OGH 9ObA303/98v

OGH9ObA303/98v23.12.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Spenling sowie durch die fachkundigen Laienrichter MR Mag. Gerhard Puschner und Mag. Karl Dirschmied als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Silke Z*****, Angestellte, *****, vertreten durch Mag. Christoph Aumayr, Rechtsanwalt in Mauerkirchen, wider die beklagte Partei K***** und K***** B***** KG, *****, vertreten durch Saxinger, Baumann & Partner, Rechtsanwälte in Linz, wegen S 58.929,33 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 1. September 1998, GZ 12 Ra 173/98t-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis als Arbeits- und Sozialgericht vom 28. April 1998, GZ 14 Cga 160/97m-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.871,04 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 811,84 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war seit 1. 10. 1996 bei der beklagten Partei als Handelsangestellte beschäftigt. am 2. 4. 1997 wurde ihr das Kündigungsschreiben überreicht und mitgeteilt, daß sie für die Dauer der Kündigungsfrist dienstfrei gestellt ist. Am 9. 4. 1997 teilte ihr der Gynäkologe erstmals mit, daß sie im zweiten Monat schwanger sei. Am 11. 4. 1997 teilte der Vater der Klägerin deren Schwangerschaft dem Vorgesetzten telefonisch mit. Über die Übersendung einer Schwangerschaftsbestätigung wurde nicht gesprochen. Erstmals mit Schreiben vom 11. 7. 1997 machte die Klägerin unter Hinweis auf ihre Schwangerschaft die Unwirksamkeit der Kündigung geltend und übersandte der beklagten Partei eine Schwangerschaftsbestätigung. Es kann nicht festgestellt werden, daß die Klägerin ein ärztliches Schwangerschaftszeugnis vor diesem Zeitpunkt der beklagten Partei übermittelt hat.

Die Klägerin begehrt mit der Behauptung der Rechtsunwirksamkeit der Kündigung vom 2. 4. 1997 das fortlaufende Monatsentgelt bis zum Eintritt des Beschäftigungsverbotes am 2. 10. 1997. Sie behauptete, was nicht als erwiesen angenommen wurde, daß sie der Geschäftsleitung der Beklagten bereits am 10. 4. 1997 telefonisch die Schwangerschaft mitgeteilt und die Schwangerschaftsbestätigung übersandt hätte.

Die beklagte Partei beantragte mit dem Hinweis, daß der erforderliche ärztliche Nachweis der Schwangerschaft erst am 11. 7. 1997 erbracht worden sei, die Abweisung des Klagebegehrens.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab.

Der nachträgliche Einwand der Schwangerschaft im Sinne des § 10 Abs 2 zweiter Fall MSchG habe unmittelbar nach Wegfall des Hinderungsgrundes zu erfolgen. Dabei sei nicht nur die Mitteilung der Schwangerschaft vorzunehmen, sondern auch der Nachweis durch ein ärztliches Zeugnis zu erbringen. Die Klägerin habe durch die verspätete Übersendung der Schwangerschaftsbestätigung ihren besonderen Kündigungsschutz verloren.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei nicht Folge.

Es vertrat die Rechtsauffassung, daß die Klägerin Montag bis Freitag sowie jeden zweiten Samstag zu arbeiten hatte, so daß die Mitteilung der Schwangerschaft am 11. 4. 1997 erst nach Ablauf der Fünftagefrist erfolgt sei. Ein Kündigungsschutz gemäß § 10 Abs 2 erster Fall MSchG scheide daher aus. Lehre und Rechtsprechung hätten die Frage unterschiedlich beantwortet, ob bei nachträglicher Mitteilung der Schwangerschaft nach Ablauf der Fünftagefrist die rechtzeitige Mitteilung der Schwangerschaft nach Wegfall des Hindernisses an den Dienstgeber ausreiche oder der Kündigungsschutz darüber hinaus auch den fristgerechten ärztlichen Nachweis der Schwangerschaft voraussetze. Das Berufungsgericht schloß sich der Entscheidung Arb

10.895 = DRdA 1991/33 [Petrovic]) an, wonach der Kündigungsschutz nach § 10 Abs 2 zweiter Fall MSchG auch einen rechtzeitig erfolgten Nachweis der Schwangerschaft erfordert. Solange keine ärztliche Feststellung der Schwangerschaft vorliege, bestehe lediglich eine mehr oder minder wahrscheinliche Vermutung der Schwangerschaft. Die Tatsache der Schwangerschaft hätte durch eine ärztliche Bestätigung unmittelbar nach Wegfall des Hindernisses nicht nur mitgeteilt, sondern auch nachgewiesen werden müssen. Die erst drei Monate später erfolgte Übersendung der Bestätigung sei verspätet, so daß kein Kündigungsschutz bestehe.

Gegen diese Entscheidung der zweiten Instanz richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache und dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer vollinhaltlichen Klagestattgebung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei stellt den Antrag, der Revision der Klägerin nicht Folge zu geben.

Die Revision ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit der Kündigung hier nach § 10 Abs 2 zweiter Fall MSchG zu beurteilen ist. Kann die Dienstnehmerin aus Gründen, die nicht von ihr zu vertreten sind, dem Dienstgeber die Schwangerschaft nicht innerhalb der Fünftagefrist bekanntgeben, so ist die Bekanntgabe rechtzeitig, wenn sie unmittelbar nach Wegfall des Hinderungsgrundes nachgeholt wird. Nach einer vereinzelt gebliebenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (4 Ob 114/83) ist der Kündigungsschutz nicht von der gleichzeitigen Vorlage einer schriftlichen Schwangerschaftsbestätigung abhängig. Da es sich um eine bloße Ordnungsvorschrift handle, genüge auch die spätere Erbringung des Nachweises. Diese Meinung wird auch von einem Teil des Schrifttums vertreten (Floretta/Spielbüchler/Strasser, Arbeitsrecht I4 398; Mayer-Maly/Marhold, Österreichisches Arbeitsrecht I 184; Binder, Probleme des arbeitsvertraglichen Bestandschutzes im Falle der Mutterschaft ZAS 1978, 83 f; eingeschränkt Weißenberg/Martinek MSchG5,6 Anm 17 zu § 10).

In der zu DRdA 1991/33 veröffentlichten Entscheidung (mit Anmerkung von Petrovic) wurde ausgesprochen, daß die Einwendung der Schwangerschaft in gleicher Weise Bedingung für die Rechtsunwirksamkeit der bereits ausgesprochenen Kündigung ist, wie der Nachweis des Zustandes der Dienstnehmerin durch ein ärztliches Zeugnis (vgl auch Barfuß, Zur Auslegung des § 10 Abs 2 MSchG, ZAS 1966, 129 f; Grillberger, Mutterschutzrechtliche Mitteilungs- und Nachweispflichten der Arbeitnehmerin in FS Strasser (1983), 240 f; Knöfler MSchG12 189; Eichinger, Die Frau im Arbeitsrecht 175).

Der Zweck der fristgebundenen bzw nach Wegfall des Hinderungsgrundes unmittelbar zu erfolgenden Bekanntgabe der Schwangerschaft ist, den Eingriff des § 10 Abs 2 MSchG in die Dispositionsmöglichkeit des Arbeitgebers durch die andauernde Aufrechterhaltung des Schwebezustandes hinsichtlich der Wirksamkeit der Kündigung nicht in unzumutbarer Weise aufrechtzuerhalten (DRdA 1991/33 [Petrovic]). Die Bekanntgabe der Schwangerschaft als eine von der Arbeitnehmerin zu beweisende Tatsache umfaßt auch die Verpflichtung, diese nachzuweisen. Dies ergibt sich aus § 10 Abs 2 MSchG, wonach die Einwendung der Schwangerschaft innerhalb der Fünftagesfrist allein nicht ausreicht, sondern gleichzeitig die Schwangerschaft durch eine Bestätigung des Arztes nachzuweisen ist. Die Bekanntgabe der Schwangerschaft besteht daher aus zwei Schritten, deren kumulative Erfüllung ein Erfordernis für den Eintritt des Kündigungsschutzes nach § 10 Abs 2 MSchG ist. Das bedeutet aber nicht, daß der Kündigungsschutz nur dann gewahrt ist, wenn beide Schritte gleichzeitig gesetzt werden.

Die Frist zur Einwendung der Schwangerschaft ist nämlich verlängert, wenn die Arbeitnehmerin aus Gründen, die von ihr nicht zu vertreten sind, dem Dienstgeber die Schwangerschaft nicht innerhalb der Fünftagesfrist bekanntgeben kann. Die Mitteilung ist dann rechtzeitig, wenn die Bekanntgabe unmittelbar nach Wegfall des Hinderungsgrundes nachgeholt wird. An der Bekanntgabe der Schwangerschaft, die insgesamt aus zwei Schritten besteht, ist die Arbeitnehmerin nicht nur dann gehindert, wenn sie die Schwangerschaft nicht rechtzeitig einwenden kann, sondern auch, wenn sie den Nachweis nicht rechtzeitig bzw unmittelbar erbringen kann (Grillberger aaO 252).

Daher gilt auch im letzteren Fall, daß die bereits nach Wegfall des Hindernisses der Unkenntnis rechtzeitig angezeigte Schwangerschaft auch als rechtzeitig bekanntgegeben gilt, wenn nach Wegfall des unverschuldeten Hindernisses an der gleichzeitigen Vorlage der ärztlichen Bestätigung über die Schwangerschaft dieser Nachweis unmittelbar erbracht wird (Barfuß aaO 131; Eichinger aaO 176; Petrovic aaO 303; Grillberger aaO 252).

Daraus folgt, daß der Nachweis der Schwangerschaft durch die Klägerin mit Schreiben vom 11. 7. 1997 durch Nachbringung der ärztlichen Bestätigung nicht rechtzeitig erfolgte. Daß sie in der Zeit vom 11. 4. 1997 bis 11. 7. 1997 durch ein unverschuldetes Hindernis verhindert gewesen wäre, den Nachweis zu erbringen, hat sie als die hiefür behauptungs- und beweispflichtige Partei nicht nachgewiesen. Sie hat nämlich nur behauptet, die ärztliche Bestätigung dem Dienstgeber auch am 11. 4. 1997 übermittelt zu haben. Diese Behauptung konnte sie nicht beweisen. Mangels nachgewiesener Rechtfertigungsgründe dafür, daß auch die Vorlage der ärztlichen Bestätigung über die Schwangerschaft am 11. 7. 1997 unmittelbar nach Wegfall eines unverschuldeten Hindernisses erfolgt sei, ist die drei Monate nach Einwendung der Schwangerschaft erfolgte Nachweisung derselben verspätet, so daß die Vorinstanzen zu Recht von der Nichterfüllung der Voraussetzungen des Eintrittes des Kündigungsschutzes nach § 10 Abs 2 MSchG ausgegangen sind.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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