OGH 5Ob289/98f

OGH5Ob289/98f24.11.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann, Dr. Hradil und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch als weitere Richter in der Grundbuchssache der Antragstellerin Brigitte H*****, vertreten durch Dr. Eduard Pranz, Dr. Oswin Lukesch und Dr. Anton Hintermeier, Rechtsanwälte in 3100 St. Pölten, betreffend Eintragungen in der Einlage EZ ***** infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes St. Pölten als Rekursgericht vom 11. August 1998, 7 R 132/98m, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Tulln vom 30. März 1998, TZ 1674/98, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

In teilweiser Stattgebung ihres Eintragungsgesuches wurde der Antragstellerin vom Erstgericht zwar die Einverleibung des Eigentumsrechtes am Viertelanteil ihres geschiedenen Ehemannes an der im Kopf dieser Entscheidung angeführten Liegenschaft bewilligt, wodurch sie Hälfteeigentümerin dieser Liegenschaft wurde; abgewiesen wurde jedoch ihr Antrag, für Werner H*****, geboren am 18. 12. 1977 das Wohnrecht einzuverleiben. Einziger Abweisungsgrund war, daß unter CLNR 1 der EZ ***** bereits ein Fruchtgenußrecht für Leopoldine M***** eingetragen ist, das sich auf die ganze Liegenschaft erstreckt.

Den vorgelegten Urkunden ist zu entnehmen, daß die Ehegatten Leopold und Brigitte H***** ihrem Sohn Werner im Scheidungsvergleich das unentgeltliche gebrauchsweise Wohnrecht an einem Zimmer auf der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft eingeräumt haben. Insoweit trat der Sohn dem Scheidungsvergleich bei und nahm die Berechtigung an. Margot H*****, geboren am 26. 1. 1975, die Eigentümerin der restlichen Anteile an der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft willigte in die Verbücherung des Wohnrechts des Werner H***** ein. Die an der Liegenschaft fruchtgenußberechtigte Leopoldine M***** hat sowohl der Übertragung des Viertelanteils des Leopold H***** auf die Antragstellerin als auch der Einräumung der Dienstbarkeit der Wohnung für Werner H***** zugestimmt.

Das Rekursgericht bestätigte den abweislichen Teil dieser Entscheidung aus folgenden Erwägungen:

Aufgrund des eingetragenen Fruchtgenußrechtes stehe der Berechtigten - ohne auf ihre persönlichen Bedürfnisse eingeschränkt zu sein - der volle Genuß der Sache zu, was ihr sogar die Gebrauchsüberlassung an Dritte ermögliche. Da auf der betreffenden Liegenschaft ein Gebäude steht, sei der Fruchtgenußberechtigten auch ein uneingeschränkter Wohnungsfruchtgenuß eingeräumt. Mit der jetzt angestrebten Grundbuchseintragung der Dienstbarkeit der Wohnung zugunsten des ehelichen Sohnes der Antragstellerin würde eine Rechtsposition geschaffen werden, die damit unvereinbar ist. Da in Ansehung des auf der Liegenschaft stehenden Gebäudes erkennbar kein Teil von der Fruchtnießung ausgenommen ist, würde die nunmehr beantragte Einräumung der Dienstbarkeit der Wohnung zu einer der eingetragenen Fruchtnießung widersprechenden Einschränkung des Fruchtgenußrechtes führen, zumal an ein und derselben Sache (sei es auch nur hinsichtlich eines Zimmers in dem vom Fruchtgenuß umfaßten Gebäude) inhaltlich angenäherte Rechte nicht zweimal vergeben werden können. Es stehe daher der Eintragung der Dienstbarkeit der Wohnung zugunsten des ehelichen Sohnes der Antragstellerin das bisher eingetragene uneingeschränkte und sich auf die ganze Liegenschaft beziehende Fruchtgenußrecht der Leopoldine M***** entgegen. Die Zustimmung der buchberechtigten Fruchtnießerin ändere daran nichts (vgl NZ 1965, 41).

Diese Entscheidung enthält den Ausspruch, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 260.000,-- nicht übersteigt, der ordentliche Revisionsrekurs jedoch zulässig sei (was den Bewertungsausspruch an sich erübrigt hätte). Soweit überblickbar, liege nämlich keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vor, ob ein grundbücherlich eingetragenes Fruchgenußrecht einer später einzutragenden Dienstbarkeit der Wohnung in Ansehnung des gleichen Gebäudes bei Zustimmung der Fruchtgenußberechtigten entgegensteht.

Im jetzt vorliegenden Revisionsrekurs macht die Antragstellerin geltend, daß es wohl außer Zweifel stehe, daß ein Fruchtgenußberechtigter jederzeit auf sein Fruchtgenußrecht verzichten kann und daß es auch möglich sei, bei Vereinbarung eines Fruchtgenußrechtes an einem Gebäude beispielsweise ein Zimmer vertragsmäßig auszunehmen und das Fruchtgenußrecht dementsprechend eingeschränkt zu intabulieren. Es sei nicht einzusehen, warum nicht auch im nachhinein eine derartige Einschränkung möglich sein soll. Ein an der ganzen Liegenschaft Fruchtgenußberechtigter könne auch nachträglich der Einverleibung eines Wohnrechtes für eine andere Person an einem Zimmer zustimmen. Die Tatsache, daß damit sein Fruchtgenußrecht um den Wohnungsfruchtgenuß an diesem Zimmer eingeschränkt wird, akzeptiere der Fruchtgenußberechtigte ja ausdrücklich durch seine Zustimmungserklärung. Hier könnte noch die Überlegung Platz greifen, ob mit der Einräumung des Wohnungsrechtes an einem Zimmer der gesamte einverleibte Fruchtgenuß gegenstandslos wird, wenn überhaupt nur ein Zimmer vorhanden ist. Davon könne jedoch im gegenständlichen Fall keine Rede sein, da im Vergleich von einem Wohnhaus mit zwei Geschoßen und mehreren Räumen die Rede sei. Der Vollständigkeit halber sei darauf verwiesen, daß die Fruchtgenußberechtigte Leopoldine M***** die Mutter der Antragstellerin und die Großmutter des Werner H*****, die Miteigentümerin Margot H***** seine Schwester ist, daß zwischen allen genannten Familienmitgliedern das beste Einvernehmen besteht und der Großmutter eine allfällige Ausnützung des Wohnungsrechtes durch den Enkel durchaus erwünscht ist.

Der Revisionsrekursantrag geht dahin, den angefochtenen Beschluß so abzuändern, daß die Einverleibung der Dienstbarkeit der Wohnung gemäß Punkt 4. der Vergleichsausfertigung des Bezirksgerichtes Tulln vom 12. 5. 1997, 1 C 153/96s-5, ( ./A) für Werner H*****, geboren am 18. 12. 1977, bewilligt wird; in eventu soll der angefochtene Beschluß aufgehoben und dem Rekursgericht oder dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen werden.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig; er ist jedoch nicht begründet.

Richtig hat das Rekursgericht erkannt, daß nachrangig zu einem alle Nutzungen einer Liegenschaft erfassenden Fruchtgenußrecht kein - wie immer geartetes - Wohnrecht eingetragen werden kann. Es käme zu Gebrauchsüberschneidungen, weil der Fruchtgenuß als das umfassendere Recht alle Nutzungen des Wohnrechts ergreift (Hoyer zu NZ 1998, 88/406). Aus diesen Erwägungen hat der erkennende Senat bereits die Eintragung zweier sich überschneidender Fruchtgenußrechte in unterschiedlichem Rang abgelehnt (SZ 67/109) und ausgesprochen, daß ein einem Miteigentümer an der ganzen Liegenschaft eingeräumtes Wohnungsfruchtgenußrecht die gleichzeitige Begründung eines Wohnungsgebrauchsrechtes für einen anderen Miteigentümer ausschließt (NZ 1997, 130/379 mit zust Anm von Hoyer).

Nun besteht zwar die Möglichkeit, die dem Wohnrecht zuzuführenden Teile der Liegenschaft (etwa wie hier einen bestimmten Raum) nachträglich vom Fruchtgenuß auszunehmen. Das könnte im gegenständlichen Fall auch durchaus beabsichtigt gewesen sein. Das Grundbuchsgericht darf jedoch eine Eintragung nur dann bewilligen, wenn aus dem Grundbuch in Ansehung der Liegenschaft oder des Rechtes kein Hindernis gegen die begehrte Eintragung hervorgeht (§ 94 Abs 1 Z 1 GBG). Hier bestand ein solches Hindernis in der Belastung der Liegenschaft mit dem nach wie vor uneingeschränkten Fruchtgenußrecht der Leopoldine M***** auf Grund des Übergabsvertrages vom 9. 12. 1993 (CLNR 1a). Die Verbücherung des Wohnrechtes des Werner H***** wird erst nach einer entsprechenden Änderung dieser Eintragung möglich sein.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Stichworte