungsnehmer sei es unzumutbar, vor Beginn jedes Mineralöltransportes eine Überprüfung der Höhe der Bitumenschicht vorzunehmen. Die Revision sei zulässig, weil zur Anwendbarkeit und Auslegung des § 9 AÖTB 1988 keine Rechtsprechung des OGH vorliege.
Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig, Sie ist aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Allgemeine Versicherungsbedingungen sind wie Verträge, demnach nach §§ 914 f ABGB auszulegen. Die Auslegung ist nach dem Maßstab eines verständigen durchschnittlichen Versicherungsnehmers vorzunehmen. Unklarheiten gehen zu Lasten des Versicherers. Es ist stets der bei einem objektivem Betrachter erkennbare Zweck einer Klausel zu berücksichtigen (VR 1992/277; JBl 1992/717; 7 Ob 148/98h ua).
Eine Einschränkung dahin, daß auftretende Fehlmengen nur zu ersetzen seien, wenn sie infolge von Unfällen im Sinne der sonstigen, nach dem angenommenen Offert versicherten Schäden (Brand, Blitzschlag usw) entstanden seien, läßt sich weder dem bisherigen Parteivorbringen noch den Feststellungen der Vorinstanzen entnehmen. Dieser nunmehr in der Revision aufgestellten Behauptung steht vielmehr die Feststellung entgegen, daß es der ausdrücklich erklärte und vordringliche Zweck des Versicherungsabschlusses war, die klagende Partei gegen immer wieder und unabhängig von derartigen dramatischen Ereignissen auftretenden Fehlmengen beim Transportgut Heizöl Schwer abzusichern. Dazu kommt, daß abweichend von den AÖTB, die eine Deckung lediglich für die Dauer der Beförderung nach der Beladung und vor der Entladung vorsehen (§ 10 Abs 2 AÖTB), ausdrücklich auch die "Be- und Entschlauchung" mitversichert wurde. Es ist zwar bei Beachtung der aufgezeigten Auslegungskriterien zu unterstellen, daß sich die in § 9 AÖTB vorgesehene Eignung des Transportmittels auch auf die Eignung desselben, das beförderte Gut zu entladen, bezieht, auch wenn die (hier aufgrund der besonderen Vereinbarung mitversicherte) Entladung nach den AÖTB schon außerhalb des versicherten eigentlichen Transportes liegt. Dessen ungeachtet verdeutlicht die besondere Vereinbarung über die Versicherung der "Be- und Entschlauchung", daß einkalkuliert wurde, daß insbesondere bei diesen Vorgängen Gewichtsverluste entstehen können. Hiebei mußte auch dem Versicherer klar sein, daß als Ursache für Gewichtsverluste beim Entladen in erster Linie nur technische Unzulänglichkeiten des Transportmittels bzw der Entladeeinrichtungen in Frage kommen können, worauf nicht zuletzt auch die ausdrückliche Mitversicherung von "Leckage" hinweist.
Aus § 9 der AÖTB 1988 geht nicht mit entsprechender Deutlichkeit hervor, was mit dem Begriff der "erforderlichen Eignung" gemeint ist. Die Vorgängerbestimmungen des § 8 der Allgemeinen Österreichischen See-Transport-Versicherungs-Bedingungen (AÖS) 1975 und des § 4 der Allgemeinen Österreichischen Binnen-Transportversicherungs-Bedingungen (AÖB) 1965 waren insofern klarer, als bei Transporten auf Binnengewässern der Nachweis der "erforderlichen Eignung" des Transportmittels als ohne weiteres erbracht zu gelten hatte, wenn das Fahrzeug in einem international anerkannten Klassifikationsregister mit der ersten Klasse bezeichnet war. Eine ähnliche Bestimmung enthalten auch die Allgemeinen Deutschen Seeversicherungsbedingungen. In den hier maßgebenden AÖTB 1988 wird die Bezeichnung in einem Klassifikationsregister mit der ersten Klasse nunmehr vom Wortlaut der Vorschrift des § 9 her als zusätzliches Erfordernis angeführt. Ob damit aber nicht bloß die generelle Eignung, die im allgemeinen durch die entsprechende Bezeichnung im Klassifikationsregister zum Ausdruck kommen wird, gemeint sein soll, bleibt zweifelhaft, ist doch insbesondere zu bedenken, daß ein Nachweis des Versicherungsnehmers im Sinn des § 9 Abs 2 AÖTB 1988 über die jeweilige Eignung des konkreten Transportmittels für den konkreten Transport in dem Sinne, daß das Fahrzeug frei von konkreten technischen Mängeln ist, kaum zu führen ist.
Die schon für sich allein nicht eindeutige Bestimmung des § 9 AÖTB 1988 ist im vorliegenden Fall aber insbesondere im Zusammenhang mit der besonderen Vereinbarung, daß Gewichtsverluste beim Entladen ohne dort eigens angeführte Einschränkung (etwa dahin, daß sich die Transportkammern und das Aufheizsystem in einem einwandfreien Zustand befinden müßten) zu decken sind, zumindest im Zweifel zugunsten des Versicherungsnehmers in dem von der klagenden Partei und den Vorinstanzen aufgezeigten Sinn auszulegen.
Die zu treffenden Entscheidungen der Vorinstanzen waren daher zu bestätigen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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