OGH 7Ob323/98w

OGH7Ob323/98w19.1.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich, Dr. Tittel, Dr. Huber und Hon-Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Christine H*****, vertreten durch Dr. Achim Maurer, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Antragsgegner Michael E*****, vertreten durch Dr. Paul Bauer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Aufteilung nach §§ 81 ff EheG, infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 16. September 1998, GZ 53 R 80/98y-25, womit infolge der Rekurse der Antragstellerin und des Antragsgegners der Beschluß des Bezirksgerichtes Telfs vom 10. Juli 1998, GZ 1 F 54/97k-19, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Beschluß des Rekursgerichtes, der hinsichtlich der Zuteilung des Alleineigentums an der Liegenschaft Grundbuch ***** W*****, der Wohnungseinrichtung, des Hausrates, der Lebensversicherungen und Bausparverträge, soweit sie auf den Namen der Antragstellerin lauten, als unangefochten unberührt bleibt, wird im übrigen, nämlich hinsichtlich der Entscheidung über die Ausgleichszahlung und der Zuteilung der Lebensversicherung und des Bausparvertrages, die auf den Namen des Antragsgegners lauten, aufgehoben. Die Rechtssache wird insoweit zur neuerlichen Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung an das Rekursgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens bleiben der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Begründung

Die am 10. 10. 1981 geschlossene Ehe der Streitteile wurde am 25. 4. 1997 aus dem beiderseitigen Verschulden geschieden. Aus der Ehe stammen die beiden minderjährigen Kinder Stephanie, geboren am 4. 4 1985, und Sophie, geboren am 1. 5. 1988. Die Obsorge betreffend die beiden Kinder kommt vereinbarungsgemäß der Antragstellerin zu.

Die Antragstellerin begehrte die Aufteilung des Ehevermögens nach §§ 81 ff EheG dahin, daß ihr der dem Antragsgegner gehörende Hälfteanteil an der Liegenschaft gegen Leistung einer Ausgleichszahlung von S 500.000 zugewiesen werde. Sie habe beträchtlich mehr finanzielle Aufwendungen für die Anschaffung und Renovierung des Hauses geleistet sowie den Unterhalt für die Familie bestritten und die Bausparverträge sowie die Lebensversicherungen finanziert.

Der Antragsgegner begehrte, ihm für die Überlassung seines Hälfteanteiles am Haus an die Antragstellerin eine Ausgleichszahlung von S 1,6 Mio oder ihm das Alleineigentum an der Liegenschaft gegen eine Ausgleichszahlung von S 675.000 zuzuerkennen. Er habe den Großteil der Barmittel aufgebracht und 4000 Arbeitsstunden in das Haus investiert. Zudem habe er die Kinder betreut.

Das Erstgericht stellte folgenden Sachverhalt fest:

Im Zeitpunkt der Eheschließung waren beide Streitteile vermögenslos. Die Antragstellerin arbeitete als Sonderschullehrerin und erzielte in den Jahren 1981 bis zur Geburt der älteren Tochter im Jahr 1985 ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von S 14.760. Nach einem einjährigen Karenzurlaub setzte sie ihre Berufstätigkeit fort und verdiente bis zur Geburt der jüngeren Tochter im Jahr 1988 S 17.288,32 im Monatsdurchschnitt einschließlich Familienbeihilfe. Nach einem weiteren Jahr Karenzurlaub bezog die Antragstellerin in den Jahren 1989 bis zum Auszug des Antragsgegners am 1. 7. 1996 ein monatliches durchschnittliches Nettoeinkommen von ca S 30.000 incl Familienbeihilfe. Sie verdiente daher im Zeitraum von 1981 bis 1996 etwa S 4,1 Mio netto incl Familienbeihilfe. Die Antragstellerin unterrichtete durchwegs vormittags, vereinzelt auch nachmittags. In der restlichen Zeit, insbesondere an den unterrichtsfreien Nachmittagen sowie an den Wochenenden und in den Ferien widmete sie sich auch der Kinderbetreuung und der Haushaltsführung.

Der Antragsgegner war im Zeitpunkt der Eheschließung halbtags im elterlichen Installationsunternehmen beschäftigt. 1983 und 1984 war er wiederum fallweise im elterlichen Betrieb tätig. In den Jahren 1985 und 1986 absolvierte er eine Tischlerlehre in I*****. Ab der zweiten Jahreshälfte 1987 bis 1996 war er erneut mit Unterbrechungen im elterlichen Betrieb angestellt. Während dieser Zeit besuchte er auch die Abendschule und legte nach 4 1/2 Jahren die Matura ab. Im Zeitraum vom Frühjahr 1992 bis Ende 1992 war er ohne Beschäftigung. Im Oktober 1983 begann er ein Studium am Mozarteum in Salzburg, das er nach fünf Semestern erfolgreich beendete. Während seiner Studienzeit fuhr der Antragsgegner durchschnittlich an zwei Tagen pro Woche nach Salzburg.

Der vom Antragsgegner im Zeitraum von 1981 bis einschließlich 1996 erzielte Verdienst betrug insgesamt S 1 Mio brutto oder ca S 700.000 netto. Während dieses Zeitraumes erhielt er weiters S 183.616 an Schmerzengeld infolge eines Unfalles, S 125.998 an Stipendien sowie S

137.771 an "Preisgeldern".

Der Antragsgegner übernahm während der Arbeitstätigkeit der Antragstellerin die Haushaltsführung und die Kinderbetreuung.

1983 übersiedelten die Streitteile nach W*****, wo sie zunächst ein Haus mieteten. Im Jahr 1985 erwarben sie je zur Hälfte die Liegenschaft EZ 368 Grundbuch W***** mit einem darauf errichteten Wohnhaus. Der Gesamtkaufpreis betrug S 1 Mio. Als weitere Entgeltleistung wurde vereinbart, daß der Verkäufer der Liegenschaft vom Installationsunternehmen des Vaters des Antragsgegners ein Bad im Wert von S 150.000 erhalten sollte.

Die Eltern des Antragsgegners schenkten beiden Streitteilen zur Begleichung des Kaufpreises S 500.000. Es kann nicht festgestellt werden, daß es sich bei dieser Schenkung um einen "vorweggenommenen Erbteil" des Antragsgegners handelte. Die Antragstellerin nahm einen Gehaltsvorschuß von S 80.000, ein Darlehen von S 120.000 sowie ein weiteres Darlehen beim Landeswohnbaufonds von S 97.200 auf. Gemeinsame Ersparnisse von S 160.000 dienten ebenso der Finanzierung wie weitere S 90.000, die der Antragsgegner von seinen Eltern als Ausstattung erhalten hatte. Weiters erwarben die Streitteile von den beiden Brüdern des Antragsgegners deren Bausparverträge um S 97.600. Gemeinsam mit einem weiteren Bausparvertrag des Antragsgegners, der eine angesparte Summe von S 50.000 aufwies, wurde ihnen insgesamt eine Bausparsumme von S 440.000 ausbezahlt.

Mit den genannten Geldmitteln wurde der Hauskauf sowie Sanierungs- und Adaptierungsarbeiten des Hauses finanziert, das sich beim Ankauf in einem desolaten Zustand befunden hatte. Die notwendigen Arbeiten wurden zum Teil durch professionelle Firmen, zum Teil auch durch den Antragsgegner und die Antragstellerin selbst durchgeführt.

Die Liegenschaft hat eine Gesamtfläche von 757 m2. Ihr Verkehrswert beträgt S 3,189.000. Weil das Gebäude diverse bauliche Mängel (Schimmelpilzbildung) aufweist, ist bei einem Hauswert von S 2,192.183 und einem Grundwert von S 1,351.245 ein Abschlag von 10 % des Gesamtwertes vorzunehmen. Das im Haus befindliche Inventar hat einen Gesamtwert von S 75.000. Die Liegenschaft ist mit einem im ersten Rang einverleibten Pfandrecht der G***** in Höhe von S 288.948 belastet. Im zweiten Rang ist für den T*****fonds ein Pfandrecht von S 135.000 einverleibt. Insgesamt haften S 344.000 unberichtigt aus.

Beide Streitteile schlossen während aufrechter Ehe Lebensversicherungen ab. Vor der Scheidung wurde der Antragstellerin ihre Lebensversicherung mit einer angesparten Summe von S 208.620 ausbezahlt. Die auf den Namen des Antragsgegners lautende Lebensversicherung mit einem Ansparbetrag von S 100.000 wurde von diesem vor der Scheidung übernommen.

Während aufrechter Ehe wurden weiters vier Bausparverträge, die jeweils auf den Namen der Antragstellerin, des Antragsgegners sowie der beiden Kinder lauteten, abgeschlossen. Die angesparten Summen betrugen S 23.191,18 je für die Kinder Sophie und Stephanie, S 23.181,73 für die Antragstellerin und S 22.413,22 für den Antragsgegner. Es kann nicht festgestellt werden, welchen Anteil die Streitteile zu den jeweils angesparten Summen beitrugen.

Der von der Antragstellerin vor ca drei Jahren erworbene PKW stellt keinen nennenswerten Vermögenswert dar.

Das Erstgericht wies das Alleineigentum an der Liegenschaft samt der Wohnungseinrichtung und dem Hausrat der Antragstellerin zu und verpflichtete diese zu einer Ausgleichszahlung von S 1,244.000. Es ordnete weiters an, daß die Lebensversicherungen und die Bausparverträge der Streitteile in deren jeweiligen Eigentum zu verbleiben hätten. Da die Antragstellerin den finanziell größeren Beitrag zum Erwerb und zum Ausbau des Hauses sowie zu den Kosten des täglichen Lebens geleistet habe und zudem in ihrer Freizeit die Haushaltsführung und Kinderbetreuung übernommen und bei den Verbesserungsarbeiten mitgearbeitet habe, sei eine Aufteilung des vorhandenen Vermögens im Verhältnis von ca 6 : 4 angemessen.

Das Gericht zweiter Instanz änderte diesen Beschluß dahin ab, daß es die von der Antragstellerin an den Antragsgegner zu leistende Ausgleichszahlung mit S 1,472.000 festsetzte, eine Leistungsfrist von drei Monaten anordnete und aussprach, daß die bücherliche Übertragung des Hälfteanteiles nur gegen Vorlage einer Quittung über die Bezahlung dieses Betrages erfolgen dürfe. Das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Es stellte "in Abänderung der bekämpften Feststellungen" des Erstgerichtes fest:

Der Antragsgegner hat im Laufe der Jahre auch immer wieder "Pfuscharbeiten" geleistet und das daraus resultierende Einkommen seiner Familie zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus hat er mehr Zeit und Arbeit in die Hausrenovierung investiert als die Antragsgegnerin.

Von diesen Feststellungen ausgehend spreche eine Aufteilung im Verhältnis von 1 : 1 der Billigkeit. Das Heiratsgut falle grundsätzlich in die Aufteilungsmasse und sei nicht vorweg dem Antragsgegner zuzuweisen. Ausgehend vom vorhandenen Gesamtwert von S 3,280.000 stünden daher dem Antragsgegner rechnerisch S 1,595.000 zu. Darin sei auch die Lebensversicherung des Antragsgegners sowie dessen Bausparvertrag enthalten, die ihm ins Eigentum zu überweisen seien. Die verbleibende Ausgleichszahlung errechne sich daher gerundet mit S 1,472.000.

Der dagegen erhobene außerordentliche Rekurs der Antragstellerin ist zulässig und im Sinn einer Aufhebung der Entscheidung des Rekursgerichtes im angefochtenen Umfang berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der vom verstärkten Senat in der Entscheidung SZ 66/164 festgeschriebene Grundsatz, daß das Gericht zweiter Instanz auch in Verfahren, in denen der Grundsatz der Unmittelbarkeit nicht gilt, die vom Erstgericht unmittelbar aufgenommenen Beweise nicht umwürdigen darf, gilt auch im Außerstreitverfahren. Will das Gericht zweiter Instanz von den aufgrund unmittelbar aufgenommener Beweise getroffenen Feststellungen des Erstgerichtes abgehen oder ergänzende Tatsachenfeststellungen treffen, muß es in einer - auch im Außerstreitverfahren möglichen - mündlichen Rekursverhandlung die Beweisaufnahme wiederholen oder ergänzen (SZ 69/74; 1 Ob 2391/96s). Im vorliegenden Fall gründen sich die Feststellungen des Erstgerichtes über die Einkommen der Streitteile und über die finanziellen und sonstigen Beiträge beider Ehegatten zur Anschaffung und zum Ausbau des gemeinsamen Hauses sowie zum Zustandekommen der ehelichen Ersparnisse primär auf die vom Erstgericht selbst durchgeführte ausführliche Einvernahme der beiden Streitteile. In einem solchen Fall muß das Gericht zweiter Instanz eine gleichwertige unmittelbare Beweisaufnahme - schon zufolge des Prinzipes eines "fair trial" (Art 6 EMRK) - im Sinne eines beiderseitigen rechtlichen Gehörs durchführen, somit eine mündliche Rekursverhandlung durch den Rekurssenat anberaumen. Denn eine aufgrund persönlichen Eindruckes gewonnene Beweiswürdigung kann nur durch eine auf demselben Weg erzielte Beweiswürdigung überprüft und als unrichtig erkannt werden (1 Ob 2391/96s).

Vor Klärung der Frage, ob der Antragsgegner zusätzlich zu den vom Erstgericht festgestellten Mitteln auch Einnahmen aus "Pfuscherarbeiten" in den Ausbau des Hauses investierte und für die Haushaltsführung zur Verfügung stellte und ob seine Arbeitsleistungen bei den Baumaßnahmen jene der Antragsgegnerin überstiegen, ist eine abschließende Entscheidung über die Höhe der Ausgleichszahlung und die Aufteilung der ehelichen Ersparnisse nicht möglich.

Da der Umfang der beiderseitigen Beitragsleistungen der Streitteile zur Schaffung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse infolge des aufgezeigten Verfahrensfehlers des Rekursgerichtes noch nicht feststeht, war der Beschluß des Rekursgerichtes aufzuheben. Im weiteren Verfahren wird zu beachten sein, daß zu diesem Fragenkomplex auch die Beitragsleistung in Form von Kreditrückzahlungen nach dem Auszug des Antragsgegners aus dem gemeinsamen Haushalt gehört. Ab diesem Zeitpunkt ist wohl nicht mehr anzunehmen, daß der Antragsgegner durch Haushaltsführung und Kinderbetreuung oder Zurverfügungstellung eines Einkommens zur Wertschöpfung beitrug. Da die bisherigen Feststellungen der Vorinstanzen über die wechselweisen Beitragsleistungen nur bis zur Auflösung des gemeinsamen Haushaltes reichen, liegt insoweit ein sekundärer Feststellungsmangel vor, als unklar ist, wer in welchem Umfang die im Zusammenhang mit der Anschaffung und dem Ausbau des Hauses stehenden Schulden in weiterer Folge zurückzahlte und bis auf den beiderseits behaupteten Stand von S 344.000 reduzierte. Auch der diesbezügliche finanzielle Aufwand wird bei der Frage der billigen Aufteilung des Vermögens zu berücksichtigen sein (vgl 3 Ob 513/86; 6 Ob 552/88). In der Behauptung der Antragstellerin in ihrem Rekurs, sie habe ab der Aufhebung der Haushaltsgemeinschaft die Schulden alleine getilgt, wurde vom Rekursgericht zu Unrecht eine unzulässige Neuerung erblickt, findet dieses Vorbringen doch in den erstinstanzlichen Behauptungen über die von der Antragstellerin geleisteten Kreditrückzahlungen, die sich offenbar auf den Zeitraum bis März 1997 beziehen, Deckung.

Vor Klärung der aufgezeigten Tatfragen wäre es verfrüht, auf die übrigen Rechtsmittelausführungen, die insgesamt Billigkeitserwägungen betreffen, einzugehen.

Eine abschließende Kostenentscheidung, die dem Gebot der Billigkeit im Sinn des § 234 AußStrG entspricht, wird erst anläßlich der abschließenden Entscheidung in der Sache zu treffen sein.

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