OGH 12Os138/98

OGH12Os138/9819.11.1998

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. November 1998 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler, Dr. E. Adamovic, Dr. Holzweber und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Schmidt als Schriftführer, in dem Verfahren gegen Josef P***** betreffend seine Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen des Josef P***** und des Sachwalters Dr. Rudolf S***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 17. Juni 1998, GZ 7 Vr 3296/97-44, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Weiss und des Verteidigers Dr. Stenitzer, jedoch in Abwesenheit des Betroffenen zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Sachwalters Dr. Rudolf S***** wird zurückgewiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen Josef P***** wird verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die Unterbringung des am 23. Juli 1921 geborenen Pensionisten Josef P***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher angeordnet, weil er unter dem Einfluß eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes (§ 11 StGB), der auf einer geistigen und seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht, am 14. Oktober 1997 in Wildon die Richterin Mag. Andrea B***** durch die Äußerung: "Ich werde dir mit einer Gaspistole oder einem Luftdruckgewehr zwischen die Augen schießen und deinen Kopf gegen die Wand schlagen, dann werden wir schon sehen, wer härter ist, dein Kopf oder die Wand, und ob du noch immer lachen wirst", mit dem Tod gefährlich bedrohte, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, somit eine mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohte strafbare Handlung beging, die ihm, wäre er zurechnungsfähig gewesen, als Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB zuzurechnen wäre.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Einweisungserkenntnis richten sich die (nominell) aus Z 4, 5, 9 lit a und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen und die nur angemeldete Nichtigkeitsbeschwerde des Sachwalters. Letztere war zurückzuweisen, da bei der Rechtsmittelanmeldung keiner der in § 281 Abs 1 Z 1 bis 11 StPO angegebenen Nichtigkeitsgründe deutlich und bestimmt bezeichnet wurde (§ 285a Z 2 StPO).

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen ist nicht berechtigt.

Da im Verfahren nach § 21 Abs 1 StGB nur die Grundvoraussetzungen der Einweisung, wozu hinsichtlich der zu befürchtenden strafbaren Handlungen nur die Rechtsfrage ihrer einweisungstauglichen Qualifikation gehört, mit Nichtigkeitsbeschwerde anfechtbar sind, im übrigen jedoch die Gefährlichkeitsprognose als richterliche Ermessensentscheidung ausschließlich, und zwar selbst dann nur mit Berufung bekämpft werden kann, wenn - wie hier - insoweit ein Verfahrens- (Z 4) oder (der Sache nach) ein Begründungsmangel (Z 5) behauptet wird (Mayerhofer StPO4 § 433 E 1 f), gehen zunächst alle gegen diesen Ausspruch gerichteten Einwände von vornherein fehl. Auf die Beschwerdeargumentation gegen die Abweisung des Antrages (325) auf Einvernahme der den Betroffenen während seiner vorläufigen Anhaltung behandelnden Ärzte zum Beweis dafür, daß die bisherige medikamentöse Behandlung zu einer so wesentlichen Besserung seines Krankheitsbildes geführt habe, daß jedenfalls Straftaten mit schweren Folgen nicht mehr zu befürchten seien, ist daher im gegebenen Zusammenhang ebensowenig einzugehen wie auf die Behauptung, die festgestellte Prognose künftiger Begehung von Aggressionsdelikten jeder Art oder Brandstiftung (US 5) sei mit formellen Begründungsmängeln behaftet.

Die dem Beschwerdeführer angelastete Absicht, die bedrohte Richterin in Furcht und Unruhe zu versetzen, findet in den Aussagen der Zeugen Mag. Andrea B***** und Mag. Christopher G***** angesichts des darin bekundeten äußerst aggressiven Verhaltens des Betroffenen im Zusammenhang mit der von ihm angestrebten Rechtsdurchsetzung (247 f, 249 f) in gleicher Weise eine tragfähige Basis wie in seinem von den beiden psychiatrischen Sachverständigen gezeichneten Persönlichkeitsbild (307 f, 317 f). Der Einwand insoweit fehlender Begründung (Z 5) ist daher unberechtigt.

Soweit die Beschwerde schließlich mit der Behauptung, eine Drohung mit dem Tod sei aus deren Wortlaut nicht ableitbar und die gegenteilige Beurteilung vom Schöffengericht auch nicht näher erörtert worden, (der Sache nach allein) einen Rechtsirrtum in Ansehung der objektiven Eignung der inkriminierten Äußerung als gefährliche Drohung im Sinne des § 107 Abs 2 StGB geltend macht (Z 9 lit a), stellt sie mit der isolierten Bezugnahme auf den verbalen Inhalt auf einen hier nicht ausreichenden Beurteilungsmaßstab ab.

Die Rechtsfrage, ob eine Drohung geeignet ist, dem Bedrohten mit Rücksicht auf die Verhältnisse und seine persönliche Beschaffenheit oder die Wichtigkeit des angedrohten Übels begründete Besorgnis einzuflößen (§ 74 Z 5 StGB), ist nämlich keineswegs nur nach deren bloßen Wortlaut, sondern darnach zu beurteilen, ob unter Anlegung eines objektiv-individuellen Maßstabes bei unbefangener Betrachtung der Situation unter Berücksichtigung allfälliger besonderer Umstände, die in der Person des Bedrohten liegen, von diesem der Eindruck gewonnen werden konnte, der Täter sei in der Lage und willens, das angekündigte Übel, wenn auch nicht unbedingt genau unter den in Aussicht gestellten Modalitäten, tatsächlich herbeizuführen (Leukauf/Steininger Komm3 § 74 RN 21).

Der Bedeutungsinhalt der hier in Rede stehenden Drohung besteht im Kern in der Ankündigung, der Betroffene werde die Richterin Mag. B***** unter Einsatz von Schußwaffen und körperlicher Gewalt töten. Unter Mitberücksichtigung der der solcherart Bedrohten aus dem von ihr bearbeiteten Pflegschaftsverfahren bekannten querulativ-paranoiden Persönlichkeitsstruktur des Josef P*****, dessen Verhalten schon seit längerem durch wiederholte Aggressionsausbrüche gegen Richter geprägt war, konnte sie nach Lage des Falles selbst dann den Eindruck gewinnen, der Betroffene werde auf Grund seines psychischen Defektes zum Zwecke der querulativ betriebenen Rechtsdurchsetzung auch vor einem Mord nicht zurückschrecken, wenn die konkreten Modalitäten der angedrohten Übelszufügung in der Regel nur lebensgefährliche Verletzungen erwarten ließen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Josef P***** war daher zu verwerfen.

In der Berufung wendet sich der Betroffene gegen die Urteilsannahme, daß das Zustandsbild seiner Geisteskrankheit und die Art der begangenen Tat befürchten lasse, er werde unter dem Einfluß seiner Erkrankung weitere strafbare Handlungen mit schweren Folgen begehen. Die hiezu ins Treffen geführten Argumente halten allerdings einer Überprüfung nicht stand:

Der psychiatrische Sachverständige Dr. Heinz H***** hat keinesfalls in isolierter Bezugnahme auf den konkreten strafrechtlichen Vorwurf, sondern unter Bedachtnahme auf die aus zweimaligen Begutachtungen in vorangegangenen Strafverfahren, welche im übrigen ähnliche Taten zum Inhalt hatten (51 iVm 221 bis 227), resultierende mehrjährige Beobachtung im Zusammenhalt mit mehreren aktuellen Untersuchungen des Betroffenen nachvollziehbar dargelegt, daß auf Grund dessen durch situative Bewußtseinseinengung sich stetig verschlechternden Krankheitsbildes einer nunmehr als Querulantenwahn zu interpretierenden expansiv paranoid-querulatorischen Entwicklung und der zweimaligen Falsifizierung seiner zuvor erstellten günstigen Prognose weitere Straftaten zu befürchten sind und diese nicht nur mit verbalen Bedrohungen, sondern darüber hinaus mit Aggressionsdelikten unter Einsatz von Schußwaffen und Messern sowie Brandstiftungen auch konkretisiert (259, 261).

Dieses Gutachten wurde von dem beigezogenen zweiten psychiatrischen Experten nicht - wie in der Berufung behauptet - "praktisch übernommen", sondern auf Grund eigener Exploration nach Durchführung eines Persönlichkeitstests vollinhaltlich bestätigt (ON 39).

Die beiden Psychiater haben sich auch eingehend damit auseinandergesetzt, ob eine Unterbringung allenfalls durch eine ambulante medikamentöse Therapie oder einen Wechsel des Wohnortes substituiert werden kann, diese Möglichkeit jedoch nach Lage des Falles mit eingehender Begründung als zu risikoreich abgelehnt (307 f).

Diese Fachmeinung vermag der Beschwerdeführer dadurch nicht in Frage zu stellen, daß er die psychiatrische Diagnose in laienhafter Bewertung lapidar als "überzogen" bezeichnet, überdies auf sein fortgeschrittenes Alter, seine gerichtliche Unbescholtenheit und den aus subjektiver Sicht berechtigten Anlaß für seine gerichtlichen Streitigkeiten verweist sowie schließlich die für die objektive Tatbestandsmäßigkeit nach § 107 StGB irrelevante Behauptung aufstellt, die bedrohte Richterin habe die Drohungen möglicherweise nicht ernst genommen.

Der Einwand, der Betroffene sei niemals gewalttätig geworden und die festgestellten wiederholten Attacken und Drohungen gegenüber seinen Angehörigen und Gerichtsbediensteten aktenmäßig nicht gedeckt, erweist sich angesichts des jeweils konträren Inhalts der angeschlossenen Akten AZ 13 P 213/97s des Bezirksgerichtes für ZRS Graz und 17 Vr 961/97 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als unzutreffend.

Da der Sachverständige Dr. H***** den Betroffenen einen Tag vor der letzten Hauptverhandlung neuerlich untersucht und dabei eine Verschlechterung seines Befindens als Folge einer vorübergehenden Absetzung der Neuroleptikatherapie konstatiert hatte (309), wäre die deshalb von beiden Gutachtern mit sogar höherer Wahrscheinlichkeit als zuvor für den Fall der Rückkehr des Betroffenen in seine gewohnte Umgebung bejahte ungünstige Prognose selbst dann nicht in Zweifel zu ziehen, wenn die behandelnden Ärzte tatsächlich - wie der Verteidiger behauptete (325) - eine allein auf die atypische Lebenssituation der Unterbringung bezogene Besserung der Geisteskrankheit diagnostiziert hätten. Der darauf gerichtete Beweisantrag geht daher ins Leere.

Im Gegensatz zum Berufungsstandpunkt läßt die Art der psychischen Erkrankung des Josef P***** von vornherein ausschließen, daß die von § 21 Abs 1 StGB vorausgesetzte Prognose durch die mittlerweilige Abtretung des Pflegschaftsverfahrens an das Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz entschärft wurde.

Schließlich kann ungeachtet der von der Berufung behaupteten generell nicht nennenswert erhöhten Kriminalitätsrate Geisteskranker nicht bestritten werden, daß eine in bezug auf eine spezifische Rechtsdurchsetzung an einem Querulantenwahn leidende Person, der sie bei völliger Fixierung darauf jeglicher Möglichkeit ausgleichender intellektueller Kontrolle beraubt, eine deutlich schlechtere Prognose hat, daraus entstehenden Konflikten jedweder Art mit Gewalthandlungen zu begegnen als ein mit Rechtsstreitigkeiten konfrontierter Geistesgesunder.

Demnach erweist sich die Unterbringung des Betroffenen in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher als unerläßlich, weshalb den Berufungen - jene des Sachwalters wurde, allerdings ohne Verwirkung des Rechts auf meritorische Erledigung (Mayerhofer StPO4 § 433 E 3), nicht ausgeführt - ein Erfolg zu versagen war.

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