OGH 11Os137/98

OGH11Os137/9815.12.1998

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Dezember 1998 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Schmucker, Dr. Habl und Dr. Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Holy als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Hugo Johann S***** wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2 SMG und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Hugo Johann S***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 19. Februar 1998, GZ 8 Vr 3504/97-7, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben und teils demgemäß, teils gemäß § 290 Abs 1 StPO das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2 SMG (Punkt A des Urteilssatzes) sowie demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache an das Erstgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Ihm fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Nach dem für das Rechtsmittelverfahren relevanten Teil des Schuldspruches wurde Hugo Johann S***** des Verbrechens nach § 28 Abs 2 SMG (A des Urteilssatzes) schuldig erkannt.

Darnach hat er den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge, deren Weitergabe geeignet wäre, in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben und die Gesundheit von Menschen entstehen zu lassen,

1) im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit Markus I*****, Thomas Sch***** und Gilbert T***** als unmittelbarer Täter aus- bzw eingeführt, und zwar dadurch, daß er vom Sommer 1997 bis 22. November 1997 mit seinem PKW in zumindest drei Angriffen insgesamt ca 31 Gramm Heroin und 20 Gramm Kokain von Bratislava/Slowakei über die Grenzübergänge Kittsee bzw über Ungarn über den Grenzübergang Schachendorf nach Österreich, nämlich in den Raum Voitsberg, aus- bzw eingeschmuggelt hat und

2) vom Sommer 1994 bis 23. November 1997 in Voitsberg und anderen Orten in zahlreichen Angriffen insgesamt ca 1,1 Kilogramm Haschisch, 1 Kilogramm Marihuana sowie insgesamt nicht näher bekannte Mengen an Heroin, Kokain, Ecstasy und Speed in Verkehr gesetzt, indem er die genannten Suchtmittel an Gerald T*****, Jürgen T*****, Alois G*****, Markus I*****, Robert B***** sowie an weitere Personen teils veräußerte und teils unentgeltlich zum Konsum zur Verfügung stellte.

Rechtliche Beurteilung

Nur den zu A 1 ergangenen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Gründe der Z 5, 5a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der auch Berechtigung zukommt.

Mit seinen Einwendungen zur Mängelrüge (Z 5) reklamiert der Beschwerdeführer, der Sache nach einen Feststellungsmangel iSd § 281 Abs 1 Z 10 StPO relevierend, unzureichende Konstatierungen zur großen Menge. Darin ist ihm beizupflichten, läßt doch die das Faktum A 1 betreffende Urteilsannahme einer aus drei Angriffen stammenden Gesamtmenge von 31 Gramm Heroin und 20 Gramm Kokain mangels näherer Feststellungen über die Beschaffenheit dieser Suchtmittel und die darin enthaltene Reinsubstanz schon deshalb einen sicheren Schluß auf die vom Erstgericht angenommene große (Gesamt-)Menge nicht zu. Denn angesichts des relativ geringen Bruttogewichtes des verfahrensverfangenen Suchtgiftes und im Hinblick auf den notorisch häufigen Vertrieb "gestreckten" Suchtgifts sind Konstatierungen über den Reinheitsgehalt zur Beurteilung des Vorliegens einer "großen Menge" - deren Untergrenze nach § 28 Abs 6 SMG iVm § 1 der Suchtgift-Grenzmengenverordnung/Anhang I bei Heroin mit 5 Gramm und bei Kokain mit 15 Gramm Reinsubstanz festgesetzt wurde - unerläßlich. Dies umso mehr, als der übliche Reinheitsgehalt von Heroin und Kokain, jeweils in Straßenqualität, nach forensischer Erfahrung 10 bis 25 % bzw 40 bis 50 % beträgt und eine Zusammenrechnung von Einzelmengen aus verschiedenen Tathandlungen nur unter Annahme eines - vorliegend nicht festgestellten - Vorsatzes des Täters auf eine Tatbildverwirklichung in Teilmengen und damit auf den an die bewußt kontinuierliche Tatbegehung geknüpften Additionseffekt möglich ist (vgl Foregger/Litzka/Matzka SMG § 28 Erl IV.3).

Angesichts der aufgezeigten Feststellungsmängel und der zum Faktum A 1 konstatierten Mehrheit von Angriffen bestehen daher in der Tat realistische Zweifel an der Überschreitung der für die Verwirklichung des - qualifizierenden - Tatbildes des § 28 Abs 2 SMG relevanten Grenzmenge, welche auch durch die Einbeziehung der im Faktum A 2 angeführten Suchtmittel nicht ausgeräumt werden. Die darnach vom Angeklagten (zusätzlich) zu verantwortende Inverkehrsetzung von ca 1,1 Kilogramm Haschisch und 1 Kilogramm Marihuana sowie insgesamt nicht näher bekannter Mengen an Heroin, Kokain, Ecstasy und Speed erfolgte in "zahlreichen Angriffen", ohne daß auch hier ein auf einen Fortsetzungszusammenhang schließender Vorsatz festgestellt oder nähere Konstatierungen zum Reinheitsgehalt dieser Suchtmittel getroffen worden wären.

Insoweit ist daher auch der Schuldspruch zum Faktum A 2 mit Feststellungsmängeln iSd § 281 Abs 1 Z 10 StPO behaftet, welche, weil sie vom Beschwerdeführer nicht explizit geltend gemacht worden sind, von amtswegen wahrzunehmen waren (§ 290 Abs 1 StPO).

Der Nichtigkeitsbeschwerde war daher Folge zu geben und wie im Spruch zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung ist in § 390a StPO begründet.

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