OGH 11Os157/98

OGH11Os157/9818.1.1999

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Jänner 1999 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Schmucker, Dr. Habl und Dr. Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Holy als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Igor G***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Bandendiebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1, 130 zweiter, dritter und vierter Fall StGB als Beteiligter nach § 12 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Igor G***** sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 28. Juli 1998, GZ 7c Vr 2932/97-96, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der ukrainische Staatsangehörige Igor G***** des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Bandendiebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1, 130 zweiter, dritter und vierter Fall StGB als Beteiligter nach § 12 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er in Wien und anderen Orten die abgesondert verfolgten und bereits rechtskräftig verurteilten Miroslaw K***** und Michal K***** und den noch auszuforschenden Daniel J*****, die gewerbsmäßig und als Mitglieder einer Bande unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitgliedes fremde bewegliche Sachen in einem 500.000 S übersteigenden Wert, nämlich PKWs der Marke Mercedes, in den im Spruch unter A 1 bis 3 und B 1 bis 10 beschriebenen Fällen jeweils durch Einbruch gestohlen haben, zur Ausführung dieser strafbaren Handlungen bestimmt, in dem er sie zur Tatbegehung aufforderte, die Umstände der Realisierung mit ihnen besprach, für die organisatorische Abwicklung sorgte und ihnen $ 500 pro Auto bezahlte, wobei er beabsichtigte, sich durch die wiederkehrende Begehung von Einbruchsdiebstählen mit einem jeweils 25.000 S übersteigenden Schaden eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.

Gegen diesen Schuldspruch richtet sich die auf die Gründe der Z 4, 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der auch den Strafausspruch mit Berufung anficht.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Beschwerdeführer beantragte Psychiatrierung des Zeugen K*****, in deren Ablehnung er den relevierten Verfahrensmangel (Z 4) erblickt, hätte, zumal die gerichtsärztliche Untersuchung eines Zeugen auf seinen Gesundheitszustand in der Strafprozeßordnung ausdrücklich überhaupt nicht vorgesehen ist, nur dann in Betracht gezogen werden können, wenn objektive Momente seine Fähigkeit, Wahrnehmungen zu machen und diese gedächtnisgetreu wiederzugeben, in Frage stellten. Solche Zweifel müssen ganz erheblich sein und somit ihrem Gewicht und ihrer Art nach den in § 11 StGB erfaßten Geistesstörungen gleichkommen (vgl Mayerhofer StPO4 § 150 E 43 ff, 52). Die Behauptung des Zeugen in der Hauptverhandlung, in welcher er seine ursprünglichen Depositionen unter Berufung auf angebliche Erinnerungslücken abschwächte, aufgrund einer psychiatrischen Behandlung unter Gedächtnisstörungen zu leiden, war im Hinblick auf seine den Angeklagten belastenden, detaillierten Angaben im Vorverfahren, in dessen Verlauf er auch nicht verhehlte, große Angst zu haben, nicht geeignet, solche objektiven Zweifelsgründe darzustellen, weshalb der ohnedies nur auf einen Erkundungsbeweis hinauslaufende Antrag mit Recht der Ablehnung verfiel.

Der in der Mängelrüge (Z 5) zunächst unternommene Versuch, aus der Zitierung eines einzigen, aus dem Zusammenhang gelösten Satzes eine Undeutlichkeit iSd relevierten Nichtigkeitsgrundes nachzuweisen, schlägt fehl. Undeutlich ist der Ausspruch des Gerichtes über eine entscheidende Tatsache dann, wenn aus den Feststellungen des Urteils nicht zu erkennen ist, welche Handlung der Angeklagte nach Ansicht des Gerichtes vorgenommen und mit welchem Vorsatz er sie gesetzt hat. Vorliegend ist den Konstatierungen, betrachtet man sie im Kontext mit der im Spruch angeführten Tatbeschreibung, unmißverständlich zu entnehmen, welche Annahmen tatsächlicher Art zur objektiven und subjektiven Tatseite das Schöffengericht als erwiesen angesehen und welche Verfahrensergebnisse es hiezu herangezogen hat. Die vom Beschwerdeführer herausgegriffene Urteilspassage, wonach er gemeinsam mit Daniel J***** die beiden rechtskräftig Verurteilten über die Umstände der Tatausführung genau informierte, steht im unmittelbaren Zusammenhang mit der Feststellung, K***** und K***** hätten in den ihnen unterbreiteten Vorschlag, auf leichte Art Geld zu verdienen, indem sie in Wien gestohlene PKWs der Marke Mercedes über die grüne Grenze nach Tschechien zu bringen hätten, eingewilligt (US 6), wobei sie in der Folge bei den einzelnen von J***** ausgeführten Diebstählen Aufpasserdienste leisteten (US 7). Diese Feststellungen, aus denen sich die Bestimmung der abgesondert Verurteilten K***** und K***** jedenfalls zu einem Tatbeitrag ergibt, welche durch die Diebstahlsausführung strafbar wurde (und damit der Bestimmung zu einer Tatausführung rechtlich gleichwertig ist), läßt der Beschwerdeführer unbeachtet und bringt insoweit den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzesgemäßen Darstellung.

Auf die unter demselben Nichtigkeitsgrund reklamierte Aktenwidrigkeit, die sich auf die Übergabe der ins Ausland verbrachten Fahrzeuge bezieht, war schon deshalb nicht näher einzugehen, weil dieser Umstand keine für die Schuldfrage entscheidende Tatsache betrifft. Im übrigen aber sind Entscheidungsgründe nur dann aktenwidrig, wenn sie den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder eines anderen Beweismittels in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergeben.

Diesen nur aus einem Vergleich eines Beweisergebnisses mit dessen Zitat im Urteil zu führenden Nachweis der unrichtigen Wiedergabe vermag der Beschwerdeführer nicht zu erbringen, übersieht er doch, daß K***** und K***** bei der am 15. Jänner 1998 durchgeführten Gegenüberstellung mit dem Angeklagten diesen als jenen "Igor" identifizierten, der sie mit dem Transport der in Österreich zu stehlenden Fahrzeuge nach Tschechien beauftragte und ihnen bei der Übergabe der PKWs $ 500 pro Fahrzeug bezahlte (S 349, 351, 353, 355, 359/II iVm ON 5: S 59/I). Die reklamierte Aktenwidrigkeit haftet dem Urteil daher nicht an.

Der Sache nach eine Unvollständigkeit der Urteilsbegründung (Z 5) und nicht eine Aktenwidrigkeit behauptet der Beschwerdeführer, soweit er eine Erörterung der vor der Gendarmerie am 5. Dezember 1996 protokollierten Aussage des Miroslaw K***** vermißt, wonach diesem und K***** im Lokal Pizzahut in Katovice von zwei unbekannten Männern im Anschluß an die Frage, ob sie leicht Geld verdienen wollten, nur mitgeteilt worden sei, daß sie mit dem Zug nach Österreich fahren sollten, wo sie vom Bahnhof abgeholt würden und anschließend ein gestohlenes Auto in Richtung Grenze bringen sollten. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß dieser Zeuge am 15. Jänner 1998 vor der Kriminalabteilung des Landesgendarmeriekommandos für Niederösterreich - als Verdächtiger vernommen - seine Erstangaben, ohne sie zu widerrufen oder abzuschwächen, lediglich dahin präzisierte, zum Diebstahl von Kraftfahrzeugen angestiftet worden zu sein, und einen ukrainischen Staatsangehörigen mit Vornamen Igor als Anstifter nannte, welchem er anläßlich einer Gegenüberstellung als den Beschwerdeführer identifizierte (S 353 ff/II).

Daß der Zeuge nicht bereits bei seiner ersten Vernehmung - damals noch als Tatverdächtiger - detaillierte Angaben machte, bedurfte keiner näheren Erörterung.

Mit dem Umstand aber, daß er - wie auch K***** - in der Hauptverhandlung seine frühere, den Angeklagten belastende Aussage als unrichtig und niemals abgelegt bezeichnete und behauptete, ihn nicht zu kennen, haben sich die Tatrichter im Rahmen der Beweiswürdigung eingehend auseinandergesetzt.

Der Beschwerdeführer verkennt zudem das Wesen des Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs 1 Z 5 StPO, wenn er, wie dies in seinen Ausführungen zum Ausdruck kommt, einen Begründungsmangel schon dann für gegeben erachtet, wenn im Urteil nicht sämtliche Verfahrensergebnisse unter schlechthin allen denkbaren Gesichtspunkten untersucht werden und das Gericht bei der Würdigung von Aussagen oder sonstigen Beweisergebnissen nicht von vornherein auf alle vom Beschwerdeführer nachträglich vorgebrachten Einwendungen eingeht, ist doch die schriftliche Urteilsbegründung nach dem Gesetz - § 270 Abs 2 Z 5 StPO - (nur) in gedrängter Darstellung abzufassen.

Unter diesem Aspekt war das Erstgericht auch nicht verhalten, sich mit der Personenbeschreibung auseinanderzusetzen, welche Miroslaw K***** bei seiner Vernehmung vom 13. Jänner 1997 (S 147/I letzter Absatz) von einem Polen, den er neben "Igor" und K***** im Lokal Pizzahut in Katovice kennenlernte und den er mit "Chef" oder "Chauffeur" ansprach, angegeben hat. Dies war auch deshalb nicht erforderlich, weil das Schöffengericht keineswegs diese Beschreibung auf den Angeklagten bezog (US 8), sondern jene, welche der Zeuge (S 147/I dritter Absatz) - und damit übereinstimmend auch K***** (S 59/I) - von "Igor" angegeben haben.

Welcher Ausspruch des Gerichtes (über eine entscheidende Tatsache) durch die aus dem Bericht des Landesgendarmeriekommandos für Niederösterreich vom 5. Dezember 1996 hervorgehenden zwei Fahrten des "Igor" von Polen nach Tschechien betroffen sein sollte, läßt sich dem Beschwerdevorbringen nicht entnehmen, sodaß die vom Beschwerdeführer im Übergehen dieses Beweisergebnisses erblickte Unvollständigkeit einer sachlichen Erörterung entzogen ist.

Der im Rahmen der Mängelrüge erhobene Vorwurf offenbar unzureichender Begründung der Feststellung, wonach der Angeklagte Chef der Organisation gewesen sei und K***** und K***** kannte, geht schon deshalb ins Leere, weil dieser Umstand keine entscheidende Tatsache betrifft. Davon abgesehen stützte das Erstgericht diese Annahme nicht allein darauf, daß der Beschwerdeführer aufgrund der bei K***** in dessen Handy gespeicherten Telephonnummern einer Iwona S***** ausgeforscht wurde, sondern in erster Linie auf andere Beweisergebnisse (US 10), wobei auch K***** und K***** die führende Stellung des Angeklagten ausdrücklich bestätigten (S 355/II, 351/II).

Die Rechtsrüge (Z 10), mit welcher der Beschwerdeführer zunächst die Annahme der Wertqualifikation nach § 128 Abs 2 StGB als rechtswidrig bekämpft, blieb insoweit völlig unbegründet und läßt in diesem Umfang schon deshalb eine prozeßordnungsgemäße Ausführung vermissen.

Wenn im weiteren die Bestimmungstäterschaft des Angeklagten verneint und hiezu auf - noch dazu aus dem Zusammenhang gelöste, die Mitwirkung des Angeklagten gar nicht tangierende - Beweisergebnisse verwiesen wird, orientiert sich die Beschwerde nicht am Urteilssachverhalt und wird demgemäß ebenfalls nicht zur gesetzesgemäßen Darstellung gebracht.

Der unter dem Aspekt eines Feststellungsmangels auf eine Beurteilung als Hehlerei nach § 164 StGB abzielende Einwand, die Angaben K***** und K***** (laut Bericht vom 5. Dezember 1996 und in den Protokollen vom 15. Jänner 1998) hätten die Feststellung indiziert, daß die Vortaten bereits abgeschlossen und demzufolge nur (eine Bestimmung zur) Hehlerei in Betracht komme, vergleicht abermals nicht den Urteilssachverhalt mit dem darauf angewendeten Gesetz. Der Angeklagte übergeht vielmehr, daß darnach er K***** und K***** bereits vor der Ausführung der PKW-Diebstähle zum anschließenden Transport der gestohlenen Fahrzeuge bestimmt hatte, womit aber - abgesehen davon, daß nach den Urteilsfeststellungen über Veranlassung des Angeklagten auch Aufpasserdienste geleistet wurden - auch die Unterstützung erst nach Abschluß der Vortat nicht als Hehlerei, sondern ausschließlich als Beteiligung am Diebstahl (iSd § 12 dritter Fall StGB) zu qualifizieren ist (vgl Leukauf/Steininger Komm3 § 164 RN 88).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt, teils als unbegründet schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Wien zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung ist in § 390a StPO begründet.

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