OGH 9ObA398/97p

OGH9ObA398/97p10.2.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer und den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Wolf und Karl Lewisch als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. Jakob R*****, Facharzt, *****, vertreten durch Dr. Norbert Moser, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Landeskrankenhaus K*****, vertreten durch Dr. Ulrich Polley, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen 42.411 S brutto sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18. September 1997, GZ 8 Ra 172/97v-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom 27. Februar 1997, GZ 30 Cga 7/97v-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:

"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei einen Betrag von 42.411 S brutto samt 4,5 % Zinsen seit 1. 8. 1996 zu zahlen und ihr die mit 16.763,60 S bestimmten Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz (darin enthalten 2.087,40 S USt und 4.240 S Barauslagen) zu ersetzen, alldies binnen 14 Tagen bei Exekution."

Die beklagte Partei ist weiter schuldig, der klagenden Partei die mit 7.368,88 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 676,48 S USt und 3.310 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Wirkung vom 2. 1. 1986 wurde der Kläger um Zweck der Ausbildung zum praktischen Arzt in ein privatrechtliches Dienstverhältnis zum Land Kärnten aufgenommen. Das Dienstverhältnis war auf die Dauer dieser Ausbildung befristet. Mit Wirkung vom 16. 7. 1989 erfüllte der Kläger (Dekret der Österreichischen Ärztekammer) die Voraussetzungen für die selbständige Ausübung des ärztlichen Berufes als praktischer Arzt, weshalb mit Wirkung vom 16. 7. 1989 auch das befristete Dienstverhältnis endete.

Mit Wirkung vom 1. 8. 1989 wurde der Kläger neuerlich in ein Dienstverhältnis um Land Kärnten aufgenommen, und zwar als Sekundararzt für die Dauer des Karenzurlaubes einer Ärztin. Nachdem diese Ärztin im September 1990 aus ihrem Dienstverhältnis ausgeschieden war, konnte der Kläger die Ausbildung zum Facharzt für Psychiatrie und Neurologie beginnen, die er im Juli 1994 abschloß. Danach absolvierte er noch die Zusatzfachausbildung für Kinder- und Jugendneuropsychiatrie. Das unbefristete Dienstverhältnis wurde durch Kündigung des Klägers zum 31. 7. 1996 aufgrund der Kündigung des Klägers, die er mit der Übernahme einer Kassenpraxis begründet hatte, aufgelöst. Die beklagte Partei zahlte dem Kläger eine Abfertigung in der Höhe des Dreifachen des ihm für den letzten Monat des Dienstverhältnisses gebührenden Monatsbezuges (42.411 S brutto).

Der Kläger hatte bereits im Mai 1989 um die Zulassung zur Ausbildung als Sekundararzt (im Anschluß an seine mit 16. 7. 1989 endende Turnuszeit ab 17. 7. 1989) angesucht und der entsprechende Antrag war bereits am 9. 6. 1989 (abgeändert nur bezüglich der Art der Verwendung am 22. 6. 1989) an das Amt der Kärntner Landesregierung weitergeleitet worden. Bereits am 13. 7. 1989 erging die amtsinterne Erledigung des Amtes der Kärntner Landesregierung, derzufolge die Einstellung des Klägers als Sekundararzt (vorläufig befristet für die Dauer des Karenzurlaubes einer Kollegin) genehmigt wurde. Die Unterfertigung des Dienstvertrages erfolgte am 11. 8. 1989 (den Kläger betreffender Personalakt der beklagten Partei).

Der Kläger begehrt die Zahlung einer restlichen Abfertigung in der Höhe von einem Monatsbezug. Mehrere Dienstverhältnisse beim selben Dienstgeber seien zusammenzurechnen und dabei auch die Tätigkeit als Turnusarzt einzubeziehen. Bei der beklagten Partei sei es auch immer üblich gewesen, die Turnuszeit bei Berechnung der Abfertigung einzubeziehen, wenn an diese eine Facharztausbildung angeschlossen habe.

Die beklagte Partei beantragt die Abweisung der Klage. Dem Kläger stehe die Abfertigung nur unter Berücksichtigung der Dauer des zweiten, letztlich unbefristeten Dienstverhältnisses ab 1. 8. 1989 zu. Die Berücksichtigung auch der Turnuszeit sei ausgeschlossen, weil dieses Dienstverhältnis durch Zeitablauf erloschen sei; damit fehlten nicht nur die Voraussetzungen für einen Abfertigungsanspruch, sondern auch die Zurechnungsmöglichkeit. Das befristete Dienstverhältnis während der Turnuszeit sei bei der Abfertigung immer nur dann berücksichtigt worden, wenn das befristete Dienstverhältnis nicht ausgelaufen sei, sondern noch während des aufrechten Dienstverhältnisses die Verträge betreffend die Fachausbildung abgeschlossen worden seien.

Das Erstgericht wies das Begehren des Klägers ab. Gemäß § 83 Abs 1 des Kärntner Landesvertragsbedienstetengesetzes 1994, LGBl 1994/93 (KtnVBG) gebühre den Vertragsbediensteten beim Ende des Dienstverhältnisses nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen eine Abfertigung. Nach Abs 2 dieser Gesetzesstelle bestehe der Anspruch nicht, wenn das Dienstverhältnis auf bestimmte Zeit eingegangen worden sei und durch Zeitablauf geendet habe sowie, wenn es sich bei dem Dienstverhältnis um ein Arbeitsverhältnis gemäß § 4 Abs 1 ÄrzteG 1984, BGBl 373, zum Zweck der Ausbildung zum praktischen Arzt gehandelt habe. § 83 Abs 8 KtnVBG bestimme, daß Dienstzeiten zu einer inländischen Gebietskörperschaft der Dauer des Dienstverhältnisses zuzurechnen seien, wobei die Zurechnung jedoch ausgeschlossen sei, wenn das Dienstverhältnis in einer Weise beendet worden sei, durch die ein Abfertigungsanspruch erloschen sei oder, falls Abs 2 auf das Dienstverhältnis anzuwenden gewesen wäre, erloschen wäre.

Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergebe, daß für das seinerzeitige Dienstverhältnis als Turnusarzt ein Abfertigungsanspruch nicht bestanden habe. Dieses befristete Dienstverhältnis habe durch Zeitablauf geendet, so daß ein Abfertigungsanspruch nicht entstanden bzw durch die Art der Beendigung erloschen sei. Die Zeit, die der Kläger als Turnusarzt zugebracht habe, sei daher nicht abfertigungswirksam anzurechnen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Gemäß § 74 Abs 2 KtnVBG 1988, LGBl 1988/19 habe ein Anspruch auf Abfertigung dann nicht bestanden, wenn ein befristetes Dienstverhältnis durch Zeitablauf geendet habe oder es sich um ein Dienstverhältnis gemäß § 4 Abs 1 ÄrzteG, BGBl 1984/373, zum Zweck der Ausbildung zum praktischen Arzt gehandelt habe. Aufgrund dieser Bestimmung habe für das Dienstverhältnis des Klägers als Turnusarzt gar kein Abfertigungsanspruch entstehen können. Die Anrechnung von Dienstzeiten aus anderen Dienstverhältnissen sei in § 83 Abs 8 leg cit idF LGBl 1994/73 geregelt. Diese Bestimmung schließe die Zurechnung von Dienstzeiten in Dienstverhältnissen zu einer inländischen Gebietskörperschaft aus, wenn dieses Dienstverhältnis in einer Weise beendet worden sei, durch die ein Abfertigungsanspruch erloschen sei oder, falls § 83 Abs 2 auf dieses Dienstverhältnis anzuwenden gewesen wäre, erloschen wäre. Wenn aber die Zurechnung von Dienstzeiten aus Dienstverhältnissen ausgeschlossen sei, für welche ein Abfertigungsanspruch gemäß § 83 Abs 2 leg cit erloschen sei oder erloschen wäre, dann seien auch Dienstverhältnisse außer Betracht zu lassen, für die ein Abfertigungsanspruch gar nicht entstanden sei. § 83 KtnVBG enthalte eine abschließende Regelung, die die Anwendung von § 23 AngG ausschließe. Auch aus § 7 Abs 4 KtnVBG lasse sich für den Kläger nichts ableiten, da diese Norm lediglich die Zulässigkeit der Verlängerung von befristeten Dienstverhältnissen regle und nicht geeignet sei, einen von der Regelung des § 83 KtnVBG abweichenden Anspruch auf Zurechnung der Dienstzeit zu begründen. Im übrigen sei hier das Dienstverhältnis des Klägers nicht verlängert, sondern ein neues Dienstverhältnis mit völlig neuer Zielsetzung abgeschlossen worden.

Selbst wenn es bisher üblich gewesen sein sollte, eine Abfertigung unter Berücksichtigung der Turnuszeit auszuzahlen, wenn an diese eine Fachausbildung angeschlossen habe, sei dies nicht geeignet den vom Kläger begehrten weiteren Abfertigungsanspruch zu begründen. Die beklagte Partei sei als Dienstgeber an die gesetzlichen Bestimmungen des KtnVBG gebunden; eine Änderung der dort normierten Bestimmungen durch "betriebliche Übung" komme nicht in Frage. Eine solche Änderung sei nur im Rahmen von Sonderverträgen zulässig; ein solcher liege jedoch hier nicht vor. Ebenso liege, abgesehen davon, daß der Kläger eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes gar nicht geltend gemacht habe, ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot nicht vor. Das Berufungsgericht sprach aus, daß die Revision gegen seine Entscheidung zulässig sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß seinem Begehren stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt, die Revision wegen Fehlens der Voraussetzungen des § 46 Abs 1 ASGG zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die für die Entscheidung der vorliegenden Rechtssache maßgeblichen Bestimmungen des KtnVBG, die auf zahlreiche Dienstverhältnisse anzuwenden sind, waren bisher noch nicht Gegenstand einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofes. Die Voraussetzungen des § 46 Abs 1 ASGG sind daher erfüllt.

Die Revision ist auch berechtigt.

Gemäß § 83 Abs 8 des KtnVBG (Wv LGBl 1994/73) sind für die Berechnung der Abfertigung Dienstzeiten zu einer inländischen Gebietskörperschaft der Dauer des Dienstverhältnisses zuzurechnen. Die Zurechnung ist ua dann ausgeschlossen (die anderen dort genannten Fälle kommen hier nicht in Betracht), wenn das Dienstverhältnis auf eine Weise beendet wurde, durch die ein Abfertigungsanspruch erlosch oder, falls Abs 2 auf das Dienstverhältnis anzuwenden gewesen wäre, erloschen wäre. Gemäß Abs 2 leg cit besteht ein Abfertigungsanspruch ua dann nicht, wenn das Dienstverhältnis auf bestimmte Zeit eingegangen wurde und durch Zeitablauf geendet hat (Z 1) oder, wenn es sich bei dem Dienstverhältnis um ein Arbeitsverhältnis gemäß § 4 Abs 1 Ärztegesetz 1984/373 zum Zweck der Ausbildung zum praktischen Arzt handelt (Z 9); auch hier kommen die anderen dort genannten Fälle nicht in Betracht.

Der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß bereits § 83 Abs 2 Z 9 KtnVBG dem Anspruch des Klägers entgegenstehe, kann nicht beigetreten werden. § 83 Abs 8 Z 2 stellt bezüglich der Nichtanrechnung von Zeiten eines Dienstverhältnisses ausdrücklich darauf ab, daß ein zuvor bestandener Abfertigungsanspruch erloschen ist. Es handelt sich um eine die grundsätzlich bestehenden Rechte des Dienstnehmers einschränkende Bestimmung, die dementsprechend nicht in dem vom Berufungsgericht verstandenen Sinne extensiv interpretiert werden darf. § 83 Abs 2 Z 9 KtnVBG ist vielmehr dahin auszulegen, daß dadurch nur das Entstehen eines Abfertigungsanspruches für das bloße Ausbildungsverhältnis (Arbeitsverhältnis als Turnusarzt) ausgeschlossen werden soll. Daß die Turnusarztzeit bei Berechnung der Abfertigung auch dann nicht zu berücksichtigen wäre, wenn das Dienstverhältnis nach Ablauf der Turnuszeit fortgesetzt wird, läßt sich aus dem Gesetz hingegen nicht ableiten. Die beklagte Partei hat im Verfahren auch vorgebracht, daß die Ausbildungszeit als Turnusarzt immer dann in die Berechnung der Abfertigung eingerechnet wurde, wenn unmittelbar daran ein weiteres Arbeitsverhältnis anschloß. Durch diese Vorgangsweise hat sie entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes nicht einen über das Gesetz hinausgehenden, tatsächlich nicht zustehenden Anspruch gewährt, sondern ist dem Gesetz gemäß verfahren. Ein Eingehen auf die vom Berufungsgericht untersuchte Frage der Bedeutung einer betrieblichen Übung bedarf es daher nicht.

Auch der von den Vorinstanzen vertretenen Ansicht, daß § 83 Abs 2 Z 1 KtnVBG dem Anspruch des Klägers entgegenstehe, kann nicht beigetreten werden. Das Dienstverhältnis des Klägers als Turnusarzt endete am 16. 7. 1989. Bereits mehr als einen Monat davor war der Abschluß eines Dienstvertrages des Klägers als Sekundararzt in die Wege geleitet worden und noch vor Ende des Turnusarztverhältnisses erging die amtsinterne Erledigung mit dem dem Abschluß eines Dienstverhältnisses des Klägers zum Zweck seiner Ausbildung als Facharzt die Zustimmung erteilt wurde. Wenn nun auch zwischen dem Ende des Dienstverhältnisses als Turnusarzt und seiner neuerlichen Beschäftigung ein Zeitraum von rund 2 Wochen lag (was vermutlich seinen Grund nur darin hatte, das neue Dienstverhältnis mit einem Monatsersten zu beginnen), ist das Dienstverhältnis im Hinblick auf die besondere Lage des Falles dennoch als durchgehend zu qualifizieren. Allein der Umstand, daß zwischen dem Ende der Turnuszeit und dem Dienstbeginn im Rahmen der Ausbildung zum Facharzt einige Tage verstrichen, in denen der Kläger nicht beschäftigt war, rechtfertigt nicht den Schluß, daß es sich um völlig getrennte, voneinander unabhängige Dienstverhältnisse handelte. Das Dienstverhältnis des Klägers als Turnusarzt hat daher nicht am 16. 7. 1989 durch Zeitablauf geendet, sondern wurde vielmehr nach einer kurzen Unterbrechnung fortgesetzt.

Die Voraussetzungen für die Nichtberücksichtigung des Dienstverhältnisses des Klägers als Turnusarzt im Sinne des § 83 Abs 8 Z 2 iVm § 83 Abs 2 Z 1 KtnVBG liegen daher nicht vor. Daß das der Höhe nach unbestrittene Begehren des Klägers ausgehend davon zu Recht besteht, wird auch von der beklagten Partei nicht in Frage gestellt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 ZPO, hinsichtlich der Kosten des Rechtsmittelverfahrens überdies auf § 50 ZPO.

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