OGH 7Ob5/99g

OGH7Ob5/99g9.2.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich, Dr. Tittel, Dr. Huber und Hon-Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Jaqueline P*****, geboren am ***** derzeit in Pflege bei der mütterlichen Großmutter Helga P*****, vertreten durch den Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie für den 10. Bezirk, Wien 10., Van der Nüll-Gasse 20, als Sachwalter, infolge Revisionsrekurses der Minderjährigen gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 18. September 1998, GZ 44 R 610/98a-103, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Favoriten vom 17. Juni 1998, GZ 4 P 159/98k, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Der ursprünglich unterhaltspflichtige Vater der Minderjährigen ist am 24. 6. 1992 verstorben. Mangels Nachlaßvermögens fand keine Abhandlung statt. Die Minderjährige befindet sich seit 5. 6. 1994 in Pflege und Erziehung der mütterlichen Großmutter. Ihre Mutter wurde zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 1.600 verpflichtet. Darüber hinaus wurde der Minderjährigen ab 1. 7. 1994 gemäß § 27 Abs 6 WrJWG 1990 ein Pflegegeld von ursprünglich monatlich S 4.900,- -, später von monatlich S 2.900 (AS 134 in ON 99) gewährt.

Zufolge der von der Mutter nicht erfüllten Unterhaltsverpflichtung wurde der Minderjährigen vom Erstgericht mit Beschluß vom 17. 6. 1998 über Antrag des Unterhaltssachwalters ein monatlicher Unterhaltsvorschuß von S 1.600 ab 1. 6. 1998 gewährt.

Das Rekursgericht gab dem gegen diese Entscheidung vom Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien erhobenen Rekurs Folge und änderte sie mit der angefochtenen Entscheidung in eine Abweisung des Unterhaltsvorschußbegehrens ab. Es erklärte über Antrag der Minderjährigen gemäß § 14a Abs 1 AußStrG die Erhebung des ordentlichen Revisionsrekurses für zulässig. Die Minderjährige befinde sich bei einem nahen Familienangehörigen in Pflege und Erziehung und dieser beziehe Pflegegeld. Die Gewährung von Pflegegeld schließe die Zuerkennung von Unterhaltsvorschüssen gemäß § 2 Abs 2 Z 2 UVG aus. Bei Gewährung von Unterhaltsvorschüssen in einem solchen Fall käme es zu der vom Bundesgesetzgeber abgelehnten Möglichkeit der Überwälzung der den Ländern aufgebürdeten Lasten der Jugendwohlfahrt auf den Bund im Wege der Verwendung der Unterhaltsvorschüsse zum (teilweisen) Kostenersatz für das gewährte Pflegegeld.

Der gegen diese Entscheidung vom Unterhaltssachwalter der Minderjährigen erhobene Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 2 Abs 2 Z 2 UVG besteht ein Anspruch auf Unterhaltsvorschüsse nicht, wenn das Kind aufgrund einer Maßnahme der Sozialhilfe oder der vollen Erziehung nach dem öffentlichen Jugendwohlfahrtsrecht unter anderem in einer Pflegefamilie untergebracht ist. Nach den Materialien zum KindRÄG (RV 172 BlgNR 17. GP, 24) sollte die genannte Bestimmung mit der Neufassung bloß an die geänderte Terminologie des neuen Jugendwohlfahrtsrechts angepaßt werden, ohne damit auch eine wesentliche inhaltliche Änderung zu erfahren. Die Regelung des § 2 Abs 2 Z 2 UVG (alter und damit auch neuer Fassung) soll nach dem JAB zum Stammgesetz (199 BlgNR 14. GP, 5) sicherstellen, daß die Kosten der Unterbringung des Kindes in einem Heim oder bei Pflegeeltern nicht von den Trägern der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe, die diese Kosten nach der geltenden Rechtslage - zumindest vorerst - zu tragen haben, im Wege der Unterhaltsbevorschussung auf den Bund überwälzt werden (vgl EFSlg 69.396). Dem Argument, daß auf den der zitierten Vorentscheidung zugrundeliegende Sachverhalt § 28 NÖJWG, der eine zwingende Pflegegeldzuerkennung bei Unterbringung des Kindes bei Pflegeeltern vorsehe, anzuwenden gewesen sei, während nach dem hier anzuwendenden § 27 Abs 6 WrJWG es im Ermessen der zuständigen Behörde stehe, eine solche Leistung zuzuerkennen, kommt keine Bedeutung zu. Allein maßgeblich ist, daß tatsächlich ein Pflegegeld gewährt wird und sohin das Kind damit aufgrund einer offensichtlich rechtskräftigen Verwaltungsentscheidung einen entsprechenden Rechtsanspruch erworben hat (vgl Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht3, 584 f). Ist dies der Fall, so werden die Voraussetzungen des § 2 Abs 2 Z 2 UVG erfüllt. Der Frage, daß es im Ermessen des Landes Wien stand, nach § 27 Abs 6 WrJWG Pflegegeld zuzuerkennen oder nicht, kommt daher, wenn eine Zuerkennung rechtskräftig erfolgt ist, keine weitere Bedeutung im Sinne des § 2 Abs 2 Z 2 UVG zu. Damit löst sich auch die zweite von der Revisionsrekurswerberin aufgeworfene Frage, nämlich daß das Pflegegeld trotz der bestehenden subsidiären Unterhaltsverpflichtung der das Kind betreuenden mütterlichen Großmutter gewährt worden sei. Solange das Land Wien, gleich ob es bei seiner Entscheidung auf Zuerkennung des Pflegegeldes für das Kind überprüft hat oder nicht, inwieweit die subsidiäre Unterhaltsverpflichtung der mütterlichen Großmutter ins Kalkül miteinzubeziehen ist, seinen Hoheitsakt nicht einer Revision unterzieht, ist von einem aufrechten Pflegegeldbezug auszugehen.

Dem Rekurs des Sachwalters des mj Kindes war daher ein Erfolg zu versagen.

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