OGH 9ObA316/98f

OGH9ObA316/98f9.12.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Hans Lahner und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Univ. Prof. Dr. Siegfried M*****, Facharzt, *****, vertreten durch Dr. Johannes Patzak, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. W***** P*****klinik Betriebs-GesmbH & Co KG, *****, vertreten durch Dorda, Brugger & Jordis, Rechtsanwälte in Wien, und

2. N***** W***** P*****-Klinik GesmbH, *****, vertreten durch Dr. Amhof und Dr. Damian Partnerschaft, Rechtsanwälte in Wien, wegen Art XLII Abs 3 EGZPO, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 6. August 1998, GZ 7 Ra 247/98i-37, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluß des Arbeits- und Sozialgerichtes vom 18. März 1998, GZ 28 Cga 329/94w-34, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluß dahin abgeändert, daß die Entscheidungen der Vorinstanzen zu lauten haben:

"Der Antrag der beklagten Parteien, das von der klagenden Partei in der Tagsatzung vom 18. 3. 1998 erstattete Vorbringen als unzulässige Klageänderung nicht zuzulassen, wird abgewiesen.

Die beklagten Parteien sind schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.542,52 (darin S 316,92 USt) bestimmten Kosten des Rekurses binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen."

Die beklagten Parteien sind schuldig, der klagenden Partei die mit S 6.695,04 (darin S 1.115,84 USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger erhob zunächst das Klagebegehren, die beklagten Parteien für schuldig zu erkennen, ihm darüber Rechnung zu legen, welchen sogenannten betriebswirtschaftlichen Gewinn die beklagten Parteien ab dem Wirtschaftsjahr 1988 erzielt haben, wobei dieser Gewinn wie folgt zu ermitteln sei: Gewinn laut Gewinn- und Verlustabrechnung zuzüglich Ertragssteuern, zuzüglich in Anspruch genommener Investitionsbegünstigungen (wie vorzeitige AfA, IFB, Rücklage für nicht entnommenen Gewinn, Übertragung stiller Reserven), zuzüglich allfälliger Zuführungen in steuerfreie Rücklagen, zuzüglich des Saldos aus der Differenz zwischen Zinsaufwand und Zinsertrag, zuzüglich Gewinn des stillen Gesellschafters (soferne auf das Betriebsergebnis von Einfluß gewesen), zuzüglich der Tantieme für die Geschäftsführung, zuzüglich eines außerordentlichen Aufwandes, abzüglich eines außerordentlichen Ertrages; bei dieser Gewinnermittlung bleiben Eingänge/Zahlungen (Forderungen/Verbindlichkeiten) außer Betracht, welche für Kontroll-, Beratungs-, Vorschuß- und/oder Marketing-Leistungen von/an Beteiligte(n), insbesondere etwa vom/an den Konzern der Paracelsus-Klinik geleistet (eingehen) würden. Begründet wurde das Begehren damit, daß der Kläger als ärztlicher Leiter der von der Erstbeklagten betriebenen Krankenanstalt neben einem Fixbezug den Anspruch auf eine jährliche Tantieme von 5 % des Betriebsergebnisses habe, welches, wie aus dem Begehren ersichtlich, zu ermitteln sei. Die Erstbeklagte, deren Komplementärin die Zweitbeklagte sei, verweigere dem Kläger die Bucheinsicht, weshalb sie zur Rechnungslegung im Sinne des Art XLII EGZPO verpflichtet sei.

Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens. Abgesehen davon, daß sich die Erstbeklagte zunächst mit Recht geweigert habe, einer vom Kläger bestellten dritten Person Einsicht zu gewähren, habe sie dies in der Folge dennoch getan. Der Kläger sei somit klaglos gestellt.

In der Tagsatzung vom 2. 5. 1995 brachte der Kläger vor, daß einem von ihm beauftragten Steuerberater nunmehr Einsicht in die Bücher der beklagten Partei gewährt worden sei, somit das Klagebegehren erfüllt sei, weshalb auf Kosten eingeschränkt werde. Zwischen den Parteien sei jedoch auch bedungen worden, daß bestimmte Stücke des "Rechenwertes" der beklagten Partei zur Einsicht bereit gehalten würden, wie aus der gleichzeitig vorgelegten Beilage ./B hervorgehend. Der Kläger dehnte daher das Klagebegehren dahin aus, daß "der klagenden Partei oder einem bestellten Bevollmächtigten Einsicht- und Abschriftnahme in die bzw von den in Beilage ./B genannten Schriften und Belegen gewährt werde, wobei Beilage ./B ein integrierender Bestandteil dieses Klagebegehrens sei".

Der Beklagtenvertreter bestritt dieses Vorbringen (AS 61). Im Anschluß daran schlossen die Parteien einen Vergleich des Inhalts, wonach "sich die beklagte Partei verpflichtet, der klagenden Partei Prozeßkosten in Höhe von S 22.194,-- (darin enthalten S 3.200,-- USt und S 2.994,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen nach Rechtswirksamkeit des Vergleichs zu zahlen, für den Fall der Rechtswirksamkeit Ruhen des Verfahrens eintritt und die beklagten Parteien auf den Einwand der Verjährung zum 31. 12. 1995 wegen nichtgehöriger Fortsetzung verzichten". Dieser Vergleich sollte rechtswirksam werden, wenn er nicht bis zum 31. 5. 1996 (Einlangen) widerrufen werde. Ein solcher Widerruf erfolgte nicht. Über Antrag des Klägers wurde das ruhende Verfahren fortgesetzt. In der Tagsatzung vom 18. 3. 1998 (AS 95) erklärte der Kläger, das Urteilsbegehren folgendermaßen zu formulieren: "Die beklagte Partei ist schuldig, die Bucheinsicht durch den Kläger bzw einen von ihm Bevollmächtigten in Bücher, Schriften und Belege der Erstbeklagten zu dulden, wie diese insbesondere in Beilage ./B aufgezählt sind. Der Klagevertreter verwies darauf, daß Beilage ./B diese Bücher, Schriften und Belege auch in Ansehung der Zeiträume spezifiziere", weiters ist im Protokoll festgehalten, daß der Kläger den Zeitraum "90 bis 94, wie in Beilage ./B angeführt", spezifizierte. Die Beklagten sprachen sich gegen dieses Urteilsbegehren aus, da es zu ungenau sei, die Bücher, Schriften und Belege genau angeführt sein müßten und das Urteilsbegehren unschlüssig sei; außerdem erhoben sie einen Verjährungseinwand. Die Beklagten sprachen sich überdies gegen die Klageänderung aus, da das ursprüngliche Begehren klaglos gestellt worden und daher eine Klageänderung nicht mehr zulässig sei. Der Kläger hielt dem entgegen, daß sich die beklagten Parteien bereits in der Tagsatzung vom 2. 5. 1996 auf eine Klageänderung dadurch eingelassen hätten, daß sie darüber verhandelt hätten. Dem entgegneten die beklagten Parteien, daß die Klageänderung erst in der Tagsatzung vom 18. 3. 1998 wirksam hätte werden können, da erst an diesem Tage ein Urteilsbegehren gestellt worden sei.

Das Erstgericht stellte mit Beschluß fest, daß die Neuformulierung des Klagebegehrens durch die klagende Partei in der Tagsatzung vom 18. 3. 1998 eine Klageänderung darstelle und diese nicht zugelassen werde. Der Kläger habe ursprünglich Rechnungslegung begehrt. Nunmehr wolle er die Duldung der Bucheinsicht in nicht näher beschriebene Bücher, Schriften und Belege, wobei die Umschreibung "... wie diese insbesondere in Beilage ./B aufgezählt sind ..." offenbar nur einen Teil der Schriftstücke umschreiben solle, in welche einzusehen begehrt werde. Dies stelle eine qualitative Änderung des Klagebegehrens dar. Die nur beispielshafte Umschreibung ("insbesondere") lasse das geänderte Klagebegehren aber als zuweit und unbestimmt gefaßt erkennen. Da dem geänderten Klagebegehren die Bestimmtheit mangle, sei die Klageänderung nicht zuzulassen (JBl 1953/325).

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß der Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Es qualifizierte das nach Klageeinschränkung erstattete weitere Begehren als Klageänderung, welcher die beklagten Parteien nicht zugestimmt hätten. Diese hätten vielmehr sowohl in der Tagsatzung vom 2. 5. 1995 als auch in der vom 18. 3. 1998 die Zustimmung zu einer Klageänderung ausdrücklich verweigert. Es komme daher nur eine Zulassung durch das Gericht in Frage. Eine solche sei aber nicht zweckmäßig. Insbesondere seien gegenüber dem ursprünglichen Klagebegehren Verfahrensergänzungen dahin notwendig, welche Bücher, Schriften und Belege dazu dienen würden, dem Kläger die von ihm nunmehr gewünschten Auskünfte zu erteilen. Mangels Vorliegens einer Rechtsfrage im Sinne des § 46 Abs 1 ASGG sei ein ordentlicher Revisionsrekurs nicht zulässig.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Klägers mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß das Erstgericht über das in der Verhandlung vom 18. 3. 1998 gestellte Begehren zu verhandeln habe.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht in seiner Beurteilung von der Rechtsprechung abweicht; er ist auch berechtigt.

Entgegen der Ansicht der beklagten Partei liegt bereits in der Ausdehnung in der Tagsatzung vom 2. 5. 1996 ein - wenn auch zu ergänzendes, so doch ausreichend erkennbares - Klagebegehren, die beklagten Parteien zur Duldung der dort näher umschrieben Bucheinsicht zu verhalten.

Nach § 235 Abs 2 ZPO bedarf eine Änderung der Klage nach Eintritt der Streitanhängigkeit grundsätzlich der Einwilligung des Gegners. Diese Einwilligung ist als vorhanden anzunehmen, wenn der Gegner, ohne gegen die Änderung eine Einwendung zu erheben, über die geänderte Klage verhandelt (§ 235 Abs 2 letzter Satz ZPO). Damit statuiert das Gesetz eine unwiderlegbare Rechtsvermutung (Fasching III 121; Fasching Lehrbuch**2 Rz 1233 und 1239). Dem Beklagten ist damit nur ein zeitlich begrenztes Widerspruchsrecht eingeräumt, welches er verwirkt, sobald er über die abgeänderte Klage "verhandelt". Das trifft (unter anderem) dann zu, wenn er Erklärungen zum Tatsachenvorbringen des Klägers abgibt (4 Ob 36/93 mwN). Dem Gebrauch des Wortes "Bestreiten" kommt die Bedeutung eines "Verhandelns" dann nicht zu, wenn gleichzeitig die Unzulässigkeit der Klageänderung eingewendet wird (RIS-Justiz RS0039403; insbesondere SZ 69/21). Dem ergänzenden Vorbringen und Begehren des Klägers in der Tagsatzung vom 2. 5. 1996 wurde seitens der beklagten Parteien aber nur ein bloßes "Bestreiten" entgegengehalten, ohne auf die Unzulässigkeit einer allfälligen Klageänderung hinzuweisen. Gerade die Formulierung des in der gleichen Tagsatzung abgeschlossenen Vergleiches, wonach für den Fall der Rechtswirksamkeit desselben "Ruhen des Verfahrens eintritt" und ein Verjährungsverzicht abgegeben werde, läßt ein solches "Verhandeln" über den geänderten Klageanspruch deutlich erkennen, zumal ja der Vergleich selbst nur diejenigen Kosten betroffen haben konnte, auf welche das ursprüngliche Klagebegehren eingeschränkt worden war. Soweit demnach in dem ergänzenden Vorbringen vom 2. Mai 1996 eine Klageänderung gelegen sein könnte, ist diesbezüglich die Einwilligung der beklagten Parteien im Sinne des § 235 Abs 2 ZPO unwiderleglich anzunehmen, sodaß dem Gericht die Entscheidungsbefugnis über die Zulassung dieses Begehrens im Sinne des § 235 Abs 3 ZPO entzogen ist. In der Umformulierung des Urteilsbegehrens in der Tagsatzung vom 18. 3. 1998 liegt aber keine neuerliche Änderung, sondern lediglich eine Klarstellung in dem Sinn, daß dem Urteilsbegehren die in § 226 Abs 1 ZPO verlangte Form gegeben wurde. Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen ist dieses Begehren im Hinblick auf die Anführung der vorgelegten Urkunde Beilage ./B aber auch nicht so unbestimmt, daß es einer Vollstreckung nicht zugänglich wäre. Die vom Erstgericht zitierte Entscheidung, wonach eine Klageänderung unzulässig sein soll, stellt - anders als hier - auf das völlige Fehlen der Bestimmtheit im Sinne des § 7 EO ab (JBl 1953, 325). Wie sich aus dem weiteren Vorbringen des Klagevertreters anläßlich der Neuformulierung des Urteilsbegehrens (AS 95) ergibt, sind mit den Büchern, Schriften und Belegen eindeutig jene gemeint, welche aus der vorgelegten Beilage ./B hervorgehen. Entgegen der am Worte haftenden Interpretation der Vorinstanzen ist deshalb in diesem speziellen Fall mit dem Wort "insbesondere" keine, wie sonst dem Sprachgebrauch entsprechende, beispielsweise, sondern abschließende Aufzählung gemeint.

Ausgehend davon, daß die der Klarheit dienende Neuformulierung in der Tagsatzung vom 18. 3. 1998 keine Klageänderung darstellt, erweist sich der Unzulässigkeitseinwand der beklagten Parteien hinsichtlich dieser Neuformulierung als verfehlt, in bezug auf die Klageausdehnung vom 2. 5. 1996 hingegen als unzulässig.

Das Erstgericht hat daher im fortgesetzten Verfahren über das ausgedehnte Klagebegehren zu verhandeln und zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat in einem Zwischenstreit obsiegt und demnach einen vom Ausgang in der Hauptsache unabhängigen Kostenersatzanspruch (7 Ob 639/95).

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