OGH 14Os171/98

OGH14Os171/9815.12.1998

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Dezember 1998 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Schmidt als Schriftführer, in der Strafsache gegen Adalbert K***** wegen des Vergehens des Ungehorsams nach § 12 Abs 1 Z 2 MilStG, AZ 11 E Vr 2.753/98 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz, über die Grundrechtsbeschwerde des Genannten gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz vom 22. Oktober 1998, AZ 11 Bs 237, 250/98 (= ON 18), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Adalbert K***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Mit (nicht rechtskräftigem) Urteil vom 6. November 1998 (ON 21) wurde Adalbert K***** des Vergehens des Ungehorsams nach § 12 Abs 1 Z 2 MilStG schuldig erkannt und zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zweieinhalb Monaten verurteilt.

Das Erstgericht ging davon aus, daß Adalbert K***** der Religionsgemeinschaft der "Zeugen Jehovas" angehört, die es ihren Mitgliedern nicht erlaubt, Militärdienst zu leisten, er anläßlich seiner Stellung im Juni 1994 auf die Möglichkeit aufmerksam gemacht wurde, binnen einem Monat die Zivildiensterklärung abzugeben und die Zivildienstleistung statt Militärdienst den Zeugen Jehovas seit 1996 erlaubt ist.

Adalbert K***** gab erst nach Zustellung des Einberufungsbefehls für den Einberufungstermin 28. September 1998 eine Zivildiensterklärung ab, die im Mai 1998 vom Bundesministerium für Inneres (als verspätet) zurückgewiesen wurde.

Am 29. September 1998 befolgte der Genannte den wiederholten Befehl seines militärischen Vorgesetzten Hauptmann Karl-Heinz K*****, die Waffe, Ausrüstungsgegenstände und Bekleidung auszufassen, nicht und verharrte (jeweils) trotz Abmahnung im Ungehorsam.

Wegen dieser Befehlsverweigerung verhängte der Untersuchungsrichter am 1. Oktober 1998 über Adalbert K***** die Untersuchungshaft aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 3 lit b StPO. Nach seiner Erklärung, die Ausrüstungsgegenstände doch in Empfang nehmen zu wollen, wurde er am 2. Oktober 1998 enthaftet.

Am 5. Oktober 1998 weigerte er sich abermals beharrlich, die Ausrüstung auszufassen, weshalb er am 7. Oktober 1998 neuerlich in Untersuchungshaft genommen wurde.

Den gegen die Haftbeschlüsse des Untersuchungsrichters erhobenen Beschwerden des Beschuldigten, in denen er sich nur gegen den Haftgrund und die Verhältnismäßigkeit der Untersuchungshaft wendete, eine Notstandssituation jedoch nicht behauptete (ON 12 und 17), gab das Oberlandesgericht mit der angefochtenen Entscheidung nicht Folge, wobei es ferner aussprach, daß durch die Beschlüsse das Gesetz nicht verletzt wurde.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobenen Grundrechtsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Soweit der Beschwerdeführer entschuldigenden Notstand bei seiner "Gewissensenscheidung" für sich reklamiert, bekämpft er den in seinen Beschwerden jeweils unangefochten gelassenen dringenden Tatverdacht (Mayerhofer StPO4 § 180 E 8ae) - mangels Erschöpfung des Instanzenzuges (§ 1 Abs 1 GRBG) - unzulässigerweise (13 Os 4, 9/98, 15 Os 105/98).

Die Befolgung des - nicht nach § 17 MilStG unbeachtlichen - Befehls, die Waffe auszufassen, war zudem in der Lage des Täters von einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen zu erwarten (§ 10 Abs 1 StGB), womit die Problematik des § 10 Abs 2 erster Satz StGB dahinstehen kann.

Auch die Einwände gegen den Haftgrund gehen fehl.

Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 3 lit b StPO setzt voraus, daß auf Grund bestimmten Tatsachen die Gefahr besteht, der Beschuldigte werde auf freiem Fuß ungeachtet des gegen ihn geführten Strafverfahrens eine strafbare Handlung mit nicht bloß leichten Folgen begehen, die gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet ist wie die ihm angelastete strafbare Handlung, wenn er entweder wegen einer solchen strafbaren Handlung bereits verurteilt worden ist oder wenn ihm nunmehr wiederholte oder fortgesetzte Handlungen angelastet werden.

Im Blick auf die schon in der Strafdrohung zum Ungehorsam zum Ausdruck kommende, keineswegs zu vernachlässigende Gefährdung der militärischen Ordnung durch (wiederholte) Verweigerung des Befehls, Waffe und Ausrüstung auszufassen, ist der Haftgrund nach § 180 Abs 2 Z 3 lit b StPO rechtsrichtig bejaht worden.

Der Behauptung, es könne von schweren Tatfolgen nicht gesprochen werden, genügt es zu erwidern, daß das Oberlandesgericht - in Übereinstimmung mit Z 3 lit b des § 180 StPO - ohnedies von Prognosetaten mit nicht bloß leichten Folgen ausging (S 159).

Dem Einwand, die Untersuchungshaft wegen Tatbegehungsgefahr käme einer Beugehaft gleich, ist entgegenzuhalten, daß dem in Rede stehenden Haftgrund stets auch präventive Erwägungen zugrunde liegen und der Gesetzgeber nicht darauf verzichten wollte, der - konkret vorhersehbaren - Gefahr der Begehung weiterer strafbarer Handlungen mit nicht bloß leichten Folgen schon vor der Verurteilung des mutmaßlichen Täters durch Haftverhängung entgegenzuwirken, gleichgültig, ob es um die Verhinderung weiteren kriminellen Tuns oder aber strafbaren passiven Verhaltens eines mutmaßlichen Täters geht (EvBl 1989/134).

Von der Unangemessenheit der Untersuchungshaft kann bei Berücksichtigung einerseits des - auch in der Sanktion des § 12 Abs 1 MilStG (Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren) zum Ausdruck kommenden - nicht unerheblichen sozialen Störwertes der inkriminierten Weigerungen des Beschwerdeführers, der von der Möglichkeit, fristgerecht Zivildienstleistung statt des Militärdienstes zu beantragen, nicht Gebrauch machte, und andererseits der insgesamt 20-tägigen Haftdauer im - allein maßgeblichen - Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung, keine Rede sein.

Adalbert K***** wurde somit im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, weshalb seine Beschwerde ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen war.

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