Spruch:
Dem Rekurs der klagenden Partei wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und dem Berufungsgericht die Entscheidung über die Berufung der beklagten Partei aufgetragen.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Mit dem angefochtenen Beschluß stellte das Berufungsgericht das Verfahren ein. Dem liegt zugrunde, daß die beklagte Partei nach Fällung des mit Berufung angefochtenen Urteils gemäß § 2 Amtslöschungsgesetz gelöscht wurde. Nach der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes sei damit die Vollbeendigung der Gesellschaft eingetreten und die Parteifähigkeit verlorengegangen. Das einzige potentielle Aktivum der gelöschten Gesellschaft sei ein im Falle der Klageabweisung im vorliegenden Prozeß erzielter Prozeßkostenanspruch, der aber nicht genüge, die Parteifähigkeit aufrechtzuerhalten. Das Berufungsgericht sprach weiters aus, daß der "Revisionsrekurs" gemäß § 528 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei.
Gegen diesen Beschluß richtet sich der als außerordentlicher Revisionsrekurs bezeichnete Rekurs der klagenden Partei mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und den Auftrag zu erteilen, das Verfahren fortzusetzen; hilfsweise wird der Antrag gestellt, den Beschluß aufzuheben und die Rechtssache an das Berufungs- oder Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Die beklagte Partei beantragt, dem Rekurs keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist ungeachtet des Ausspruches des Berufungsgerichtes gemäß § 519 ZPO zulässig. Diese Gesetzesbestimmung zählt die Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Rekurses gegen einen im Berufungsverfahren ergangenen Beschluß auf; darunter auch Beschlüsse, mit denen das Berufungsgericht die Klage oder die Berufung zurückgewiesen hat. Nach Lehre und Rechtsprechung ist die analoge Anwendung des § 519 Abs 1 Z 1 ZPO auf berufungsgerichtliche Aufhebungsbeschlüsse anerkannt, mit denen - ohne Zurückweisung einer Klage aus formellen Gründen - dem Verfahren ein Ende gesetzt wird, so daß sie ihrem Wesen nach einer Klagezurückweisung gleichkommen. Die abschließende (definitive) Verweigerung des Rechtsschutzes soll bekämpfbar sein (Kodek in Rechberger Rz 3 zu § 519; SZ 69/21 ua). Ein vergleichbarer Fall liegt hier vor, weil die weitere Durchsetzung des Anspruches des Klägers mit dem angefochtenen Beschluß verhindert wird.
Der Rekurs ist auch berechtigt.
Die Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung darüber, ob ein einmal eingeleitetes Verfahren auch mit einer voll beendeten Gesellschaft ohne Rücksicht darauf, ob noch Gesellschaftsvermögen vorhanden ist oder nicht, fortzusetzen sei (SZ 62/43 = GesRZ 1990, 153) und ob in diesem Falle während des anhängigen Verfahrens auch das Prozeßrechtsverhältnis mit dieser Gesellschaft beendet werde und eine Fortsetzung des Prozesses gegen die untergegangene Gesellschaft nicht möglich sei (SZ 62/127 = GesRZ 1990, 156; GesRZ 1995, 53; ecolex 1995, 887; 8 ObA 207/95), wurde durch die Entscheidung eines verstärkten Senates des Obersten Gerichtshofes vom 22. 10. 1998, 8 ObA 2344/96f, bereinigt.
Der verstärkte Senat vertritt darin mit der herrschenden Lehre die Auffassung, daß eine vollbeendete Gesellschaft des Handelsrechtes grundsätzlich nicht mehr parteifähig ist, erachtet es aber mit dem Grundrecht auf ein faires Verfahren nach Art 6 MRK - insbesondere Abs 1 Satz 1 dieser Bestimmung - unvereinbar, wenn die beklagte Partei durch rechtliche Änderungen in ihrer Sphäre, auf die der Kläger keinen Einfluß hat und die er auch nicht durchschauen kann, eine Entscheidung über den vom Kläger rite geltend gemachten, mit erheblichem Aufwand an Geld, Zeit und Mühe vor Gericht verfolgten zivilrechtlichen Anspruch vereiteln könnte. Besonders schutzwürdig erscheint demnach der Kläger, wenn ihm, wie im vorliegenden Fall, eine GmbH gegenübersteht, da er in diesem Fall der Gefahr des Abhandenkommens des Prozeßgegners nicht durch Klageführung auch gegen die als Gesellschafter persönlich haftenden natürlichen Personen begegnen kann.
Da der Kläger bei Löschung der beklagten GmbH im Zuge des Prozesses dessen Fortsetzung weder durch Parteiwechsel auf die Gesellschafter noch durch Berufung auf einen möglichen Kostenersatzanspruch der beklagten Gesellschaft erreichen kann und ihm auch die Möglichkeit, im Zwischenverfahren über das Prozeßhindernis des Mangels der Parteifähigkeit Vermögen der beklagten Partei zu behaupten und zu beweisen oder die Löschung der GmbH im Firmenbuch mit Rekurs zu bekämpfen, keine ausreichende Abhilfe bietet, andererseits aber aus Art 6 Abs 1 Satz 1 MRK ein Anspruch des Klägers auf Entscheidung über den von ihm eingeleiteten Rechtsstreit geltend gemachten zivilrechtlichen Anspruch abzuleiten ist, besteht ein Bedürfnis nach einer diesem Rechtsschutzgewährungsanspruch Rechnung tragenden Lösung. Die Möglichkeit eines Rekurses gegen die erfolgte Löschung bietet dem Gläubiger kein ausreichendes Gehör. Ist aber die Entscheidung im Amtslöschungsverfahren ergangen, ohne dem Gläubiger ausreichendes Gehör zu geben, dann verstieße es gegen die Grundsätze eines fairen Verfahrens, in dem der Betroffene seine Rechte effektiv vertreten können muß, wenn daraus eine Vermutung der Vermögenslosigkeit der GmbH auch gegenüber dem Gläubiger und Kläger in einem anhängigen Zivilprozeß abgeleitet und damit sein aus Art 6 MRK abzuleitender Justizgewährungsanspruch auf Entscheidung des rite eingeleiteten Verfahrens erheblich beeinträchtigt würde. Im Falle eines vor Löschung der beklagten GmbH eingeleiteten Zivilprozesses ist daher gegenüber dem Kläger aus dieser Löschung nicht die Vermutung der Vermögenslosigkeit abzuleiten, sondern dem Kläger die Fortsetzung dieses Prozesses ungeachtet der Löschung zuzugestehen, ohne ihn zu einer notwendigerweise "ins Blaue hinein" aufgestellten Behauptung eines Vermögens der Gesellschaft und zu einem Nachweis dieses Vermögens in einem dazu ungeeigneten Zwischenverfahren zu zwingen.
Andererseits muß dem Kläger zugebilligt werden, die aus der Löschung abzuleitende Vermutung der Vermögenslosigkeit der Gesellschaft auch gegen sich gelten zu lassen und den Prozeß nicht fortzusetzen. Man würde das Recht der existenten klagenden Partei auf ein chancengleiches, faires Verfahren verletzen, wollte man gegen ihren Willen weitere kostenverursachende Schritte setzen, wenn feststeht, daß bei einer wegen Vermögenslosigkeit gelöschten, rechtsnachfolgelosen Gesellschaft nichts mehr zu holen sei. Von diesem Zeitpunkt an dürfen keine neuen Kosten veruracht werden und der Kläger nicht genötigt werden, den Prozeß fortzusetzen. Das österreichische Zivilprozeßrecht sieht entgegen § 91a dZPO eine Beendigung des Prozeßrechtsverhältnisses nur durch Klagerücknahme, Vergleich, Urteil oder Klagezurückweisung vor. Die in den Entscheidungen RZ 1985, 42 und GesRZ 1995, 53 erwähnte Einstellung des Verfahrens bei Unvereinbarkeit der Fortführung des Zivilprozesses mit dem Zweiparteienprinzip ist in der ZPO nicht vorgesehen und verstößt gegen den Justizgewährungsanspruch des Klägers. Wird die Klage nachträglich wegen Wegfalls einer Prozeßvoraussetzung unzulässig, ist die Klage grundsätzlich zurückzuweisen, das bisherige Verfahren für nichtig zu erklären und die Kosten sind gemäß § 51 Abs 2 ZPO gegenseitig aufzuheben. Durch diese Lösung wird auch die mit den Grundsätzen eines fairen Verfahrens wohl nicht vereinbare Fortsetzung des Prozesses durch die gelöschte beklagte Gesellschaft unter Berufung auf die mittlerweile eingetretene Verjährung und den ihr nunmehr erwachsenden Kostenersatzanspruch verhindert. Die Interessen der gelöschten beklagten Partei erscheinen in diesem Zusammenhang nicht schützenswert, weil der Gesellschaft im Löschungsverfahren nach Verständigung gemäß § 18 FBG ausreichend Gelegenheit geboten wurde, allfälliges Vermögen zu behaupten und zu bescheinigen und damit die Löschung zu verhindern. Der gelöschten Gesellschaft gegenüber ist daher die Vermutung der Vermögenslosigkeit gerechtfertigt. Strebt der Kläger daher nicht die Fortsetzung des Verfahrens gegen die gelöschte Gesellschaft an, ist die Klage zurückzuweisen und das bisherige Verfahren für nichtig zu erklären. Ansonsten ist das Verfahren auf Begehren des Klägers fortzusetzen (verst. Senat 8 ObA 2344/96f mwN).
Aufgrund dieser Rechtslage ist im Hinblick auf den sich aus der Äußerung des Klägers (ON 31) und den Rekursausführungen ergebenden Fortsetzungswillen des Klägers spruchgemäß zu entscheiden.
Der Kostenausspruch beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
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