OGH 7Ob171/98t

OGH7Ob171/98t9.2.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich, Dr. Tittel, Dr. Huber und Hon. Prof. Dr. Danzl in der Pflegschaftssache des mj. Marcel A*****, vertreten durch Brigitta A*****, diese vertreten durch Dr. Christian Margreiter, Rechtsanwalt in Hall in Tirol, infolge deren Revisionsrekurses gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 10. März 1998, GZ 51 R 27/98i-7, womit infolge Rekurses der Brigitta A***** der Beschluß des Bezirksgerichtes Hall in Tirol vom 26. Jänner 1998, GZ 2 P 19/98h-3, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird eine neuerliche Entscheidung über den Antrag auf pflegschaftsgerichtliche Genehmigung der Unterhaltsvereinbarung aufgetragen.

Text

Begründung

Am 22. 1. 1998 gab Brigitta A***** vor dem Erstgericht zu Protokoll, sie sei die uneheliche Mutter des am 9. 10. 1995 geborenen Marcel A*****. Die Vaterschaft sei von dem türkischen Staatsbürger Embiya K*****, der in Hall in Tirol wohnhaft sei, anerkannt worden. Sie habe mit dem Vater eine Vereinbarung hinsichtlich der Unterhaltsleistung geschlossen, deren pflegschaftsgerichtliche Genehmigung sie beantrage. Hiebei legte sie die Kopie einer mit 15. 1. 1998 datierten schriftlichen "Vereinbarung" vor, die die lesbare Unterschrift der Brigitta A***** und eine weitere, nicht eindeutig entzifferbare Unterschrift trägt, die nach dem Inhalt der Urkunde von Embiya K***** stammen soll. Darin verpflichtete sich Embiya K***** zu monatlichen Unterhaltsleistungen von S 5.000,-- ab 1. 2. 1998 bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit des mj. Marcel. Weiters wurde festgehalten:

"Beide Vertragsteile stellen fest, daß es sich bei diesem vereinbarten Unterhalt um einen Mindestunterhalt handelt, der in jedem Fall zu zahlen ist. Eine Herabsetzung der Unterhaltsverpflichtung des Kindesvaters unter diesen Betrag kann vereinbarungsgemäß auch unter geänderten Verhältnissen nicht erfolgen. Bezüglich dieser Mindestgrenze wird daher die Klausel der geänderten Verhältnisse ausdrücklich ausgeschlossen.

Wie bereits festgestellt, handelt es sich bei diesem Betrag um einen Mindestunterhalt. Sofern sich auf Grundlage der gemäß der Rechtsprechung der österreichischen Gerichte zu Unterhaltsanspruch Minderjähriger höhere Unterhaltsbeträge errechnen, sind selbstverständlich auch seitens des Kindesvaters diesbezüglich höhere Beträge zu entrichten".

Das Erstgericht wies den Antrag auf pflegschaftsgerichtliche Genehmigung dieser Vereinbarung ab. Aufgrund der durchgeführten Sozialversicherungsanfrage ergebe sich, daß der Vater keiner angemeldeten Erwerbstätigkeit nachgehe. Es erscheine zweifelhaft, ob der Vater überhaupt in der Lage sei, den vereinbarten Unterhalt zu leisten. Der Betrag von S 5.000,-- monatlich entspreche etwa dem 2 1/2-Fachen des Durchschnittsbedarfes eines Kindes im Alter des mj. Marcel. Sollte der Betrag die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Vaters übersteigen und sollte der Vater über seine gesetzliche Unterhaltspflicht nicht entsprechend aufgeklärt gewesen sein, wäre die Vereinbarung möglicherweise sittenwidrig und anfechtbar. Weiters könnten überhöhte Beträge zu einer Gefährdung des Unterhaltes des Kindes führen, weil der Unterhalt beim Vater unter Umständen uneinbringlich werden könnte. Die Möglichkeit der Gewährung von Unterhaltsvorschüssen vermöge daran nichts zu ändern, weil es nicht der Zweck des Unterhaltsvorschußgesetzes sei, dem Kind im Verhältnis zur Leistungsfähigkeit des Vaters überhöhte Unterhaltszahlungen zu sichern.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte diesen Beschluß. Es sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die vorgelegte Vereinbarung lasse jede Angabe über die finanziellen Verhältnisse des Vaters vermissen. Im Hinblick auf die Sozialversicherungsanfrage sei der Verdacht nicht von der Hand zu weisen, daß der Vater möglicherweise derzeit über kein Einkommen verfüge. Das Erstgericht habe daher zu Recht ausgeführt, daß der Vergleich unter Umständen sittenwidrig sein könnte. Ein denkbarer Anknüpfungspunkt für eine Anfechtung wären auch mögliche Verständigungsschwierigkeiten. Eine Anfechtung wäre dem Kindeswohl jedenfalls abträglich. Dem Kindeswohl diene nur ein Vergleich, der die Möglichkeit der Anfechtung von vorneherein gar nicht aktuell werden lasse und zudem auch die künftigen Erhöhungsansprüche des Minderjährigen in geeigneter Form absichere. Die pflegeschaftsgerichtliche Genehmigung könne daher nur unter Zugrundelegung bestimmter konkreter Verhältnisse erfolgen. Die Genehmigung eines in dieser allgemeinen Form abgeschlossenen Vergleiches diene nicht dem Kindeswohl.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Mutter ist zulässig und im Sinn einer Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen berechtigt.

Es entspricht ständiger Rechtsprechung, daß die Eltern eines Kindes Vereinbarungen über dessen Unterhalt treffen können. Solche Unterhaltsvereinbarungen bedürfen zur Wirksamkeit dem Kind gegenüber der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung (5 Ob 529/89; 1 Ob 571/95 mwN). Diese pflegschaftsgerichtliche Genehmigung ändert den Inhalt des Vertrages nicht. Sie ergänzt nur die fehlende volle Verpflichtungsfähigkeit des Minderjährigen oder der für ihn handelnden Person. Der Pflegschaftsrichter ist bei genehmigungsbedürftigen Rechtsgeschäften nicht Partei und schließt weder statt des gesetzlichen Vertreters Verträge noch gibt er Zustimmungserklärungen ab. Er hat nur gewisse, bereits abgeschlossene Rechtsgeschäfte zu ihrer Wirksamkeit zu genehmigen. Das Genehmigungsverfahren ist ausschließlich im Interesse des Minderjährigen durchzuführen. Das Pflegschaftsgericht hat bei seiner Entscheidung über die Vertragsgenehmigung allein dessen Interessen zu berücksichtigen (EvBl 1972/244 ua). Der Vertragspartner des Minderjährigen, der schon naturgemäß nicht zur Wahrung der Interessen des Minderjährigen berufen ist, kann im Pflegschaftsverfahren weder die Genehmigung noch deren Versagung erwirken (1 Ob 602/92). Auf die Interessenlage des Vaters als Vertragspartner ist daher nicht Bedacht zu nehmen.

Selbst wenn sich der Vater zu einer Unterhaltsleistung verpflichtet, deren Höhe sowohl den nach statistischen Erfahrungswerten ermittelten Durchschnitts- bedarf eines Kindes der entsprechenden Altersgruppe als auch jene Prozentsätze des Einkommens des Vaters übersteigt, die von der Rechtsprechung als Richtwerte herangezogen werden, besteht noch kein Grund zur Versagung der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung.

Die Genehmigung von vorneherein als nichtig oder anfechtbar erkennbarer Geschäfte liegt jedoch weder im Interesse des anderen Vertragspartners noch insbesondere im Interesse des Minderjährigen, der dadurch der Gefahr von zu seinen Lasten zu führenden Rechtsstreitigkeiten ausgesetzt wird. Es widerspricht zudem der kontrollierenden Aufgabe des Pflegschaftsgerichtes, erkennbar rechtsmißbräuchliche oder gar strafgesetzwidrige Vorgangsweisen in Form eines pflegschaftsgerichtlichen Genehmigungsbeschlusses abzusegnen. Wäre demnach erkennbar, daß der gesetzliche Vertreter des Minderjährigen und der Unterhaltspflichtige die Unterhaltsvereinbarung nur zu dem Zweck schlossen, um die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen zu erreichen, ohne daß damit ernsthaft Unterhaltspflichten in der festgelegten Höhe begründet werden sollten, läge ein nichtiges Scheingeschäft vor (§ 916 ABGB). Für ein solches Geschäft könnte eine im Verhältnis zur Leistungsfähigkeit des Vaters weit überhöhte Unterhaltsverpflichtung sprechen.

Die Vorinstanzen haben offenbar wegen der hohen Unterhaltsbeträge weiters Bedenken, daß der Vater in einem Irrtum befangen gewesen sein könnte und vermuten sogar, daß die Mutter seine Unkenntnis der Gesetzeslage und (oder) seine Verständigungsschwierigkeiten ausgenützt haben könnte. In diesem Fall könnte die Vereinbarung je nach Sachverhalt gemäß §§ 871 f oder § 870 oder § 879 ABGB anfechtbar sein.

All diese Erwägungen der Vorinstanzen beruhen jedoch auf keiner nachvollziehbaren Grundlage. Die Tatsache, daß die Auskunft des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger dahin lautete, daß zu den angefragten Daten des Vaters keine Person gefunden worden sei, erhärtet für sich allein noch nicht die von den Vorinstanzen dargelegten Bedenken gegen die Rechtswirksamkeit des Vergleichsabschlusses. Der Vater könnte ohne weiteres im Ausland beschäftigt sein, über Privateinkünfte verfügen oder entsprechendes Vermögen besitzen.

Um sich hinsichtlich der von den Vorinstanzen aufgeworfenen Fragen Klarheit zu verschaffen, wären daher entsprechende Beweiserhebungen erforderlich gewesen. Die rechtliche Begründung der abweisenden Entscheidungen der Vorinstanzen entbehrt jeglicher diese rechtferigende Feststellungen. In diesem Zusammenhang ist auf § 2 Abs 2 Z 4 AußStrG zu verweisen, wonach das Gericht bei der Verwaltung der Gerichtsbarkeit außer Streitsachen darüber wachen soll, daß kein Rechtsgeschäft ohne Zuziehung derjenigen, deren Vernehmung oder Einwilligung zur Gültigkeit desselben notwendig ist, abgeschlossen werde.

Ob der Vater ohne Willensmangel der Unterhaltsvereinbarung zustimmte, wird am einfachsten durch dessen Einvernahme zu klären sein.

Dem Kindeswohl wird es auch dienlich sein, mit den Eltern zu erörtern, daß ihre Vereinbarung keinen Exekutionstitel im Sinn des § 1 EO darstellt, sodaß aufgrund dieser Vereinbarung allein weder eine Exekutionsführung noch eine Unterhaltsbevorschussung bewilligt werden könnte. Es wird daher im Sinne des Kindeswohles zweckmäßig sein, beide Elternteile vorzuladen und ihnen den Abschluß eines gerichtlichen Vergleiches oder allenfalls eines Vergleiches vor dem Jugendwohlfahrtsträger anzuraten, wobei in letzterem Fall keine pflegschaftsgerichtliche Genehmigung der Vereinbarung erforderlich wäre (§ 214 ABGB).

Abgesehen von den von den Vorinstanzen geäußerten Bedenken gegen den wahren Verpflichtungswillen des Vaters sind im übrigen Erhebungen über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Eltern, insbesondere des Vaters und der Lebensumstände des Kindes (Sonderbedarf ?) für die Entscheidung über die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung einer Unterhalts- vereinbarung grundsätzlich auch deshalb erforderlich, um nachprüfen zu können, ob der angebotene Unterhaltsbetrag nicht unter dem Bedarf des Kindes und der Leistungsfähigkeit des Vaters liegt. Hier wurde zwar ein erheblich höherer Betrag vereinbart als dem sogenannten Durchschnittsbedarf eines Kindes dieses Alters entspricht, doch ist ohne nähere Erhebungen auch nicht auszuschließen, daß der Vater außerordentlich vermögend ist. Die Erforschung der derzeitigen, für die Unterhaltsbemessung im Sinn des § 140 ABGB maßgebenden Umständen wird es auch in Zukunft erleichtern, die Unterhaltshöhe einem dem fortschreitenden Alter des Kindes entsprechenden steigenden Bedarf und allenfalls steigenden Einkommensverhältnissen des Vaters oder der Verringerung allfälliger Sorgepflichten anzupassen.

Da ohne die aufgezeigten Erhebungen eine abschließende Beurteilung der Frage, ob die getroffene Unterhaltsvereinbarung dem Wohl des Kindes entspricht, nicht möglich ist, war im Sinne einer Aufhebung der Vorinstanzen zu entscheiden.

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