OGH 4Ob274/98t

OGH4Ob274/98t15.12.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Erich H*****, wider die beklagten Parteien 1) P-***** AG, ***** 2) Ö***** AG, ***** 3) Ing. Hans K*****, 4) PA***** AG, ***** 5) Sidonie K*****, 6) Alfred R*****, und 7) Fachverband *****, alle vertreten durch Dr. Helmut Kellner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 25. Juni 1998, GZ 39 R 146/98d-15, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 4. November 1997, GZ 20 C 194/97y-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien haben die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagten Parteien sind zu folgenden Anteilen Miteigentümer des Hauses Wien 1, *****ring ***** (= G*****gasse *****):

Erstbeklagte zu 11/100 = 33/300

Zweitbeklagte zu 1/10 = 30/300

Drittbeklagter zu 1/20 = 15/300

Viertbeklagte zu 1/20 = 15/300

Fünftbeklagte zu 106/300

Sechstbeklagter zu 53/300

Siebentbeklagte zu 16/100 = 48/300.

Der Kläger ist Mieter des Objektes top 6a in diesem Haus.

Der Kläger kündigte mit der gegen "RA Dr. Helmut Kellner als Vertreter der Hauseigentümer *****ring *****, 1010 Wien" beim Erstgericht (nach Verbesserung durch Nennung der sieben beklagten Hauseigentümer am 25. 7. 1997) eingebrachten gerichtlichen Aufkündigung der Gegenseite die im Haus...... gelegene, gegen dreimonatliche Kündigung gemietete Wohnung top Nr 6a zum 31. 10. 1997 auf und beantragte, der Gegenseite aufzutragen, den Mietgegenstand binnen 14 Tagen nach diesem Termin zu übernehmen oder gegen die Aufkündigung Einwendungen zu erheben. Als Kündigungsgrund führte er aus, eine gedeihliche Zusammenarbeit mit dem Hausverwalter sei nicht zu erwarten; dieser habe eine frühere einvernehmliche Räumung der Wohnung abgelehnt und bestehe auf gerichtlicher Kündigung.

Die Zustellung der Aufkündigung erfolgte am 28. 7. 1997 an Rechtsanwalt Dr. Helmut Kellner.

Die Beklagten erhoben, alle vertreten durch Dr. Helmut Kellner, gegen diese Aufkündigung fristgerecht Einwendungen und führten darin aus, sie würden die lediglich an Dr. Kellner zugestellte Aufkündigung nicht anerkennen: Das Mietobjekt stehe im Eigentum von sieben Miteigentümern, Dr. Kellner habe im Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung bloß über Verwaltervollmacht der Zweit-, der Fünft- und der Sechstbeklagten, nicht jedoch über eine solche der übrigen Beklagten verfügt und überdies keine Einzelermächtigung zur Entgegennahme der Aufkündigung gehabt. Zur Wirksamkeit der Aufkündigung hätte es einer rechtzeitigen Zustellung an alle sieben Miteigentümer bedurft.

Das Erstgericht erklärte die Aufkündigung für rechtswirksam und trug den Beklagten die Übernahme des Bestandobjektes auf. Es stellte fest, daß der Beklagtenvertreter im Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung Verwaltervollmacht der Erst- (gemeint wohl:

Zweitbeklagten, siehe das unbestrittene Vorbringen und die dazu korrespondierende Summe der betroffenen Anteile) und Fünft- sowie des Sechstbeklagten, welche über insgesamt 189/300 Anteile und daher über die Mehrheit verfügten, gehabt habe. Darüber hinaus habe er allerdings keine Einzelermächtigungen der beklagten Parteien zur Entgegennahme von Aufkündigungen besessen.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus:

Aus §§ 833 und 1029 ABGB folge, daß die Kündigung und auch die Empfangnahme einer Mieterkündigung eine Maßnahme der ordentlichen Verwaltung sei und damit materiellrechtlich dem bestellten Verwalter der Liegenschaft obliege. Die Auswahl und letztlich die Bestellung des gemeinsamen Verwalters sei auch bei den Miteigentümern eine Maßnahme der ordentlichen Verwaltung. Die Mehrheit habe Dr. Kellner zum Verwalter bestellt, er sei daher als bestellter Verwalter zur Empfangnahme der Kündigung materiellrechtlich berechtigt. Zwischen einer nur für ein bestimmtes Verfahren erteilten Prozeßvollmacht und der einem Nichtanwalt als Vertreter erteilbaren materiellrechtlich zur beurteilenden Vollmacht bestehe ein Unterschied. Im vorliegenden Fall, in welchem der bestellte Hausverwalter zugleich Rechtsanwalt sei, sei für die Rechtswirksamkeit der vorliegenden Aufkündigung die ihm erteilte Hausverwaltervollmacht maßgeblich. Eine Beschränkung dieser Vollmacht hätte - bei sonstiger Unwirksamkeit der Beschränkung - allen Mietern, welchen die Tätigkeit des Hausverwalters bekannt gewesen sei, vorher zur Kenntnis gebracht werden müssen (§ 1029 zweiter Satz ABGB). Ein derartiges Vorbringen sei von den beklagten Parteien nicht erstattet worden. Eine über die Hausverwaltervollmacht hinausgehende Einzelermächtigung zur Entgegennahme der Aufkündigung sei nicht erforderlich gewesen. Die Aufkündigung sei somit rechtzeitig und wirksam zugestellt worden.

Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Der Verwalter des gemeinschaftlichen Gutes sei Machthaber aller Miteigentümer (§ 837 ABGB). Er habe alle Rechte und Pflichten eines Machthabers im Sinn der §§ 1002 f ABGB. Seine Befugnisse umfaßten alles, was in die ordentliche Verwaltung der gemeinsamen Sache falle, wie der Abschluß von Bestandverträgen mit Dritten unter gewöhnlichen Bedingungen und die Kündigung von Verträgen. Daher falle auch die Empfangnahme einer vom Mieter ausgegangenen Kündigung in den Rahmen der ordentlichen Verwaltung. Da der Beklagtenvertreter im Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung Verwaltervollmachten von drei Miteigentümern, die zusammen die Mehrheit bildeten, gehabt habe, sei der Nachweis seiner Verwaltervollmacht auch für die Minderheitseigentümer erbracht. Aufgrund der dem Beklagtenvertreter erteilten Hausverwaltervollmacht sei die Empfangnahme der Aufkündigung auch für alle Miteigentümer wirksam. Entgegen der Meinung der beklagten Parteien komme es nicht darauf an, ob den "sachenrechtlichen Eigentümern" des Bestandgegenstandes die Aufkündigung zugestellt worden sei, weil diese wirksam einen von der Mehrheit bestellten Hausverwalter hätten und die Entgegennahme von Kündigungen eine Maßnahme der ordentlichen Verwaltung bilde. Ob der Hausverwalter nach Zustellung der Aufkündigung auch befugt sei, in einem gerichtlichen Verfahren zu vertreten, sei von der Wirksamkeit der Entgegennahme der Aufkündigung für alle Miteigentümer zu unterscheiden. Ein derartiges Problem stelle sich im vorliegenden Fall aber nicht, weil der von der Mehrheit bestellte Hausverwalter ein gleichzeitig für alle gekündigten Parteien einschreitender Rechtsanwalt sei.

Die gegen die zweitinstanzliche Entscheidung erhobene außerordentliche Revision der beklagten Parteien ist zwar - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes - zulässig, weil den Standpunkt der Vorinstanzen deckende Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehlt; sie ist indessen nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Daß die Bestellung des Beklagtenvertreters zum "Hausverwalter" des verfahrensbetroffenen Bestandobjektes durch die Anteilsmehrheit etwa unwirksam (erfolgt) sei, wird im gesamten Verfahren nicht behauptet.

Es ist daher im folgenden davon auszugehen, daß der

Beklagtenvertreter im Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung als

Hausverwalter der Eigentümergemeinschaft, also aller Beklagten,

bestellt war. Allein der Umfang dieser Vollmacht ist für die hier zu

entscheidende Frage, ob die Entgegennahme einer Mieterkündigung zum

Kreis der ordentlichen Verwaltung zu zählen ist, entscheidend. Auf

eine dem Beklagtenvertreter als Hausverwalter erteilte

Prozeßvollmacht oder deren (allerdings dann wohl gegen § 31 Abs 1 ZPO

verstoßende) Einschränkung kommt es dabei schon allein deshalb nicht

an, weil hier - wie das Berufungsgericht zutreffend ausführte - dem

Beklagtenvertreter ohnedies von allen Beklagten Prozeßvollmacht

erteilt wurde.

Der Vollmachtsumfang eines Hausverwalters ist gemäß § 1029 ABGB zu bestimmen. Die aus der anvertrauten Verwaltung folgende Verwaltungsvollmacht deckt demnach jedes Vertreterhandeln, das die Verwaltung erfordert und das mit ihr gewöhnlich verbunden ist (für viele: WoBl 1991/124; Strasser in Rummel2 Rz 9 zu §§ 1027 - 1033 mwN; Apathy in Schwimann2 Rz 1 ff, insb 5 und 6 zu § 1029). Der Verwalter des gemeinschaftlichen Gutes ist, gleichgültig, ob ihn (nur) die Mehrheit bestellt hat, Machthaber aller Miteigentümer, also auch der überstimmten Minderheit. Er hat die Interessen aller Teilhaber und nicht etwa nur die der Mehrheit, die ihn bestellt hat, wahrzunehmen (Gamerith in Rummel2 Rz 1 zu § 837 mwN). Er hat alle Rechte und Pflichten eines Machthabers im Sinne der §§ 1002 ff ABGB, seine Befugnisse umfassen alles, was zur ordentlichen Verwaltung der gemeinsamen Sache gehört. Dazu zählen im Rahmen der normalen Hausverwaltungsvollmacht unter anderem der Abschluß von Mietverträgen mit üblichen Bedingungen, deren Abänderung im gleichen Maß sowie auch die Kündigung von Mietverträgen (siehe die Rechtsprechungshinweise bei Apathy aaO Rz 5). Nach Auffassung des erkennenden Senates begegnet es aber keinen Bedenken, zu diesen Agenden eines Hausverwalters auch die Mitwirkung an der von einem Mieter ausgehenden Beendigung eines (allenfalls allein mit dem Hausverwalter als Vertreter der Eigentümerseite abgeschlossenen) Mietvertrages zu zählen, sohin auch die Empfangnahme der gerichtlichen Aufkündigung des Mietvertrages namens der Miteigentümergemeinschaft. Damit wird nicht nur die "Waffengleichheit" der Parteien des Mietvertrages im Kündigungsverfahren bzw im Zusammenhang mit der Aufhebung des Mietvertrages hergestellt, sondern auch der Wertungswiderspruch verhindert, daß zwar die Miteigentümer nach der bisher herrschenden Rechtsauffassung "durch" den Verwalter aufkündigen, jedoch nicht aufgekündigt werden können. Da mit der Entgegennahme der Aufkündigung gesetzliche Fristen (Einhaltung der Kündigungsfrist) verbunden sind, trägt diese Auffassung zur sicheren und vereinfachten Rechtsdurchsetzung bei, ohne daß damit eine Beeinträchtigung der Rechte der Miteigentümer einträte, die nicht auch mit einer vom Hausverwalter selbst erklärten und durchgesetzten Aufkündigung eines Mietvertrages verbunden wäre. Zutreffend hat schon das Erstgericht ausgeführt, daß eine Beschränkung der Hausverwaltervollmacht (im Zusammenhang mit der Entgegennahme von gerichtlichen Aufkündigungen) von den Vollmachtgebern (der Miteigentümergemeinschaft) jedenfalls nur dann den Mietern entgegengehalten werden könnte, wenn sie diesen (etwa bei Vertragsabschluß oder auf andere Weise) rechtzeitig bekannt gemacht worden wäre.

Soweit diese Entscheidung mit der Begründung der Entscheidung des 10. Senates vom 22. 10. 1996, 10 Ob 2387/96v, (wonach die in § 37 Abs 3 Z 7 MRG eingeräumte Zustellbefugnis [an den Liegenschaftsverwalter] nur im außerstreitigen Verfahren, nicht aber darüber hinaus - generell - in allen das MRG betreffenden Rechtsstreitigkeiten schlechthin zur Anwendung kommen kann) im Widerspruch steht, kann der genannten Entscheidung zumindest insoweit nicht gefolgt werden, als die Entgegennahme einer gerichtlichen Mieterkündigung als (dem Abschluß des Mietvertrages spiegelgleiche) ordentliche Verwaltungsmaßnahme im Sinne der obigen Darlegungen anzusehen ist. Für die Auffassung, daß die Entgegennahme einer Aufkündigung als empfangsbedürftige Willenserklärung - anders als etwa die in der Rechtsprechung anerkannte Entgegennahme der Anzeige des Übergangs der Mietrechte nach § 12 MRG - nicht Gegenstand der ordentlichen Verwaltungstätigkeit sein könnte, bringen die Beklagten keine stichhaltigen Argumente vor.

Die übrigen in der Revision für deren Standpunkt zitierten Entscheidungen befassen sich mit dem - hier nicht interessierenden - Umfang einer vollen oder eingeschränkten Prozeßvollmacht.

Aus den dargelegten Erwägungen bleibt die Revision erfolglos.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50, 40 ZPO.

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