OGH 13Os140/98

OGH13Os140/9811.11.1998

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. November 1998 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel, Dr. Rouschal, Dr. Habl und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Cihlar als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Karl M***** wegen des Verbrechens des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Karl M***** sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft Korneuburg gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Korneuburg vom 17. Juni 1998, GZ 15 Vr 1599/97-64, nach öffentlicher Verhandlung des Generalprokurators, Staatsanwältin Mag. Fuchs, des Angeklagten Karl M***** und des Verteidigers Mag. Tomanek, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem auf den Wahrspruch der Geschworenen beruhenden angefochtenen Urteil wurde Karl M***** des Verbrechens des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB (1.), des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 1 (§§ 19 Abs 1, 20 Abs 1) WaffG (2.) sowie des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (3.) schuldig erkannt.

Danach hat er

zu 1. am 26. Dezember 1997 in Stockerau Herbert P***** durch Abgabe eines Schusses mit seinem Revolver der Marke Smith & Wesson Kal 357 Magnum Nr. 302 K 606, aus einer Entfernung von ca 35 bis 40 cm gegen den Rumpf des Herbert P*****, der (wodurch dieser) eine Schußwunde in der linken Beckenregion mit einem über dem linken Beckenkamm gelegenen Einschuß und einem rund 30 cm langen, etwa 10 bis 15 Grad nach rechts hinten unten geneigten (geneigt) verlaufenden Schußkanal (erlitt) sowie (durch Versetzen von) Schläge(n) mit dem Revolvergriff bzw Revolverlauf gegen den Kopf, der (die) eine strichförmige Rißquetschwunde im rechten Stirnscheitelbereich und eine Prellung und blutende Hautabschürfung hinter dem rechten Ohr zur Folge hatte(n), und (durch) Abgabe eines zweiten Schusses auf den am Boden liegenden Herbert P***** aus einer nicht mehr genau feststellbaren Entfernung zwischen Laufmündung und dem Teppichboden von ca 50 bis 100 cm, wobei das mit einem sehr flachen Einschußwinkel zur Horizontalen abgefeuerte Geschoß den Körper des Herbert P***** nur knapp verfehlte, zu töten versucht (Hauptfrage 1);

zu 2. in der Zeit zwischen 1992 und dem 27. Dezember 1997 die zu Punkt 1 beschriebene Waffe, sohin eine genehmigungspflichtige Waffe unbefugt besessen (Hauptfrage 4);

zu 3. am 26. Dezember 1997 Manuela G***** durch Schläge gegen den Hinterkopf und das Gesicht, die eine Prellung des Hinterkopfes und Hämatome im Gesicht zur Folge hatten, vorsätzlich am Körper verletzt (Hauptfrage 3).

Der Angeklagte bekämpft mit einer auf Z 6 des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, in welcher er die Verabsäumung der Fragestellung "nach §§ 15, 76/87/83, 84 StGB" als Verletzung der Bestimmung des § 314 Abs 1 StPO rügt, ausschließlich (wie auch im Gerichtstag nochmals klargestellt,) nur den (die Strafe bestimmenden) Schuldspruch (zu 1.) wegen des versuchten Mordes. Die Beschwerde geht fehl.

Rechtliche Beurteilung

Eventualfragen sind (ua) dann zu stellen, wenn in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht wurden, die es, wären sie erwiesen, in den Bereich der näheren Möglichkeit rücken, daß die dem Angeklagten zur Last gelegten Tat unter ein anderes Strafgesetz fällt, das nicht strenger ist als das in der Anklageschrift angeführte. Das Vorbringen muß dabei so konkret sein, daß die Beachtung der objektivierten Tatelemente die gewünschte Deutung des Geschehens logisch und empirisch naheliegend ist (Mayerhofer StPO4 § 314 E 16a). Ein solches ist jedoch nicht erfolgt.

Daß sich der Angeklagte in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung (§ 76 StGB) zur Tat hätte hinreißen lassen und sich auch ein rechtstreuer Durchschnittsmensch vorstellen könnte, in dieser Situation und unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles gleichfalls in eine solche Gemütsverfassung zu geraten (11 Os 177/96, EvBl 1996/131), ist nicht ersichtlich, und wird auch in der Beschwerde, die sich weitestgehend im unsubstantiierten Verweis auf den Akteninhalt, das Hauptverhandlungsprotokoll und ein provozierendes Verhalten der Manuela G***** erschöpft, konkret jedoch nur auf die dem Beschwerdeführer vom Sachverständigen unterstellte Eifersucht im Zusammenhang mit dem Alkoholkonsum verweist, nicht aufgezeigt.

Daß der Angeklagte an (weiteren) tätlichen Angriffen gegen seine Lebensgefährtin Manuela G***** von Herbert P***** gehindert und zum Verlassen der Wohnung der Manuela G***** aufgefordert wurde (S 191 v und ff, 203/II), könnte nämlich auch bei Berücksichtigung der fallbezogenen Beziehungsproblematik (S 189 v, 201 ff, 207/II) in einem Menschen von durchschnittlicher Rechtstreue nicht die - als Indikation für eine Fragestellung nach § 76 StGB - essentielle Vorstellung erwecken, unter den gegebenen äußeren Umständen in eine Gemütsverfassung von vergleichbarer Intensität zu geraten, weil diese vor allem auf die Alkoholisierung sowie auf das (psychisch abnorme) Persönlichkeitsbild des Täters zurückzuführen (S 123, 129, 163 ff, 216 ff/II) und demnach, weil auch in Relation zu ihrem Anlaß sittlich unverständlich, nicht allgemein begreiflich ist (12 Os 164/84; Mayerhofer/Rieder StGB4 § 76 E 8, 10, 10a; Leukauf/Steininger Komm3 § 76 RN 12).

Von der Stellung einer Eventualfrage nach versuchtem Totschlag wurde daher zu Recht Abstand genommen.

Daß die ferner von der Beschwerde hervorgehobenen Vefahrensergebnisse, nämlich die Abgabe eines Schusses aus nächster Nähe, die Abstandnahme von weiteren Angriffen zur Vollendung des Tötungsdeliktes und die Veranlassung erster Hilfe, die Erweiterung des Fragenschemas in Richtung vorsätzlicher Körperverletzungsdelikte gleichfalls nicht rechtfertigen konnten, ist evident, hat doch der Beschwerdeführer selbst jeglichen Verletzungs- oder Mißhandlungsvorsatz (§ 5 StGB) auch über eindringliches Befragen entschieden in Abrede gestellt (S 199v, 233 f/II).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Geschworenengericht verhängte über den Angeklagten nach § 75 StGB (erg.: unter Bedachtnahme auf § 28 StGB) eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Jahren. Dabei wertete es als erschwerend das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen und die teils ebenfalls auf Gewalttätigkeit beruhenden Vorstrafen, als mildernd das reumütige Teilgeständnis, das gestörte Persönlichkeitsbild des Angeklagten, die Provokation durch die Zeugin G*****, die unmittelbare Hilfeleistung nach der Tat und der Umstand, daß es beim Versuch geblieben ist.

Den Strafausspruch bekämpfen sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft jeweils mit Berufung, wobei ersterer die Herabsetzung, letztere die Erhöhung des Strafausmaßes begehrt.

Die Berufungen sind nicht gerechtfertigt.

Das Geschworenengericht hat weder einen gewichtigen Milderungsgrund noch einen ebensolchen Erschwerungsgrund übersehen oder fälschlich angenommen.

Entgegen der Berufung des Angeklagten kommt dem geltend gemachten Umstand, er sei über Monate hinweg von der Zeugin G***** betrogen und ausgenutzt worden, keine Bedeutung zu, weil der Angeklagte hievon erst im Verfahren Kenntnis erlangte, zur Tatzeit davon aber nichts wußte; daß der Angeklagte es unterließ, dem Tatopfer durch Abgabe weiterer Schüsse "weiteren Schaden zuzufügen", (fallbezogen gemeint wohl: nicht tötete), ist nicht gesondert als mildernd zu beurteilen, würde doch eine Tatvollendung den Wegfall des hier gewichtigsten Milderungsgrundes nach sich ziehen. Das Herbeiholen von Hilfe wurde ohnedies ausdrücklich als mildernd gewertet.

Der Berufung der Staatsanwaltschaft ist zuzubilligen, daß der Angeklagte zwar zum Mordversuch kein reumütiges Geständnis abgelegt hat, doch wurde ein solches auch gar nicht angenommen. Im übrigen kommt auch einem wesentlichen Beitrag zur Wahrheitsfindung mildernde Wirkung zu. Die Streitigkeiten mit Manuela G***** rechtfertigen zumindest die Annahme einer gewissen Erregung zur Tatzeit (wenn auch nicht einer Provokation); mag allenfalls auch die nach der Tat erfolgte Hilfeleistung durch den Angeklagten teils auch aus dessen Sorge um das eigene Schicksal erfolgt sein, beeinträchtigt dies nicht die dadurch bewirkte Minderung der Tatfolgen.

Im Ergebnis hat daher das Geschworenengericht - auch unter Berücksichtigung der Selbststellung des Angeklagten und der allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung (§ 32 StGB) - über den Angeklagten eine Freiheitsstrafe verhängt, die der Schuld des Täters und dem Unwert der Tat gerecht wird, sodaß sie weder einer Reduktion noch einer Erhöhung bedarf.

Beiden Berufungen war sohin ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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