OGH 15Os170/98-6 (15Os171/98)

OGH15Os170/98-6 (15Os171/98)26.11.1998

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. November 1998 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder, Dr. Rouschal, Dr. Schmucker und Dr. Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Cihlar als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Günther Harald M***** wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 2. Juli 1998, GZ 7 c Vr 4341/98-22, sowie über die implizierte Beschwerde des Angeklagten (§ 494a Abs 4 StPO) nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die implizierte Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Günther Harald M***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (I) und des Vergehens nach § 27 Abs 1 SMG (II) schuldig erkannt.

Danach hat er in Wien

I. am 4. Mai 1998 Karoline S***** mit Gewalt gegen ihre Person eine fremde bewegliche Sache, nämlich 26.700 S Bargeld, mit unrechtmäßigem Bereicherungsvorsatz weggenommen, indem er ihr eine von ihr festgehaltene Handtasche derart entriß, daß die Griffschlaufe abriß;

II. in der Zeit von Anfang April bis 9. Mai 1998 den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift, nämlich Kokain, erworben und besessen.

Rechtliche Beurteilung

Nur gegen den Schuldspruch wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB richtet sich eine auf die Z 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; sie ist nicht im Recht.

In seiner Mängelrüge (Z 5) behauptet der Beschwerdeführer, die Feststellungen des Erstgerichtes über die Anwendung von Gewalt gegen eine Person seien unvollständig und unzureichend begründet, weil die Tatrichter die Aussage der vom Angriff betroffenen Zeugin S***** in der Hauptverhandlung, die Handtasche sei ihr rückwärts "gestohlen" bzw "entrissen" worden, nicht berücksichtigt hätten.

Indes hat das Schöffengericht seinen Schuldspruch auf die Angaben der Zeugin in ihrer Gesamtheit gestützt. Der Rechtsmittelwerber übergeht aber jenen Teil ihrer Aussage, wonach sie die Tasche so festgehalten hat, daß beim Versuch, sich doch noch im Besitz der Tasche zu halten, ihre Fingernägel ganz eingerissen wurden und die Schlaufe der Tasche, die sie um das Handgelenk geschlungen hatte und die vorher in Ordnung war, durch die Tat abgerissen wurde (106, 157).

Daraus konnten aber die Feststellungen zur gewaltsamen Ausschaltung bzw Überwinden des widerstrebenden Willens der (wenn auch überraschend) Angegriffenen und somit auch zur Gewalt gegen ihre Person mängelfrei getroffen werden. Insbesondere das im Urteil konstatierte Einreißen der Fingernägel und das Abreißen der Schlaufe (US 7) zeigen, daß die Beraubte sehr wohl einen Sachbehauptungswillen hatte, der nur durch einen mit erheblicher physischer Kraft geführten Angriff überwunden werden konnte (vgl Leukauf/Steininger Komm3 § 142 RN 21 und die dort zitierten Entscheidungen insbesondere EvBl 1978/215).

Die Subsumtionsrüge (Z 10), die eine Qualifikation der zum Urteilsfaktum I angeführten Tat als Vergehen des (schweren) Diebstahls anstrebt, ist nicht gesetzmäßig ausgeführt.

Die prozeßordnungsgemäße Darstellung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat unter Heranziehung der tatsächlich getroffenen Urteilsfeststellungen einen Vergleich mit dem darauf angewendeten Gesetz vorzunehmen und auf dieser Grundlage den Einwand zu entwickeln, daß dem Erstgericht bei Beurteilung des Urteilssachverhaltes ein Rechtsirrtum unterlaufen ist. Auch die Behauptung von Konstatierungsmängeln kann nur unter Zugrundelegung aller tatsächlichen Urteilsfeststellungen erfolgen und erfordert die Darlegung, daß eben diese nicht ausreichen, um eine umfassende und verläßliche rechtliche Beurteilung vornehmen zu können. Demgemäß ist eine Rechtsrüge, die einen Feststellungsmangel behauptet, aber dabei eine im Urteil festgestellte Tatsache verschweigt oder bestreitet, nicht dem Gesetze gemäß ausgeführt (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 9a E 5).

Soweit die Beschwerde einen vom Tatopfer gefaßten "Widerstandsentschluß" vermißt, übergeht sie jene Konstatierung, wonach Karoline S***** versuchte, sich dem Angriff zu widersetzen, indem sie die Griffschlaufe der Tasche, welche sie um ihr Handgelenk gewickelt hatte, nicht losließ (US 5).

Der Vorsatz auf eine mit Gewalt gegen eine Person vollzogene Wegnahme einer Sache hinwieder ergibt sich - entgegen dem Rechtsmittel - ebenso wie der Bereicherungsvorsatz ausdrücklich und zweifelsfrei aus den Ausführungen des Schöffengerichtes zur rechtlichen Beurteilung der Tat (US 7/8).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als unbegründet, teils als nicht dem Gesetze gemäß ausgeführt bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 1 und 2 iVm § 285a Z 2 StPO).

Daraus folgt, daß zur Entscheidung über die Berufungen und die in der Berufung des Angeklagten implizierte Beschwerde gegen einen - als solchen im Urteil allerdings nicht bezeichneten - Widerrufsbeschluß das Oberlandesgericht Wien zuständig ist (§ 285i StPO).

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