Spruch:
Das Gesetz verletzen
1. der Beschluß des Bezirksgerichtes Korneuburg vom 15. Juli 1998, AZ 11 Hs 67/98d, mit dem das Rechtshilfeersuchen des Bezirksgerichtes Fürstenfeld zurückgewiesen wurde, in den §§ 93 Abs 2, 156 und 452 StPO;
2. die Verfügung des Bezirksgerichtes Fürstenfeld vom 7. August 1998, mit dem der Akt zur Entscheidung unmittelbar dem Obersten Gerichtshof vorgelegt wurde, im § 64 StPO.
Text
Gründe:
Am 30. Juni 1998 übermittelte das Bezirksgericht Fürstenfeld seinen Akt 4 U 82/98y dem Bezirksgericht Korneuburg mit dem Ersuchen, einen ärztlichen Sachverständigen zu bestellen, der die Dauer der unfallsbedingten Gesundheitsschädigung bei der Verdächtigen Michaela A***** und der Zeugin Iris A***** feststellen sollte (ON 3).
Mit Beschluß vom 15. Juli 1998, AZ 11 Hs 67/98d (GZ 4 U 82/98y-4 des Bezirksgerichtes Fürstenfeld), wies das Bezirksgericht Korneuburg dieses Ersuchen um Rechtshilfe unter ausdrücklicher Verneinung seiner Zuständigkeit mit der (eine Zweckmäßigkeitserwägung anstellenden) Begründung zurück, daß die Bestellung eines Sachverständigen auch über Sprengelgrenzen hinweg möglich sei.
Mit Verfügung vom 7. August 1998 übermittelte das Bezirksgericht Fürstenfeld den Akt unmittelbar dem Obersten Gerichtshof und beantragte, die Unzulässigkeit der durch Zuständigkeitsnegierung ausgesprochenen Rechtshilfeverweigerung festzustellen.
Rechtliche Beurteilung
Wie der Generalprokurator in seiner gemäß § 33 Abs 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt, stehen sowohl die Verweigerung der Rechtshilfe durch das Bezirksgericht Korneuburg (1.) als auch die vom Bezirksgericht Fürstenfeld verfügte unmittelbare Vorlage des Aktes an den Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über den einem Zuständigkeitsstreit ähnlichen Konflikt (2.) mit dem Gesetz nicht in Einklang.
zu 1.: Die vom Bezirksgericht Fürstenfeld im Rechtshilfeersuchen bezeichnete Einholung eines ärztlichen Gutachtens über die Dauer der unfallsbedingten Gesund- heitsschädigung der im Sprengel des Bezirksgerichtes Korneuburg wohnenden Verdächtigen Michaela A***** und deren Tochter Iris A***** umfaßt insbesondere die nach dem XI. Hauptstück der StPO gebotene körperliche Untersuchung dieser beiden Verkehrsunfallopfer im Sinne des § 132 StPO. Demgemäß finden die Bestimmungen über eine Vernehmung durch das in diesem Zusammenhang maßgebliche (vgl auch §§ 81 Abs 2, 220 Abs 2 StPO) Bezirksgericht des Wohnorts der in Augenschein zu nehmenden Personen im Rechtshilfeweg nach §§ 93 Abs 2, 156 und 452 StPO sinngemäß Anwendung, ist doch zu bedenken, daß das Erscheinen der Verdächtigen und der unmündigen Zeugin - nicht aber die Duldung von Untersuchungshandlungen (vgl Foregger/Kodek/Fabrizy StPO7 § 132 Anm I; zuletzt 15 Os 68/98) - zur Befundaufnahme durch den Sachverständigen zwangsweise durchsetzbar wäre. Für diese Anordnung aber - der hier nicht relevante Fall des § 156 zweiter Satz StPO ausgenommen - kommt das Gericht in Betracht, in dessen Sprengel der zum Erscheinen Verpflichtete sich befindet (hier: wohnt) (§ 8 Abs 2 StPO - vgl Lohsing/Serini Strafprozeßrecht4 141 f). Somit liegen fallbezogen die Zuständigkeitsvoraussetzungen für eine Rechtshilfe vor.
Dem Rechtshilfegericht steht indes nur die Prüfung der Gesetzmäßigkeit, nicht aber auch der Zweckmäßigkeit des Rechtshilfeersuchens zu (Foregger/Kodek/Fabrizy StPO7 § 26 Anm I); die Verweigerung der Rechtshilfe durch das Bezirksgericht Korneuburg verletzt daher das Gesetz. Auch ist auf § 64 Abs 2 StPO hinzuweisen.
zu 2.: In Anwendung der Vorgangsweise bei Kompetenzstreitigkeiten (vgl SZ 57/161) folgt, daß es auch in einem solchen wie den vorliegenden Fall den jeweils übergeordneten Gerichtshöfen obliegt, eine Einigung im Sinn des § 64 Abs 1 StPO zu versuchen. Der aus dem zweiten Satz dieser Bestimmung hervorleuchtende Grundsatz, daß ein Zuständigkeitsstreit zweier Gerichte durch die Einigung der beiden ihnen übergeordneten Gerichte behoben werden kann, gilt sinngemäß auch für den Anwendungsbereich des dritten Satzes dieser Gesetzesstelle, der eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes nur für den Fall vorsieht, daß die Zuständigkeit noch zwischen den Gerichtshöfen zweiter Instanz streitig ist (vgl zuletzt 13 Nds 58/97, 14 Nds 12/98, 15 Nds 48/98 uva). Demzufolge hätte das Bezirksgericht Fürstenfeld den Akt zunächst dem übergeordneten Gerichtshof vorlegen müssen.
In Stattgebung der Wahrungsbeschwerde waren sohin die aufgezeigten Gesetzesverletzungen festzustellen.
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