Spruch:
I. Der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruchsfaktum laut E V.1. des Urteilssatzes, und zwar (nur) in der Nichtannahme "gewerbsmäßiger" Weitergabe von Cannabisprodukten und Kokain durch die Angeklagten F***** und P***** an die gesondert verfolgte Romana R*****, sowie demgemäß in den die genannten Angeklagten betreffenden Strafaussprüchen (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht verwiesen.
II. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft verworfen.
III. Mit ihrer Berufung betreffend die Angeklagten F***** und P***** wird die Staatsanwaltschaft auf die zu I. getroffene Entscheidung verwiesen.
IV. Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten S***** wird verworfen.
V. Seiner Berufung wird nicht Folge gegeben.
VI. Gemäß § 390a StPO fallen den Angeklagten F***** und P***** die Kosten des sie betreffenden bisherigen und dem Angeklagten S***** die Kosten des ihn betreffenden Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch in Rechtskraft erwachsene Schuldsprüche anderer Angeklagter und unbekämpft gebliebene Freisprüche enthält, wurden - soweit dies für die Rechtsmittelentscheidung relevant ist - die Angeklagten Harald F***** und Claudia P***** (abweichend von der Anklageschrift) jeweils des Vergehens nach § 27 Abs 1 SMG (E V.1.) und Anton S***** des Verbrechens nach § 28 Abs 2 SMG (A IV.) schuldig erkannt.
Danach haben in Innsbruck und anderen Orten den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgifte
(zu A IV.) Anton S***** zwischen Jänner und März 1996 in einer großen Menge (§ 28 Abs 6 SMG), nämlich ca 400 bis 500 Gramm Cannabisharz, durch Verkauf an Günther H***** in Verkehr gesetzt;
(zu E V.1.) Harald F***** und Claudia P***** erworben, besessen sowie anderen überlassen, und zwar zwischen 1995 und Ende 1997 durch Erwerb von nicht mehr feststellbaren Mengen an Cannabisprodukten von Unbekannten für den Eigenbedarf und durch deren Besitz sowie "durch Weitergabe von nicht mehr feststellbaren Mengen an Cannabisprodukten und Kokain an die abgesondert verfolgte Romana R*****".
Die vom Angeklagten S***** aus Z 5, 5a und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde richtet sich gegen den ihn betreffenden Schuldspruch (A IV.).
Die auf Z 5 und 10 leg. cit gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft bekämpft nach dem Inhalt der Beschwerde und dem Rechtsmittelantrag nur den letzten Teil des Schuldspruchs laut A V.1. des Urteilssatzes, soweit die Angeklagten F***** und P***** nämlich nicht anklagekonform laut Anklagefaktum II. der ON 110 wegen Verbrechens nach § 28 Abs 2 und Abs 3 erster Fall SMG verurteilt wurden, sondern in Ansehung der Weitergabe von Cannabisprodukten und Kokain an die gesondert verfolgte Romana R***** bloß wegen des Vergehens nach § 27 Abs 1 SMG und das Erstgericht zur Frage der Gewerbsmäßigkeit in Richtung des § 27 Abs 2 Z 2 SMG keine Stellung bezogen hat.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft
(ON 173):
Rechtliche Beurteilung
Die Mängelrüge (Z 5) versagt, soweit sie sich gegen die Urteilsfeststellungen wendet, die Angeklagten F***** und P***** hätten "nicht große" Suchtgiftmengen an Cannabisprodukte und Kokain an die abgesondert verfolgte Romana R***** weitergegeben (US 25 f). Indes bestand zu einer von der Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang vermißten Erörterung der von Manuela K***** vor der Gendarmerie abgelegten Aussage (vgl insb 195 f/IV und 199 f/IV) deshalb kein Anlaß, weil diese Zeugin weder damals noch in der Hauptverhandlung (19 f/VI) konkrete oder exakte Größenangaben über die allein von der Anfechtung umfaßte Weitergabe von Suchtgiftmengen an die Zeugin R***** machte, sondern nur über die vom Rechtsmittel nicht aufgegriffene Frage eines "sackweisen" Giftbesitzes (oder Mitbesitzes) der Angeklagten P*****.
Berechtigt ist hingegen die Subsumtionsrüge (Z 10), mit der die Anklagebehörde - zum Teil auch auf den Nichtigkeitsgrund der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO gestützt - Feststellungsmängel zur Frage der "gewerbsmäßigen" Tatbegehung (in Richtung des § 27 Abs 2 Z 2 erster Fall SMG) geltend macht. Obwohl wesentliche Ergebnisse des Beweisverfahrens auf die Erfüllung der erwähnten Qualifikation hinweisen (vgl insb die Aussage der Zeugin R***** 213 f/I, 11 ff/VI), setzten sich die Erkenntnisrichter damit insoweit in keiner Weise auseinander und trafen auch keine Konstatierungen über das Vorliegen oder Nichtvorliegen der Gewerbsmäßigkeit.
Daher war in teilweiser Stattgebung der zum Nachteil der Angeklagten F***** und P***** ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde des öffentlichen Anklägers das erstgerichtliche Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, aber in bezug auf die nicht geprüfte gewerbsmäßige Tatbegehung im bekämpften (zweiten) Schuldspruchsteil E V.1. an Feststellungsmängeln leidet, insoweit und demzufolge auch in den die zwei genannten Angeklagten betreffenden Strafaussprüchen aufzuheben und die Strafsache - unter Verweisung der Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung hierauf - zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zu verweisen (§ 288 Abs 2 Z 1 StPO).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten S***** (ON 171):
Der Mängelrüge (Z 5) zuwider leidet das Urteil an keinen formellen Begründungsmängeln.
Da das vom Beschwerdeführer in Verkehr gesetzte Haschisch nicht sichergestellt und daher auch nicht analysiert werden konnte, war eine exakte Ermittlung dessen Reinheitsgehaltes von vorneherein nicht möglich. Die durch die Verantwortungen der Angeklagten Robert D***** (401/I) und H***** (265/V, 7/VI) gedeckte Konstatierung, wonach das von S***** an H***** gelieferte Haschisch von "ähnlich durchschnittlicher Qualität" wie jenes des Angeklagten F***** war (US 19 vierter Absatz), ist keineswegs undeutlich. Denn ausgehend von der durch die Suchtgift-Grenzmengenverordnung festgesetzten Grenzmenge bei Haschisch von 20 Gramm reinem THC (vgl Anhang 4. zur Suchtgift-Grenzmengenverordnung), stellen bereits 222 Gramm Haschisch durchschnittlicher Qualität (9 % THC enthaltend) eine große Menge dar (12 Os 111/87; Foregger-Litzka SGG2 § 12 Erl IV letzter Absatz). Selbst bei einem Reinheitsgehalt von nur 5 % wäre bei 400 Gramm Haschisch die große Menge erreicht. Demnach läßt die (als undeutlich kritisierte) Urteilsfeststellung betreffend die übergebene Menge von ca 400 bis 500 Gramm eine eindeutige Qualifizierung als große Menge im Sinne des § 28 Abs 6 SMG zu.
Soweit der Nichtigkeitswerber jedoch seinen hypothetischen Berechnungen eine THC-Konzentration von unter 5 % bzw von 3 % zugrunde legt, führt er die Beschwerde nicht dem Gesetz gemäß aus, weil er vom festgestellten Tatsachensubstrat abweicht und insoweit - unter Berufung auf den Zweifelsgrundsatz, womit (im Nichtigkeitsverfahren) unzulässig eine Beweiswürdigungsmaxime ins Spiel gebracht wird (Mayerhofer StPO4 § 258 E 42, 48) - bloß die tatrichterliche Beweiswürdigung bekämpft.
Gleiches gilt im Kern für die behauptete Unvollständigkeit der Urteilsbegründung. Eine Erörterung des in der Beschwerde relevierten Umstandes, daß S***** nur vom Angeklagten H*****, aber nicht auch von den anderen im selben Milieu verkehrenden Mitangeklagten belastet wurde, war entbehrlich; denn dem Beschwerdeführer liegt nur zur Last, mit H***** Suchtgiftgeschäfte abgewickelt zu haben.
Entgegen einem weiteren Beschwerdeeinwand wurde die vor dem Untersuchungsrichter deponierte Verantwortung des insgesamt als glaubwürdig beurteilten Angeklagten H***** vom Erstgericht ausreichend gewürdigt und auch die "kleinen Widersprüchlichkeiten" zu dessen Verantwortung in der Hauptverhandlung erörtert (US 19 unten f). Soweit der Nichtigkeitswerber die Unterlassung der Befassung mit der zu Beginn der untersuchungsrichterlichen Vernehmung gemachten Äußerung des Angeklagten H***** rügt, derzufolge dieser seine Suchtgifte "ausschließlich" vom Angeklagten F***** gekauft habe (232/I), läßt die Beschwerde den Umstand außer acht, daß H***** unmittelbar darauf seine Verantwortung richtigstellte und die Beteiligung des Beschwerdeführers an den Suchtgiftgeschäften offenlegte (233/I), wobei er diese Angaben auch in der Hauptverhandlung aufrecht hielt (265 f/V, 7/VI). Dadurch wurden aber seine ersten Depositionen vor Beamten des Gendarmeriepostens Mutters (113 ff/I) berichtigt und konkretisiert, weshalb sich die reklamierte Erörterung der Gendarmerieangaben im Urteil erübrigte. Das unter dem Aspekt einer Unvollständigkeit erstattete Beschwerdevorbringen erschöpft sich demnach gleichfalls in einer unzulässigen Bekämpfung der schöffengerichtlichen Beweiswürdigung.
Nicht stichhältig ist der Vorwurf einer Aktenwidrigkeit der Urteilsfeststellung über die vom Nichtigkeitswerber in Verkehr gesetzte Haschischmenge von "ca 400 bis 500 Gramm" (US 19 ff). Ein solcher formaler Mangel liegt nämlich nur dann vor, wenn in den Entscheidungsgründen der eine entscheidende Tatsache betreffende Inhalt (fallbezogen) einer Aussage in wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergegeben wird (EvBl 1972/17), nicht aber, wenn das Schöffengericht - wie vorliegend - in freier Beweiswürdigung von den ungefähren Mengenangaben des für glaubwürdig erachteten Angeklagten H***** zwischen "ca 400 Gramm" (265/V, 7/VI) und "nicht einmal 0,5 kg" (233/I) auf die allein entscheidende Mindestmenge von 400 Gramm Haschisch geschlossen hat. Wenn der Beschwerdeführer aber abschließend verlangt, das Erstgericht hätte "im Zweifel" zugunsten des Angeklagten S***** von einer Menge unter 400 Gramm ausgehen müssen, kritisiert er wiederum nur prozeßordnungswidrig die Beweiswürdigung der Erkenntnisrichter.
Das Vorbringen in der Tatsachenrüge (Z 5a), das - in Verkennung dieses unter die formellen Nichtigkeitsgründe eingereihten Anfechtungstatbestandes - abermals die Anwendung des Grundsatzes "in dubio pro reo" reklamiert und den Freispruch des Beschwerdeführers verlangt, vermag mit der Auflistung von aktenkundigen Widersprüchlichkeiten in der Verantwortung des Angeklagten H*****, mit denen sich das Erstgericht in den Gründen hinreichend auseinandergesetzt hat, und mit der Wiederholung von Argumenten der Mängelrüge keine sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen aufzuzeigen. Nach Inhalt und Zielrichtung trachtet der Nichtigkeitswerber einmal mehr und ausdrücklich nach Art einer in den Verfahrensgesetzen gegen schöffengerichtliche Urteile nicht vorgesehenen Schuldberufung die tatrichterliche Lösung der Beweisfrage zu seinen Gunsten zu verändern.
Die auf Z 10 gestützte Subsumtionsrüge bringt den angerufenen materiellen Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzmäßigen Darstellung. Hiefür wäre nicht nur ein striktes Festhalten am gesamten konstatierten Urteilssachverhalt und der Nachweis auf dessen Basis erforderlich, daß das Erstgericht das Strafgesetz darauf unrichtig angewendet hat. Dabei darf kein festgestellter Umstand bestritten oder übergangen werden. Des weiteren muß der Beschwerdeführer jenes Strafgesetz konkret bezeichnen, das anstelle des § 28 Abs 2 SMG auf die Tat hätte angewendet werden sollen (vgl Mayerhofer aaO § 281 E 86 f, 30; § 281 Z 10 E 8).
Diesen Geboten und Verboten zuwider bestreitet der Nichtigkeitswerber zum einen die - wie dargelegt - unbedenklich getroffene Feststellung der großen Menge und versäumt zum anderen die gebotene Benennung der nach seiner Ansicht auf den Urteilssachverhalt anzuwendenden Strafnorm.
Der Umstand, daß das Suchtgift an eine "einzige" Person veräußert wurde, schließt die Unterstellung der Tat unter die Strafbestimmung des § 28 Abs 2 SMG keineswegs aus, weil diese allein auf die große Menge im Sinn des § 28 Abs 6 SMG abstellt. Die in dieser Gesetzesstelle geforderte Berücksichtigung der Eignung der Suchtgifte, im großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen herbeizuführen, richtet sich nunmehr ausschließlich an den zur Erlassung des Suchtgift-Grenzmengenverordnung ermächtigten Verordnungsgeber.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war sonach zur Gänze zu verwerfen.
Das Erstgericht verhängte über den Angeklagten S***** hiefür nach § 28 Abs 2 SMG sowie unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 17. Dezember 1996, GZ 37 E Vr 1862/96-45, mit dem der Angeklagte wegen des Vergehens nach §§ 127 und 15 StGB zu einer bedingten Geldstrafe von 100 Tagessätzen, im Nichteinbringungsfall zu 50 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt worden war, zu einer zusätzlichen Freiheitsstrafe von sechs Monaten.
Bei der Strafbemessung wertete es als erschwerend das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen und die "wiederholte Begehung des Vergehenstatbestandes (weil auf das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 17.12.1996 Bedacht zu nehmen ist)", als mildernd hingegen "teilweises Geständnis und teilweise Versuch".
Mit der dagegen erhobenen Berufung beantragt der Angeklagte primär die Verhängung einer Geldstrafe anstelle der Freiheitsstrafe (§ 37 StGB), in eventu die bedingte Nachsicht der Freiheitsstrafe gemäß § 43 Abs 1 StGB oder eine Strafreduktion.
Die Berufung ist in keine Richtung hin im Recht.
Die vom Berufungswerber zu seinen Gunsten ins Treffen geführte Tatsache, daß er nur ein "eher ungefährliches Suchtgift an eine Person" verkauft hat, wurde vom Schöffengericht ersichtlich schon bei der durchaus maßvollen Straffestsetzung mit sechs Monaten Freiheitsstrafe hinreichend berücksichtigt, zumal § 28 Abs 2 SMG Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren normiert. Daß der Angeklagte "das erste Mal nach dem SMG bzw SGG verurteilt wurde und sein Strafregister keine einschlägige Verurteilung aufweist", kann nicht zusätzlich mildernd sein; würde doch eine einschlägige Vorstrafe erschwerend ins Gewicht fallen.
Die vom Erstgericht unter Berücksichtigung der im vorangegangenen Urteil enthaltenen Strafzumessungserwägungen ausgemessene (zusätzliche) Freiheitsstrafe von sechs Monaten ist angesichts der personalen Täterschuld des Angeklagten und des Unrechtsgehaltes der inkriminierten Straftat keineswegs zu hoch und demnach auch nicht reduktionsbedürftig. Ungeachtet der im Gerichtstag vom Verteidiger vorgetragenen (zusätzlichen) Berufungsargumente kommt nach Lage des Falles aus spezial-, insbesonders aber aus generalpräventiven Gründen weder die Verhängung einer Geldstrafe anstelle einer Freiheitsstrafe (§ 37 Abs 1 StGB) noch die Gewährung der bedingten Strafnachsicht gemäß § 43 Abs 1 StGB in Frage.
Der Berufung war daher ein Erfolg zu versagen und insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.
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