OGH 10ObS347/98x

OGH10ObS347/98x10.11.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Dr. Steinbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Hübner (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Johann Holper (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Smajl K*****, Pensionist, *****, vertreten durch Dr. Gerhard Hiebler, Rechtsanwalt in Leoben, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Ausgleichszulage, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 3. Juni 1998, GZ 7 Rs 43/98t-22, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 19. November 1997, GZ 23 Cgs 57/97p-15, zum Teil bestätigt und abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Verfahrens nach § 503 Z 2 ZPO liegt nicht vor; diese Beurteilung bedarf keiner Begründung (§ 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO). Dem Rechtsmittelwerber sei nur entgegengehalten, daß die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen im Revisionsverfahren nicht bekämpft werden kann. Das Berufungsgericht hat die erstgerichtlichen Feststellungen über die Inhaltsaufenthalte des Klägers unter Verwerfung der Mängel- und der Beweisrüge ausdrücklich übernommen. Damit steht für den Obersten Gerichtshof bindend fest, daß sich der Kläger im Dezember 1994 nur 8 Tage, im Jahr 1995 nur 23 Tage, im Jahr 1996 nur 56 Tage und vom 1. 1. bis 19. 11. 1997 nur 72 Tage in Österreich aufgehalten hat.

Die im angefochtenen Urteil zur Frage des Anspruchs auf Ausgleichszulage ab dem 1. 8. 1996 enthaltene rechtliche Beurteilung der Sache ist zutreffend, weshalb es ausreichen würde, auf deren Richtigkeit hinzuweisen (§ 510 Abs 3 dritter Satz ZPO). Erst kürzlich hat sich der Oberste Gerichtshof mit den Auswirkungen von Auslandsaufenthalten auf den Bezug der Ausgleichszulage auseinandergesetzt und in seinem Urteil vom 16. Juli 1998, 10 ObS 197/98p,folgendes ausgeführt:

"Maßgebliche Norm für die Anspruchsvoraussetzungen des klägerischen Ausgleichszulagenbegehrens ab dem allein noch strittigen Datum 1. 8. 1996 ist § 292 Abs 1 ASVG in der mit diesem Datum (§ 564 Abs 1 Z 1 ASVG idF des SRÄG 1996 BGBl 411) in Kraft getretenen Fassung gemäß Art I Z 154 dieser 53. Novelle zum ASVG. Danach hat ein Pensionsberechtigter (neben weiteren Voraussetzungen) Anspruch auf Ausgleichszulage, "solange er seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat". Nach den Materialien zur neuen Bestimmung wurde der frühere Terminus "(im Inland) aufhält" - über Anregung der betroffenen Sozialversicherungsträger - durch jenen des "gewöhnlichen Aufenthaltes" ersetzt, um so (besser als vorher) "seine Dauer und Beständigkeit sowie andere Umstände persönlicher oder beruflicher Natur zu berücksichtigen, die dauerhafte Beziehungen zwischen einer Person und ihrem Aufenthalt anzeigen", wobei nach dem Willen des Gesetzgebers der neue Ausdruck im Sinne des § 66 Abs 2 JN verstanden werden solle (RV 214 BlgNr 20. GP, 44).

Mit der Auslegung dieses neuen Gesetzesbegriffes hatte sich der Oberste Gerichtshof bereits in seiner Entscheidung 10 ObS 401/97m vom 2. 12. 1997 zu befassen und hiezu in Anknüpfung an die Judikaturgrundsätze im Zusammenhang mit denselben verba legalia" gewöhnlicher Aufenthalt im Inland" in § 3 Abs 1 des Bundespflegegeldgesetzes (BPGG - 10 ObS 2207/96y = SSV-NF 10/83 = SZ 69/184 = ARD 4800/45/96) - von Pfeil jüngst als "Vorbildfunktion für die Neuregelung bei der Ausgleichszulage" bezeichnet (DRdA 1998, 214 [216 a E] - wie folgt ausgeführt:

Nach dem vom Gesetzgeber selbst für maßgeblich erachteten § 66 Abs 2 JN wird der allgemeine Gerichtsstand einer Person auch durch deren gewöhnlichen Aufenthalt begründet. Der Aufenthalt einer Person bestimmt sich ausschließlich nach tatsächlichen Umständen. Er hängt weder von der Erlaubtheit noch von der Freiwilligkeit des Aufenthaltes ab. Bei der Beurteilung, ob ein Aufenthalt als gewöhnlicher Aufenthalt anzusehen ist, sind seine Dauer und seine Beständigkeit sowie andere Umstände persönlicher oder beruflicher Art zu berücksichtigen, die dauerhafte Beziehungen zwischen einer Person und ihrem Aufenthalt anzeigen (§ 66 Abs 2 JN). Daran hat auch die nunmehrige verfassungsgesetzliche Definition des Begriffes "Hauptwohnsitz" in Art 6 Abs 3 B-VG durch Z 1 der B-VG-Novelle BGBl 1994/504, welche mit Wirkung ab 1. 1. 1996 in allen bundes- und landesrechtlichen Vorschriften den Begriff des "ordentlichen Wohnsitzes" ersetzt, nichts geändert. Der Anspruch hängt daher zunächst nur von der tatsächlichen physischen Anwesenheit im Bundesgebiet ab. Auf rechtliche Aspekte, insbesondere die Erlaubtheit des Aufenthaltes (etwa nach fremdenpolizeilichen Vorschriften: dies in Erwiderung der Revisionsausführungen, wonach die Aufenthaltsbewilligung des Klägers mit 26. 8. 1997 limitiert gewesen sei), kommt es daher ebensowenig an wie auf die allfällige Motivation für den Aufenthalt in Österreich. Der faktische Aufenthalt allein genügt freilich nicht. Die örtliche Nahebeziehung des Anspruchswerbers muß vielmehr eine höhere Intensität erreichen. Für die Qualifizierung des Aufenthaltes als "gewöhnlich" sind seine Dauer und Beständigkeit sowie andere Umstände persönlicher oder beruflicher Art zu berücksichtigen, die dauerhafte Beziehungen zwischen einer Person und ihrem Aufenthalt anzeigen. Auf ein bloß voluntatives Element ("Verbleibeabsicht" - hier etwa im Zusammenhang mit der vom Erstgericht festgestellten Absicht des Klägers, die österreichische Staatsbürgerschaft erlangen zu wollen) kommt es - im Gegensatz zum ordentlichen Wohnsitz bzw nun zum Hauptwohnsitz - nicht an. Nur vorübergehende bzw kurzfristige Auslandsaufenthalte können daher den Anspruch nicht beeinträchtigen. Das ergibt sich bereits aus dem üblichen Wortsinn von "gewöhnlich" und den in § 66 Abs 2 JN enthaltenen allgemeinen Kriterien. Es stellt sich allerdings die Frage, bis zu welcher Dauer eines Auslandsaufenthaltes noch von einem vorübergehenden Auslandsaufenthaltes gesprochen werden kann, der nicht zur Versagung des Ausgleichszulagenanspruches führt. Abwesenheiten bis zu vier Wochen sind - ohne Rücksicht auf ihre Gründe - jedenfalls als unschädlich anzusehen.

In den weiteren Überlegungen wurde sodann auf die auch hier in der Revision relevierte Bestimmung des § 89 Abs 1 Z 3 ASVG (Ruhen der Leistungsansprüche bei ... Auslandsaufenthalt) verwiesen, wonach die Leistungsansprüche in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung hinsichtlich der Geldleistungen, solange sich der Anspruchsberechtigte im Ausland aufhält, ruhen; dieses Ruhen von Renten tritt jedoch (nach Abs 2 leg cit) nicht ein, wenn der Auslandsaufenthalt in einem Kalenderjahr nicht zwei Monate überschreitet (Pfeil hat hiezu freilich jüngst - DRdA 1998, 214 [217] - zutreffend ausgeführt, daß eine "schematische Übernahme der Zweimonatefrist aus § 89 Abs 2 ASVG" abzulehnen sei und auch darauf hingewiesen, daß die Ausnahmen vom Ruhen nach § 89 Abs 3 ASVG im Hinblick auf die [speziellen Regelungen für die Ausgleichszulage speziell nach Abs 3 Z 1 betreffend zwischenstaatliche Übereinkommen] nicht zum Tragen käme. Im Gegensatz zu den Ausführungen des Klägers in seiner Revisionsbeantwortung - ist aus den Bestimmungen des AbkSozSi-Jugoslawien ist für seinen Standpunkt nichts abzuleiten. Abgesehen davon, daß das Abkommen durch Kündigung seitens der Republik Österreich außer Kraft getreten ist (BGBl 1996/345), schloß dieses zwar nach seinem Art 5 Abs 1 eine Kürzung, ein Ruhen oder eine Entziehung von Geldleistungen etwa aus der österreichischen Pensionsversicherung aus, weil der Berechtigte im Gebiet des anderen Vertragsstaates wohnte. Nach Z 4 lit a des Schlußprotokolles zu diesem Abkommen bezog sich die jedoch ausdrücklich nicht auf die Ausgleichszulage (Pfeil aaO, FN 23).

Schließlich sprach der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 10 ObS 401/97m auch noch unter Hinweis auf die Entscheidung SSV-NF 3/117 aus, daß das für die Begründung der örtlichen Zuständigkeit gemäß § 7 Abs 1 ASGG maßgebliche Erfordernis des (gleichfalls) gewöhnlichen Aufenthaltes dem im Sinne des § 66 JN gleichwertig und dann nicht erfüllt sei, wenn sich der Versicherte, der seinen Wohnsitz im Ausland hat, jährlich nur einmal durch ein bis drei Monate an einem bestimmten Ort im Inland aufhält, die übrige Zeit jedoch ausschließlich im Ausland befindet.

Erst jüngst hat sich auch Pfeil in seinem Beitrag "Der praktische Fall" in DRdA 1998, 214 ff sehr ausführlich dem Thema Ausgleichszulagenanspruch und Auslandsaufenthalt gewidmet und kam dabei - zusammengefaßt - zu folgenden Ergebnissen:

Schon die frühere Formulierung stellte eindeutig auf einen bestimmten Zeitraum des Inlandsaufenthaltes ab (arg "solange er sich im Inland aufhält" in § 292 Abs 1 ASVG aF); anders als beim Grundanspruch auf die Pension selbst konnte es hier also nicht auf die Situation an einem bestimmten Tag, insbesondere dem Stichtag, ankommen, sodaß jemand, der sich etwa nur zum Zeitpunkt der Prüfung der Voraussetzungen für den Anspruch auf Ausgleichszulage im Inland aufgehalten hat, damit vorerst auch nur mit deren Gewährung im betreffenden Monat rechnen konnte; bestand der Inlandsaufenthalt dann nicht mehr weiter, so endete der Anspruch auf Ausgleichszulage auch mit dem Ende dieses Monats.

Aus den bereits weiter oben zitierten Materialien zur 53. ASVG-Novelle werde deutlich, daß der Gesetzgeber hier offenkundig für solche Personen Erleichterungen habe schaffen wollen, die zwar grundsätzlich im Inland leben, diesen Aufenthalt jedoch kurzfristig und vorübergehend unterbrechen, allerdings ohne näher zu präzisieren, wie lange und wie oft solche Unterbrechungen tatsächlich "ausgleichszulagen-unschädlich" sind bzw wann keine derart tolerierbare Unterbrechung (mehr) vorliegt. Aus der Umschreibung der Kriterien der Dauer und Beständigkeit (im Sinne des vom Gesetzgeber ausdrücklich zitierten § 66 Abs 2 JN) werde deutlich, daß eine Gesamtschau anzustellen ist, in deren Rahmen die genannten Kriterien wichtige - aber eben nur - Indizien darstellen. Bei längeren Auslandsaufenthalten sei weiters auch die Möglichkeit des Pensionsversicherungsträgers, die Voraussetzungen für den Ausgleichszulagenanspruch (insbesondere im Hinblick auf Nettoeinkommen und Unterhaltsansprüche) zu überprüfen, nicht mehr gewährleistet. Auslandsaufenthalte eines Ausgleichszulagenbeziehers hätten daher nur dann grundsätzlich keinen Einfluß auf den Weiterbestand dieses Anspruches, wenn sie zwei Monate pro Kalenderjahr nicht übersteigen, wobei es keinen Unterschied machen dürfe, ob der - zu lange - Auslandsaufenthalt ein ununterbrochener sei oder ob die Zweimonatsfrist durch mehrere Auslandsaufenthalte überschritten werde.

Schließlich befaßt sich Pfeil aaO (218 f) auch noch mit der Fallgestaltung, daß der gewöhnliche Inlandsaufenthalt zwar wegfalle, dann aber wiederum aufleben könne: Begebe sich ein Pensionsbezieher etwa für vier Monate ins Ausland, um einen dort lebenden, schwer erkrankten Angehörigen zu betreuen, so sei die Unterbrechung zwar - und zwar selbst dann, wenn alle Umstände dafür sprächen, daß der Anspruchsberechtigte wieder nach Österreich zurückkehren werde - im Sinne der vorstehenden Ausführungen zu lange, um einen kontinuierlichen gewöhnlichen Aufenthalt annehmen zu können. Aus der Möglichkeit des Auslandsaufenthaltswechsels während ein und desselben Jahres folge weiters, daß der Ausgleichszulagenanspruch für den jeweiligen Rest des Kalenderjahres, in dem ein gewöhnlicher Inlandsaufenthalt vorliegt, nicht verlorengehe, wenn der (die) Auslandsaufenthalt(e) im betreffenden Jahr bereits länger als zwei Monate (allenfalls zuzüglich der Toleranzfrist nach § 296 Abs 2 vierter Satz ASVG: "Ende des Monates, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch wegfallen") sei; auch eine Aliquotierung der (Zweimonats-)Frist etwa im Sinne von "wer erst zu Jahresmitte Ausgleichszulage beansprucht, darf im betreffenden Jahr auch nur ein Monat abwesend sein", wäre mit der Funktion dieser Leistung unvereinbar. Ausgleichszulagenrechtlich sei das Jahr daher bei wechselnden Aufenthalten grundsätzlich in verschiedene Perioden zu teilen. Andererseits reichten einige wenige Monate Inlandsaufenthalt im betreffenden Kalenderjahr dann nicht für dessen Qualifikation als "gewöhnlich" aus, je häufiger derartige Unterbrechungen mehrfacher unmittelbar aufeinanderfolgender (nicht ganz kurzfristiger) Auslandsaufenthalte durch Inlandsaufenthalte vorliegen bzw je länger diese dauern."

Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, so ergibt sich, daß die entscheidungswesentlichen Auslandsaufenthalte des Klägers nach dem 1. 8. 1996 - anders als im Fall der oben zitierten Entscheidung - keineswegs nur kurzfristig und vorübergehender Natur waren. Dieses Kriterium trifft vielmehr für die Inlandsaufenthalte des Klägers zu, die nach den Feststellungen jeweils gerafft im Jahr 1995 nur 23 Tage, im Jahr 1996 nur 56 Tage und im Jahr 1997 bis zum Schluß der Verhandlung erster Instanz am 19. 11. 1997 nur 72 Tage währten. Daraus ergibt sich, daß beim Kläger im strittigen Zeitraum ein gewöhnlicher Inlandsaufenthalt im Sinne des § 292 Abs 1 ASVG nicht vorlag.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch aus Billigkeit sind nicht ersichtlich.

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