OGH 7Nd510/98

OGH7Nd510/9817.11.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter und Dr. Huber als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache des Adam R*****, infolge der Streitigkeit des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien und des Bezirksgerichtes Bruck an der Mur über die Zuständigkeit gemäß § 47 JN den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Zur Führung dieser Sachwalterschaftssache ist das Bezirksgericht Innere Stadt Wien zuständig.

Text

Begründung

Am 13. 10. 1998 gab Elisabeth R*****, die Ehefrau des Dienstgebers des Adam R*****, beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien zu Protokoll, daß Adam R***** im Unternehmen ihres Ehemannes in Z***** als LKW-Fahrer beschäftigt sei. Adam R***** sei bei einem Verkehrsunfall am 28. 8. 1998 schwer verletzt worden und liege seither im Landeskrankenhaus Bruck an der Mur. Er habe zahlreiche Brüche und eine Verletzung der Lunge erlitten. Seit seiner Operation am 28. 8. 1998 werde er im künstlichen Tiefschlaf gehalten. Er sei nicht ansprechbar und nicht geschäftsfähig. Die Dauer seines Aufenthaltes könne nicht vorhergesagt werden. Laut ärztlicher Mitteilung könne es noch Monate dauern, daß er in Spitalsbehandlung verbleiben müsse "bzw zur Rehabilitation geschickt" werde. Eine Rückkehr in seine Wohnung sei nicht abzusehen. Adam R***** sei verheiratet. Seine Ehefrau und seine Kinder lebten in Polen. Der Dienstgeber sei aus wirtschaftlichen Gründen genötigt, Adam R***** zu kündigen. Da sich dieser nicht selbst vertreten könne, werde die Einleitung eines Sachwalterschaftsverfahrens angeregt.

Als Wohnadresse des Adam R***** wurde 1040 Wien, T*****gasse 4/9, angegeben.

Mit Beschluß vom 13. 10. 1998 sprach das Bezirksgericht Innere Stadt Wien seine Unzuständigkeit aus und überwies das Sachwalterschaftsverfahren gemäß § 44 JN an das Bezirksgericht Bruck an der Mur. Seit seinem Verkehrsunfall habe Adam R***** seinen gewöhnlichen Aufenthalt, jedenfalls aber seinen Aufenthalt im Sprengel des Bezirksgerichtes Bruck an der Mur. Die Rückkehr in seine Wohnung sei nicht abzusehen.

Das Bezirksgericht Bruck an der Mur erklärte sich mit Beschluß vom 23. 10. 1998 ebenfalls für örtlich unzuständig. Für den gewöhnlichen Aufenthalt einer Person (§ 109 Abs 1 JN) sei maßgebend, daß sie diesen nicht bloß vorübergehend benütze, sondern ihn zum Mittelpunkt ihres Lebens, ihrer wirtschaftlichen Existenz und ihrer sozialen Beziehungen mache. Es könne keine Rede davon sein, daß infolge des Spitalsaufenthaltes des Adam R***** dessen tatsächlicher Daseinsmittelpunkt in Bruck an der Mur begründet werden sollte.

Das Bezirksgericht Innere Stadt Wien legte daraufhin den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über den Zuständigkeitsstreit gemäß § 47 JN vor.

Rechtliche Beurteilung

Zur Bestellung eines Sachwalters ist gemäß § 109 Abs 1 JN das Gericht zuständig, in dessen Sprengel der Pflegebefohlene seinen gewöhnlichen Aufenthalt, mangels eines solchen im Inland seinen Aufenthalt hat. Primär ist daher der gewöhnliche Aufenthalt ausschlaggebend.

Gemäß § 66 Abs 2 JN bestimmt sich der Aufenthalt einer Person ausschließlich nach tatsächlichen Umständen; er hängt weder von der Erlaubtheit noch von der Freiwilligkeit des Aufenthaltes ab. Bei der Beurteilung, ob ein Aufenthalt als gewöhnlicher Aufenthalt anzusehen ist, sind seine Dauer und seine Beständigkeit sowie andere Umstände persönlicher oder beruflicher Art zu berücksichtigen, die dauerhafte Beziehungen zwischen einer Person und ihrem Aufenthalt anzeigen.

Der gewöhnliche Aufenthalt ist im allgemeinen bei einer Aufenthaltsdauer von ungefähr sechs Monaten gegeben (RZ 1989/90 mwN), doch stellt die Dauer des Aufenthaltes nur ein Kriterium für die Beurteilung der dauerhaften Beziehungen der Person zu ihrem Aufenthaltsort dar, nicht jedoch das für sich allein entscheidende Moment (EFSlg 49.259). Wesentlich ist selbst bei kurzer Dauer des Aufenthaltes, ob Umstände vorliegen, die dauerhafte Beziehungen zwischen einer Person und ihrem Aufenthalt anzeigen (RZ 1990/52).

Im Zeitpunkt der Entscheidungen der Vorinstanzen war Adam R***** knappe zwei Monate in Spitalspflege. Dafür, daß der Aufenthalt im Landeskrankenhaus Bruck an der Mur länger als sechs Monate dauern werde, ergeben sich aus dem Akt keinerlei Anhaltspunkte. Ebensowenig finden sich Hinweise darauf, daß die Verlegung des Lebensmittelpunktes des Adam R***** nach Bruck an der Mur geplant gewesen sei oder daß Adam R***** irgendwelche besonderen Beziehungen zu diesem Ort gehabt hätte. Die Angaben der Elisabeth R***** sprechen vielmehr dafür, daß die Einlieferung des Adam R***** in dieses Krankenhaus nicht von Umständen persönlicher oder beruflicher Art abhing, sondern mit dem Unfallort im Zusammenhang standen. Es ist daher derzeit davon auszugehen, daß Adam R***** aufgrund zufälliger Umstände und ohne nähere Beziehungen zu Bruck an der Mur vorübergehend an diesem Ort stationiert ist. Somit liegen derzeit keine Anhaltspunkte dafür vor, daß Adam R***** seinen gewöhnlichen Aufenthalt von seinem bisherigen Wohnsitz in Wien nach Bruck an der Mur verlegt hätte.

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