OGH 12Os165/98

OGH12Os165/9821.1.1999

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. Jänner 1999 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler, Dr. E. Adamovic, Dr. Holzweber und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Gutschi als Schriftführer, in der Strafsache gegen Andrea V***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 2. Oktober 1998, GZ 30 d Vr 5992/98-79, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Generalanwältin Dr. Bierlein, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Longo sowie der Einvernehmensanwältin Dr. Walter zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Auf Grund des Wahrspruchs der Geschworenen wurde Andrea V***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er am 30. Juni 1998 in Wien im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit einem - mittlerweile ausgeforschten - Komplizen (§ 12 erster Fall StGB) durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) unter Verwendung einer Waffe Verfügungsberechtigten der Ö***** V***** AG fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung weggenommen, indem er in der Filiale in Wien 1, *****, einen Geldbetrag von 889.632 S an sich nahm, während sein Komplize die Angestellten mit einem Revolver bedrohte.

Die allein gestellte Hauptfrage nach schwerem Raub haben die Geschworenen einhellig bejaht.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Angeklagten gegen den Schuldspruch aus Z 6 und 8 des § 345 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht berechtigt.

Soweit die Beschwerde mit der Behauptung, das Beweisverfahren habe weder "eindeutig" ergeben, ob beim Raubüberfall überhaupt eine Waffe verwendet worden sei noch, ob es sich dabei um eine echte und funktionsfähige Schußwaffe gehandelt habe, die Aufnahme einer auf die Verwirklichung des Grundtatbestandes nach § 142 Abs 1 StGB gerichtete Eventualfrage in das Fragenschema reklamiert (Z 6), geht sie schon deshalb fehl, weil bloß strafsatzerhöhende Erschwerungsgründe niemals zur Stellung einer Eventualfrage berechtigten - diese setzt ein Tatsachensubstrat voraus, das die rechtliche Tatbeurteilung, die der Hauptfrage zugrundeliegt, ausschließt (Mayerhofer StPO4 § 314 E 15) -, sondern nach freiem Ermessen des Schwurgerichtshofs zum Gegenstand (uneigentlicher) Zusatzfragen (§ 316 StPO) zu machen oder - wie hier - in die Hauptfrage aufzunehmen sind (§ 317 Abs 2 StPO). Den Geschworenen stand in diesem Fall gemäß § 330 Abs 2 StPO die Möglichkeit einer einschränkenden Bejahung der Hauptfrage offen, worauf sie unter rechtsrichtiger Belehrung über den Waffenbegriff und die subjektiven Voraussetzungen der Qualifikationszurechnung beim Zusammenwirken von mehreren Tätern (S 10 f der schriftlichen Belehrung - Beilage zu ON 78/II) gesetzeskonform auch ausdrücklich hingewiesen wurden (S 12 der schriftlichen Rechtsbelehrung; Mayerhofer StPO4 § 316 E 8, 8a und 9; § 317 E 6b).

Mittäterschaft nach § 12 erster Fall StGB setzt die Verwirklichung des gesamten Tatbildes durch jede der beteiligten Personen nicht voraus; für die Annahme dieser Täterschaftsform genügt vielmehr bereits das gemeinsame Agieren mit einem anderen in irgendeiner Phase der Tatausführung, wenn auch in Form eines vorsätzlich arbeitsteiligen Zusammenwirkens (Leukauf-Steininger Komm3 § 12 RN 21; Kienapfel AT6 E 3 RN 10). Da der Angeklagte im Rahmen seiner zum Grundtatbestand des Raubes durchwegs geständigen Verantwortung (165 f/I, 259 f iVm 475/II) - im Einklang mit den Aussagen sämtlicher Tatzeugen (289 f/II) - die tatplangemäß durch qualifizierte Drohung seitens des Komplizen bewirkte Wegnahme des Geldes, sohin eine der im § 142 Abs 1 StGB umschriebenen Tathandlungen, ausdrücklich zugestanden hat, bleibt für die Annahme bloßer Beitragstäterschaft nach § 12 dritter Fall StGB kein Raum. Damit war aber eine von der Beschwerde auch insoweit geforderte Eventualfrage (Z 6) weder geboten, noch überhaupt zulässig (Mayerhofer aaO § 330 E 4c).

Da ein verurteilendes geschworenengerichtliches Urteil allein auf den Wahrspruch der Geschworenen zu stützen und die Aufnahme von Sachverhaltskonstatierungen in die Entscheidungsgründe unstatthaft ist (Foregger/Kodek StPO7 Anm I; Mayerhofer aaO E 1, je zu § 342), versagt auch der Einwand, die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Mittäterschaft am Raub sei unbegründet geblieben.

Die Instruktionsrüge (Z 8) ist gleichfalls nicht berechtigt. Denn der Angeklagte läßt einerseits mit der lapidaren Behauptung, die Rechtsbelehrung erörtere die "Frage der Anwendbarkeit des § 142 StGB nicht", prozeßordnungswidrig offen (§ 285a Z 2 StPO), inwieweit die ausdrücklich auch insoweit vorgenommene Unterweisung der Laienrichter (S 10 und 11 der schriftlichen Rechtsbelehrung) ergänzungsbedürftig sein sollte, und verkennt andererseits mit dem Einwand einer fehlenden Belehrung zur Beitragstäterschaft, daß sich die schriftliche Instruktion ausschließlich an dem durch die tatsächlich gestellten Fragen gesteckten Rahmen zu orientieren hat (§ 321 Abs 2 StPO).

Schließlich geht auch der Vorwurf einer Undeutlichkeit der Belehrung durch mangelnde Aufklärung der Laienrichter über "das Zusammenspiel der vom Schwurgerichtshof gestellten Fragen" ins Leere, weil den Geschworenen lediglich eine einzige Hauptfrage vorgelegt wurde.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Bei der Strafbemessung wertete das Geschworenengericht den hohen Schaden als erschwerend, den bisherigen ordentlichen Lebenwandel, das zu § 142 Abs 1 StGB abgelegte Geständnis des Angeklagten, welches durch die Bekanntgabe des Mittäters wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen hat, und die fast vollständige Schadensgutmachung durch weitgehende Sicherstellung der Raubbeute hingegen als mildernd.

Davon ausgehend verhängte es über Andrea V***** nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB unter gebührender Berücksichtigung seiner Kooperation mit den Sicherheitsbehörden bei der Aufklärung weiterer, angeblich von seinem Komplizen begangener Straftaten, aber auch der nach Lage des Falles im Vordergrund stehenden generalpräventiven Straferfordernisse eine Freiheitsstrafe von acht Jahren.

Gegen diesen Sanktionsausspruch wendet der Angeklagte in seiner auf die Verhängung der nach § 41 StGB in Betracht kommenden Mindeststrafe gerichteten Berufung eine Unvollständigkeit und eine falsche Gewichtung der Strafzumessungsgründe ein, ist damit aber nicht im Recht.

Durch die mildernde Berücksichtigung eines wesentlichen Beitrags zur Wahrheitsfindung der, wenn auch nur zu § 142 Abs 1 StGB geständigen, Verantwortung des Angeklagten wurde ihm der Milderungsgrund des § 34 Z 17 StGB durch die uneingeschränkte Bejahung einer seiner beiden gesetzlichen Alternativen ohnehin zur Gänze zugutegehalten (Leukauf/Steininger Komm3 § 34 RN 26).

Von der weiters behaupteten Tatbegehung aus Unbesonnenheit (§ 34 Z 7 StGB), somit auf Grund eines dem ruhigen Denken entzogenen augenblicklichen und nach dem Charakter des Angeklagten sonst unterdrückten Willensimpulses, kann bei einem eigens mit seinem Komplizen zur konkreten Tat nach Österreich angereisten Ausländer, der nach einer Mitteilung der italienischen Behörden seit geraumer Zeit dafür bekannt ist, einer kriminellen Vereinigung der Stadt Bologna anzugehören, die Raubüberfälle begeht und Suchtgifthandel betreibt (433/II), evidentermaßen nicht gesprochen werden.

Diese Aktivitäten des Angeklagten, welche nach eigenen Angaben bereits zu einer zwanzigtägigen Untersuchungshaft führten (165/I), rechtfertigt es ungeachtet einer fehlenden Vorstrafe auch nicht, dem Angeklagten einen ordentlichen Lebenswandel im Sinne des § 34 Z 2 StGB mildernd anzurechnen (Leukauf/Steininger aaO RN 6).

Dadurch wird der Umstand, daß Andrea V***** die Tat nach seiner Verantwortung unter der Einwirkung seiner Komplizen verübte (§ 34 Z 4 StGB), in negativer Hinsicht mehr als aufgewogen.

Abgesehen davon, daß auf der Basis der solcherart korrigierten Strafzumessungsgründe bei Bedachtnahme auf den beträchtlichen Unrechtsgehalt der Tat, deren gesellschaftlicher Störwert insbesondere auch angesichts des Verhaltens der Täter auf der Flucht - es erforderte einen (infolge der von den Flüchtenden auf die sie verfolgenden Sicherheitsorgane abgegebenen Schüsse - insbes. AS 9, 43, 45, 49, 139, 403, 419/Bd I; 65/II) teils lebensgefährlichen Einsatz von 453 Beamten (ON 2/I) - über vergleichbare Kriminalfälle bei weitem hinausgeht, ungeachtet des in der Bekanntgabe des Mittäters gelegenen wesentlichen Beitrags des Angeklagten zur Wahrheitsfindung von einem beträchtlichen Überwiegen der Milderungsgründe nicht gesprochen werden kann (Leukauf/Steininger aaO § 41 RN 5), mangelt es fallbezogen schon an der Primärvoraussetzung für die Anwendung des außerordentlichen Strafmilderung, weil diese als Ausnahmevorschrift auf die Verwirklichung eines - hier nicht einmal reklamierten - atypisch leichten Falles des betreffenden Deliktstypus beschränkt ist (Leukauf/Steininger aaO RN 4). Daß diese Voraussetzung bei der Verübung eines Bankraubes unter Verwendung einer Schußwaffe, zu dem sich der Angeklagte bedenkenlos bereitfand, obwohl er die besondere Gefährlichkeit seines Komplizen insbesondere auch in Richtung eines zu erwartenden rücksichtslosen Schußwaffengebrauchs genau kannte (§ 32 Abs 3 StGB), nicht zutrifft, bedarf keiner näheren Erörterung.

Eine außerordentliche Strafmilderung kommt aber auch unter dem Aspekt des § 41a StGB nicht in Betracht, weil die Schuld des Angeklagten unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalles so schwer wiegt, daß im Vergleich dazu die Bedeutung der geoffenbarten Tatsachen über seinen Komplizen in den Hintergrund tritt (§ 41a Abs 1 letzter Satz StGB).

Angesichts der eigenen Verantwortung des Angeklagten, deshalb Österreich als Ort seiner schwer kriminellen Betätigung gewählt zu haben, weil es "hier nicht solche Sicherheitsprobleme wie in Italien gebe, man sich wegen des Eingreifens der Polizei hier keine Sorgen machen müsse und das Geld hier hergeschenkt werde" (267/II), bedarf es im Sinne der erstgerichtlichen Sanktionsfindung tatsächlich entschiedener Signale der Strafjustiz, um potentiellen Täterkreisen welcher Herkunft auch immer den Anreiz zu weiteren Straftaten im Inland zu nehmen.

Insgesamt beruht die vom Geschworenengericht gefundene Sanktion somit auf einer ausgewogenen Gewichtung der hier für die Strafbemessung maßgeblichen Faktoren, sie trägt insbesondere auch der Zusammenarbeit des Angeklagten mit den Strafverfolgungsbehörden gebührend Rechnung, ohne die fallspezifisch bedeutsamen Belange der Generalprävention zu vernachlässigen.

Auch der Berufung mußte daher ein Erfolg versagt werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Stichworte