OGH 7Ob150/98d

OGH7Ob150/98d11.11.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter, Dr. Schalich, Dr. Tittel und Dr. Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Robert B*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Reinisch, Rechtsanwalt in Bad Radkersburg, wider die beklagte Partei H***** AG *****, vertreten durch Dr. Gerhard Halbreiner, Rechtsanwalt in Graz, wegen Feststellung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 28. Jänner 1998, GZ 6 R 491/97p-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 8. Oktober 1997, GZ 25 C 681/97f-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.871,04 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 811,84 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Zwischen den Streitteilen bestand zu Polizze Nr 00168023 eine KFZ-Haftpflichtversicherung, die der Kläger kündigen wollte. Die vom Kläger als Versicherungsmaklerin beauftragte V***** GesmbH übersandte der beklagten Partei am 9. 1. 1997 ein Schreiben, dem sogenannte Kündigungskarten beilagen und dem eine Liste angeschlossen war, auf der die Namen von Versicherungsnehmern aufschienen, deren Versicherungsverträge gekündigt werden sollten. Die Liste enthielt insgesamt 73 Namen, darunter unter Nr 46 auch den Vor- und Zunamen des Klägers. Auf der Liste wurden weder die Polizzennummern noch sonstige Kennzeichnungen angeführt. Die beklagte Partei reagierte auf dieses Schreiben nicht. Sie verständigte weder den Kläger noch die V***** GesmbH davon, daß die Kündigungskarte des Klägers nicht angeschlossen gewesen sei.

Der Kläger begehrte die Feststellung, daß der zwischen den Streitteilen zu Polizze Nr 00168023 abgeschlossene KFZ-Haftpflichtversicherungsvertrag per 1. 3. 1997, 0,00 Uhr geendet habe. Seine Versicherungmaklerin habe am 9. 1. 1997 mittels einer üblichen Versicherungskarte die Aufkündigung des Haftpflichtversicherungsvertrages wegen Fristablaufes gemäß § 14 KHVG erklärt. Sollte dem Kündigungsschreiben die Kündigungskarte des Klägers irrtümlich nicht beigeschlossen gewesen sein, wäre die beklagte Partei verpflichtet gewesen, den Kläger oder dessen Versicherungsmaklerin umgehend hievon zu verständigen, um eine wirksame Kündigung abzuwehren.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens, weil eine Aufkündigung des Versicherungsvertrages durch den Kläger nicht vorliege. Der Versicherungsmakler habe ihr zwar eine Massensendung mit Kündigungskarten und Namen von Versicherungsnehmern übermittelt, bei denen beispielsweise Adressenänderungen vorlagen. Eine Kündigungskarte des Klägers sei aber nicht angeschlossen gewesen. Die beklagte Partei sei nicht verpflichtet, auf eine umfangreiche Liste zu reagieren, aus der weder zu entnehmen sei, ob und wer zu welchem Zeitpunkt kündige noch um welche Art der Versicherung es sich handle. Das Versicherungsunternehmen habe zwar gemäß § 8 VersVG eine rechtsunwirksame Kündigung zurückzuweisen. Sei aber, wie im vorliegenden Fall, überhaupt keine Kündigung erfolgt, könne eine Kündigung auch nicht zurückgewiesen werden.

Das Erstgericht gab dem Feststellungsbegehren statt. Es stellte weiters fest, daß die Kündigungskarte des Klägers der beklagten Partei nicht zugekommen sei, daß aber eine Identifizierung der Versicherungsnehmer allein aufgrund deren Namen zuverlässig möglich sei. Der beklagten Partei wäre es leicht möglich gewesen, die Namensliste mit den tatsächlich eingelangten Kündigungskarten zu vergleichen und mangels Übereinstimmung beim betreffenden Versicherungsnehmer oder bei dessen Maklerin nachzufragen, ob eine Kündigung beabsichtigt gewesen sei oder die Kündigung wegen Fehlens der Kündigungskarte zurückzuweisen. Mangels einer solchen Reaktion sei die Kündigung rechtswirksam.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 52.000, nicht aber S 260.000 übersteige und daß die ordentliche Revision zulässig sei. Auf die im Berufungsverfahren noch strittigen Feststellungen über das Fehlen der Kündigungskarte betreffend den Kläger und die Möglichkeit der Identifizierung der Versicherungsnehmer allein aufgrund ihres Namens komme es nicht entscheidend an. Die beklagte Partei hätte die Kündigung allenfalls unter Bezugnahme auf die Liste und mit dem Hinweis auf fehlende weitere Identifikationsmerkmale gegenüber der als Absender bekannten Versicherungsmaklerin zurückweisen müssen, um eine wirksame Kündigung hintanzuhalten. Die Revision sei zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage fehle, ob der Versicherer auch zur Zurückweisung einer unwirksamen Kündigung durch einen Versicherungsmakler verpflichtet sei.

Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Wie das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist der Versicherer gemäß dem Grundsatz von Treu und Glauben verpflichtet, unwirksame Kündigungen jeder Art ohne Verzug zurückzuweisen. Erfolgt eine solche Zurückweisung nicht, so ist die Kündigung als wirksam zu betrachten. Die dogmatische Begründung dieser Ansicht liegt im Grundsatz von Treu und Glauben, der im Versicherungsvertragsverhältnis im Vordergrund steht. Die Klärung der Vertragslage ist bei einer unklaren oder rechtlich mangelhaften Kündigung dringend geboten. Deshalb muß der Versicherer eine Klärung unverzüglich einleiten. Die nicht rechtzeitige Zurückweisung einer - aus welchen Gründen immer - unwirksamen Kündigung ist als Zustimmung zur vorzeitigen Auflösung des Vertragsverhältnisses oder als Verzicht auf die Geltendmachung der aus der Verspätung oder der Unwirksamkeit einer Kündigung abgeleiteten Rechtsfolgen anzusehen (7 Ob 10/90 = VR 1990/222 mwN und unter ausdrücklicher Ablehnung der Auffassung Schauer's in RdW 1988, 316 ff).

Aus der Kündigung muß klar und unzweideutig zu erkennen sein, daß eine Lösung des Vertragsverhältnisses für die Zukunft beabsichtigt ist (Prölss-Martin, VersVG26 Rz 14 zu § 8 VersVG mit Beispielen, welche Verhaltensweisen des Versicherungsnehmers dieses Inhaltserfordernis nicht erfüllen, so etwa die Einstellung der Prämienzahlung).

Aus dem Schreiben der Versicherungsmaklerin an die klagende Partei geht mit hinreichender Deutlichkeit hervor, daß (unter anderem) der mit Vor- und Zunamen genannte Beklagte das Vertragsverhältnis mit der beklagten Partei auflösen will. Es konnte für die beklagte Partei insoweit nicht zweifelhaft sein, was das Schreiben der Maklerin bezweckte.

§ 14 Abs 2 KHVG sieht für Kündigungen das Erfordernis der Schriftlichkeit vor. Sollte die Namensliste jener Personen, die den Vertrag kündigen wollten, nicht unterfertigt gewesen sein und sollte auch keine Kündigungskarte des Klägers angeschlossen gewesen sein, läge allenfalls ein Formmangel vor, den die beklagte Partei nach den oben aufgezeigten Grundsätzen unverzüglich dem Absender anzeigen hätte müssen, um die Wirksamkeit der Aufkündigung hintanzuhalten. Daß es mehrere Versicherungsnehmer mit dem identen Vor- und Zunamen des Klägers gegeben habe, hat die beklagte Partei nicht einmal selbst behauptet. Bei allfälligen Zweifeln an der Identität ihres Versicherungsnehmers oder bei Zweifeln daran, welcher von mehreren Versicherungsverträgen von der Aufkündigung betroffen sein sollte, wäre ebenfalls mit einer Aufforderung zur Klarstellung oder allenfalls mit einer Zurückweisung der Kündigung unter Anführung der betreffenden Gründe vorzugehen gewesen. Um die Kündigung zurückzuweisen, hätte sich die beklagte Partei keineswegs der Mühe unterziehen müssen, die Adresse des Klägers (oder all jener Namen auf der Liste, bezüglich derer angeblich die Kündigungskarten fehlten oder gar "tausender Versicherungsnehmer", wie in der Revision behauptet wird) zu erforschen. Es hätte vielmehr genügt, den ihr bekannten Absender der Liste mit den Namen der Kündigenden im aufgezeigten Sinn zu kontaktieren, konnte doch kein Zweifel daran bestehen, daß die die Liste übermittelnde Versicherungsmaklerin als Vertreterin der in der Liste genannten Personen einschritt. Bei Zweifeln an dieser Bevollmächtigung durch die beklagte Partei wäre, wie sich ebenfalls aus obigen Ausführungen ergibt, allenfalls ein Vollmachtsnachweis abzuverlangen oder die Aufkündigung wegen mangelnder Bevollmächtigung zurückzuweisen gewesen. Sämtliche von der beklagten Partei gegen die Unwirksamkeit der Aufkündigung vorgetragenen Argumente betreffen somit solche Mängel der Kündigung, die deren Wirksamwerden mangels ihrer Zurückweisung nicht hinderten.

Die in der Revision zur Bekräftigung der Ansicht der beklagten Patei zitierte Entscheidung 7 Ob 79/72 betraf einen insoweit nicht vergleichbaren Sachverhalt, als dort der in der Aufkündigung mit einer konkreten Polizzennummer bezeichnete Versicherungsvertrag bereits rechtswirksam aufgekündigt war. Im vorliegenden Fall geht es aber nicht um einen ohnehin bereits vor dem strittigen Kündigungsschreiben rechtswirksam aufgelösten, sondern im Zeitpunkt des Kündigungsschreibens noch aufrechten Versicherungsvertrag.

Die zutreffenden Entscheidungen der Vorinstanzen waren daher zu bestätigen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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