OGH 5Ob298/98d

OGH5Ob298/98d24.11.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann und Dr. Hradil und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch als weitere Richter in der Außerstreitsache der Antragsteller 1. Helmut P*****,

2. Anna P*****, beide vertreten durch Dr. Wolfgang Dartmann, Dr. Haymo Modelhart, Rechtsanwälte in Linz, wider die Antragsgegner 1. Karl G*****, 2. Ilse G*****, beide vertreten durch Mag. Franz Hintringer, Rechtsanwalt in Linz, wegen § 26 Abs 1 Z 1 WEG, infolge Revisionsrekurses der Antragsteller gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes Steyr als Rekursgericht vom 1. September 1998, GZ 5 R 61/98p-17, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Neuhofen an der Krems vom 6. April 1998, GZ Msch 22/97v-13, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Text

Begründung

Antragsteller und Antragsgegner sind Miteigentümer der Liegenschaft P*****straße ***** in ***** P*****.

Zu Msch 226/94i-2 des Bezirksgerichtes Neuhofen erfolgte am 27. 9. 1994 eine Nutzwertfeststellung. Demnach sind die Antragsteller Wohnungseigentümer von 592/1000stel Anteilen der Liegenschaft ***** Grundbuch ***** P***** mit dem Haus P*****straße ***** (Wohnung 2, BLNR 9, 10), die Antragsgegner Eigentümer von 408/1000stel Anteilen (Wohnung 1, BLNR 11, 12).

Dieser Nutzwertfestsetzung lag ein Nutzwertgutachten des Mag. Fellinger vom 1. 10. 1993 zugrunde. Dieses Gutachten und dementsprechend die Nutzwertfestsetzung weist die Nutzfläche der Doppelgarage der Parteien den Antragstellern mit 43,72 m**2 und den Antragsgegnern mit 34,36 m**2 zu. Auf der Liegenschaft besteht weiters eine unbebaute Grundfläche, die als Zubehör zum Wohnungseigentum den Parteien zu gleichen Teilen mit je 248 m**2 zugeschlagen war. Im Anhang zum seinerzeitigen Nutzwertberechnungsgutachten wurden diese Zubehörsteile dahin beschrieben, daß die Grenzziehung von der Trennfuge der Häuser westlich verläuft, dabei allerdings einen Knick nach Norden aufweist.

Am 14. Februar 1997 beantragten die Antragsteller die Neufestsetzung der Nutzwerte mit der Begründung, daß eine Teilung ihres Anteils in zwei Anteile erfolgen sollte. Änderungen im Bestand oder in den Baulichkeiten würden dadurch nicht eintreten. Der den Antragsgegnern zuzuordnende Nutzwertanteil bleibe gleich. Sie beantragten eine Halbierung der ihnen zugewiesenen Anteile und legten die in § 26 Abs 6 lit b WEG geforderte Aufstellung des gerichtlichen Sachverständigen Mag. Leopold Fellinger vor. Daraus ergibt sich nun hinsichtlich des Grenzverlaufs zwischen den Zubehörsteilen der unbebauten Flächen der Liegenschaft im Lageplan und in der verbalen Beschreibung eine Änderung zum seinerzeitigen Gutachten dahin, daß der nunmehrige Plan von einer geraden Verlängerung der Trennfuge des Hauses nach Westen ausgeht.

Die Antragsgegner sprachen sich gegen die begehrte Neufestsetzung der Nutzwerte mit dem Argument aus, die Grenze der als Zubehör und zu ihrem Wohnungseigentum zur alleinigen Nutzung zugeschlagenen unbebauten Grundfläche sei unrichtig und zu ihrem Nachteil dargestellt. Sie verwiesen dazu auf die ursprüngliche Nutzwertfestsetzung und das dieser zugrundeliegende Gutachten samt Beschreibung der seinerzeitigen Zubehörsregelung. Dadurch werde ein unzulässiger Eingriff in ihr Wohnungseigentum bewirkt.

Die Antragsteller bestritten dies und trugen vor, daß der seinerzeitige Lageplan mit Zubehörsaufteilung unrichtig gewesen sei, während der nunmehr vorgelegte dem Parteiwillen entspreche. Im ursprünglichen Plan sei die Doppelgarage der Antragsgegner zu weit nördlich eingezeichnet gewesen und habe nicht den Verhältnissen in der Realität entsprochen. Vom Umstand, daß die richtige Teilung des Zubehörs durch eine gerade nach Westen führende Linie stattzufinden habe, seien die Antragsgegner vom Vertragsverfasser bereits am 13. 12. 1994 informiert worden und hätten dem zugestimmt. Die ihnen seinerzeit zugeschriebene Fläche von 224 m**2 bleibe auch bei der neuen Nutzwertfestsetzung gleich.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Neufestsetzung der Nutzwerte mit der Begründung ab, daß die Divergenz in der Grenzziehung der Zubehörteile zwischen dem seinerzeitigen Gutachten und dem dem gegenständlichen Antrag zugrundeliegenden Gutachten nicht aufgeklärt werden habe können. Solche Divergenzen könnten aber nicht im Verfahren nach § 26 WEG geklärt werden, sondern hätten die Parteien den ordentlichen Rechtsweg zur Abklärung der zwischen ihnen strittigen Frage zu beschreiten. Im übrigen sei das Gutachten auch deshalb unschlüssig, weil es für die Antragsteller das Ausmaß der Zubehörsfläche überhaupt nicht ausweise.

Über Rekurs der Antragsteller bestätigte das Rekursgericht die Abweisung des Nutzwertfestsetzungsantrags. Das Nutzwertfestsetzungsgutachten des Sachverständigen Mag. Fellinger sei von vornherein unverläßlich und keine taugliche Entscheidungsgrundlage gewesen, weil die Abweichungen vom Gutachten im Vorverfahren geradezu augenfällig seien. Auch in der verbalen Beschreibung komme die Abweichung vom Plan klar zum Ausdruck. Infolge der Unschlüssigkeit des Gutachtens habe das Erstgericht zu Recht die begehrte Neufestsetzung der Nutzwerte verweigert.

Das Rekursgericht erklärte den Revisionsrekurs für nicht zulässig, weil entscheidungserheblich lediglich Tatfragen seien.

Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsteller. Die Antragsgegner beantragen, diesem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

Die Festsetzung der Nutzwerte nach § 26 Abs 1 Z 1 WEG und damit die Bestimmung der Mindestanteile ist jeglicher Verfügung der Miteigentümer entzogen. Selbst einstimmig kann die Gemeinschaft die Nutzwerte nicht autonom festsetzen. Dies ist einer gerichtlichen Entscheidung vorbehalten. Aus § 3 WEG ergibt sich, daß notwendig die Nutzwerte "aller Wohnungen und sonstigen Räumlichkeiten einer Liegenschaft festzusetzen sind". Gemäß § 5 WEG ist der Nutzwert der Wohnung aus der Nutzfläche der Wohnung oder sonstigen Räumlichkeit mit entsprechenden Zuschlägen oder Abstrichen für werterhöhende oder wertvermindernde Unterschiede zu errechnen, die sich aus der über oder unter dem Durchschnitt liegenden Ausstattung mit anderen Teilen der Liegenschaft (§ 1 Abs 2 WEG) ergeben. § 1 Abs 2 WEG führt aus, daß mit selbständigen Wohnungen oder sonstigen selbständigen Räumlichkeiten auch andere Teile der Liegenschaft verbunden sein können, wie etwa Hausgärten etc sofern sie von den allgemeinen Teilen der Liegenschaft der Wohnung oder sonstigen Räumlichkeiten aus zugänglich sind und deutlich abgegrenzt sind. Die Nutzflächenfestsetzung unterliegt nicht der Dispositionsmaxime der Parteien. Ein Antrag ist lediglich Verfahrensvoraussetzung. Das Gericht muß die Nutzwerte nach der materiell-rechtlichen Lage festsetzen. Denkbar sind auch Anträge mehrerer Parteien, die nach ihrem Vorbringen in verschiedene Richtungen zielen. Über alle diese ist in einem einheitlichen Verfahren zu entscheiden. Weil also das Gericht nach der rechtlich wirksamen Widmung der Zubehörteile zu den einzelnen Objekten die Nutzwerte festzusetzen hat, und § 37 Abs 3 Z 20 MRG, auf den § 26 Abs 2 WEG verweist, eine Verweisung auf den Rechtsweg ausdrücklich ausschließt, müssen strittige Vorfragen, auch wenn sie für sich im Rechtsweg ausgetragen werden könnten, im Verfahren nach § 26 WEG gelöst werden. Weil § 5 Abs 1 WEG aufträgt, die einem Objekt gewidmeten Zubehörteile aufgrund der hier geltenden Offizialmaxime bei der Festsetzung des Nutzwerts von Amts wegen zu beachten, kann die Vorfrage der Zubehörseigenschaft, ebensowenig die Frage des Umfangs des Zubehörs nicht ungeprüft bleiben. Das von den Parteien angerufene Gericht hat die Möglichkeit, durch ein förmliches Beweisverfahren nicht nur die Frage der Widmung, sondern auch den Umfang der Widmung zu klären (vgl Würth in ImmZ 1980, 115 f mit Besprechung der E 1 Ob 585/79).

Im vorliegenden Fall ist zwischen den Parteien des Nutzwertfestsetzungsverfahrens der Umfang ihres Zubehörs an unverbauter Liegenschaftsfläche strittig. Daß das vorgelegte Nutzwertgutachten nur dem Rechtsstandpunkt der Antragsteller Rechnung trägt, entbindet das Gericht jedoch nach dem Vorgesagten nicht, einen Einwand der Antragsgegner dahin zu beachten, daß diese strittige Frage in einem Beweisverfahren als Vorfrage zu klären ist. Erst dann läßt sich nämlich die in § 5 WEG angeordnete Berücksichtigung des WE-Zubehörs bei der Nutzwertfestsetzung vornehmen. Die von den Vorinstanzen vertretene Ansicht, ein nach § 26 Abs 2 Z 6 lit b WEG vorzulegendes Nutzwertgutachten habe unter sonstiger Sanktion der Antragsabweisung gleichzeitig auch alle strittigen Zubehörsfragen zu beantworten, ist durch das Gesetz nicht gedeckt.

Im Zuge der Neufestsetzung der Nutzwerte, die im Fall einer Teilung jedenfalls vorzunehmen ist, wird bei den dargestellten strittigen Fragen aber auch zu prüfen sein, ob die von den Parteien beanspruchten Gartenflächen überhaupt zubehörwohnungseigentumstauglich (also iSd § 1 Abs 2 WEG deutlich abgegrenzt) sind, woraus sich die Größe der jeweiligen Zubehörsflächen ergibt und zu welchen Objekten sie vereinbarungsgemäß gehören. Sollte sich hier ein Abweichen der wahren Sach- und materiellen Rechtslage von der früheren Nutzwertfestsetzung nicht erweisen lassen (vgl Call zu WoBl 1992, 22/20; Call in WoBl 1992, 159 f; Call zu WoBl 1994, 152/29), wird es insoweit beim alten Nutzwertfestsetzungsbeschluß - nur unter Vollzug der Teilung - zu bleiben haben.

Aus den dargestellten Gründen war wie im Spruch zu entscheiden.

Stichworte