OGH 13Os7/99

OGH13Os7/9910.2.1999

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. Februar 1999 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Dr.Schmucker, Dr. Habl und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Matz als Schrift- führerin, in der Strafsache gegen Annemarie E***** wegen des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 9. November 1998, GZ 36 Vr 664/98-28, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Bezirksgericht Telfs verwiesen.

Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Annemarie E***** wurde des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil sie im Jänner 1998 in Flaurling den Führerschein des Hannes G*****, mithin eine Urkunde, über die sie nicht "bzw nicht allein" verfügen durfte, durch Verbrennen mit dem Vorsatz vernichtet hat, zu verhindern, daß sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, nämlich der Berechtigung des Hannes G***** Fahrzeuge zu lenken, gebraucht werde.

Dagegen wendet sich die Angeklagte mit einer auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die berechtigt ist.

Rechtliche Beurteilung

Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen bekam Markus B*****, der Lebensgefährte der Angeklagten, von Günther Gr***** den anläßlich eines Einbruchsdiebstahls erbeuteten und durch Austausch des Lichtbildes verfälschten Führerschein des Hannes G*****. Bei einer Fahrzeugkontrolle Ende Jänner 1998 wurde der Führerschein von B***** verwendet, wobei die Verfälschung nicht auffiel. B***** erzählte der Angeklagten von dem verfälschten Führerschein. Sie äußerte ihm gegenüber, daß das eine "Kopfwehpartie" sei, und verbrannte das Papier. Der Angeklagten ging es darum, daß ihr Lebensgefährte Markus B***** "nicht mit dem Führerschein erwischt wird, daß also dieses Ausweisdokument nicht als Beweismittel bei ihm gefunden wird" (US 3 f).

Zu Recht bringt die Beschwerde vor, daß durch § 229 Abs 1 StGB nur echte und unverfälschte Urkunden geschützt sind, sohin bloß solche, die zur Tatzeit für ihren Errichtungszweck recte (noch) verwendbar sind (Leukauf/Steininger Komm3 RN 1a; Kienapfel in WK Rz 7, Mayerhofer/Rieder StGB4 E 2 f, je zu § 229). Demnach ist auf Grund der festgestellten Verfälschung des Führerscheins eine Subsumtion unter § 229 Abs 1 StGB ausgeschlossen.

Gemäß § 299 Abs 3 StGB ist aber auch bei dem aus dem Urteil ersichtlichen, von der Angeklagten angestrebten Schutz ihres Lebensgefährten (wie oben US 3 f) eine Begünstigung der unter anderem wegen Unterdrückung des Führerscheins nach § 229 Abs 1 StGB gesondert verfolgten Markus B***** nicht strafbar, mag auch das Verhalten der Angeklagten zugleich dem weiteren, nicht im Angehörigenverhältnis stehenden Vortäter (Günther Gr*****) genutzt haben.

Eine abschließende rechtliche Beurteilung - nämlich, ob nicht § 295 StGB von der Angeklagten begangen wurde - ist auf Grund der vorliegenden Feststellungen jedoch nicht möglich:

Das vom Anklagevorwurf ebenfalls umfaßte (§ 262 StPO) Vergehen der Unterdrückung eines Beweismittels nach § 295 StGB wurde zwar in bezug auf ein mögliches Beweismittel für den erfolgten Gebrauch des Führerscheins durch Markus B***** keinesfalls verwirklicht, weil es insoweit an einer Verwendungsbestimmung des bei der Verkehrskontrolle nicht als verfälscht erkannten Dokuments für ein gerichtliches oder verwaltungsbehördliches Verfahren fehlt (14 Os 54,55/90 = JUS St 1990/463). Hingegen ist zu der (wie erwähnt) Günther G***** und Markus B***** als Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB zur Last gelegten Entfremdung des Führerscheins (Punkt III 2 in ON 9) und eines konnexen Diebstahlsvorwurfs (II 2) eine solche nach § 295 StGB zu beurteilende Verwendungsbestimmung durch die Aktenlage indiziert (Anzeige S 221 f; JBl 1990, 390; vgl SSt 55/9); es fehlen aber nähere (und deutliche) Feststellungen dazu und über einen diesbezüglichen Willensinhalt der Angeklagten.

Da diese durch den Obersten Gerichtshof nicht nachgeholt werden können, demnach die Durchführung einer neuen Hauptverhandlung unumgänglich ist, war das angefochtene Urteil - in Übereinstimmung mit der Meinung der Generalprokuratur - in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde bereits bei der nichtöffentlichen Beratung aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Bezirksgericht Telfs (Mayerhofer StPO4 § 288 E 48 mwN) zu verweisen.

Demgemäß war die Angeklagte mit ihrer Berufung auf diese Entscheidung zu verweisen.

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