OGH 11Os112/98 (11Os122/98)

OGH11Os112/98 (11Os122/98)3.11.1998

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. November 1998 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Schmucker, Dr. Habl und Dr. Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Holy als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Günter H***** wegen des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 erster SatzStGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 2. Juni 1998, GZ 30a Vr 1966/98-55, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Tiegs, und des Verteidigers Dr. Kral, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten Günter H*****, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf fünf Jahre herabgesetzt.

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Günter H***** aufgrund des Wahrspruches der Geschworenen, welche die Hauptfrage 1) in Richtung versuchten schweren Raubes stimmeneinhellig bejaht, die dazu gestellte Zusatzfrage nach Zurechnungsunfähigkeit des Angeklagten stimmeneinhellig verneint und demzufolge die Eventualfrage in Richtung Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zuge voller Berauschung unbeantwortet gelassen haben, des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 erster SatzStGB schuldig erkannt.

Darnach hat er am 27. Februar 1998 in Wien dadurch, daß er ein ca 30 cm langes Küchenmesser gegen Miodrag O***** richtete und forderte, "gib mir dein Geld" sowie "Geld her", mithin durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, dem Miodrag O***** eine fremde bewegliche Sache, nämlich Bargeld, mit dem Vorsatz abzunötigen versucht, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei er den versuchten Raub unter Verwendung einer Waffe verübte.

Der Angeklagte bekämpft dieses Urteil mit einer auf die Gründe der Z 5, 6, 8 und 10a des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Dem Beschwerdeeinwand unter dem erstgenannten Nichtigkeitsgrund zuwider hat der Schwurgerichtshof den (mit Beweisantrag vom 11. Mai 1998 (ON 37) gestellten und) in der Hauptverhandlung vom 2. Juni 1998 (S 311) aufrechterhaltenen Beweisantrag (ua) auf zeugenschaftliche Einvernahme des Dr. Walter N***** und des Leopold P***** mit der zutreffende Begründung abgelehnt, daß die angegebenen Beweisthemen weder für die Entscheidung über die Schuld noch für die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes von Bedeutung waren, weil Dr. N***** zur Tatzeit nicht am Tatort anwesend war und demnach nichts über den Zustand des Angeklagten zur Tatzeit aussagen konnte; daß durch die beantragten Zeugenvernehmungen "zumindest wesentliche Milderungsgründe" hätten dargetan werden sollen, stellt den Nichtigkeitsgrund nicht her.

Entgegen seiner auf die Z 6 gestützten Beschwerde sind durch die Stellung der Hauptfrage 1) die Bestimmungen des § 312 Abs 1 und 2 StPO nicht verletzt worden. Daß der Zeuge Miodrag O***** die (auch) verbale Drohung des Angeklagten mit dem Umbringen - anders als vor der Polizei (S 37) - in der Hauptverhandlung nicht geschildert hat, ändert nichts an der Berechtigung der gestellten Hauptfrage. Muß diese doch stets der Anklage (ON 14) entsprechen, gleichgültig, ob hinreichende Beweise dafür vorliegen oder nicht (vgl Mayerhofer StPO4 E 3 zu § 312).

Auch der Beschwerde gegen das Unterbleiben der Stellung einer Eventualfrage nach räuberischem Diebstahl muß der Erfolg versagt bleiben, weil das bloße Leugnen der "Raubabsicht" noch kein Tatsachenvorbringen darstellt, das eine Beurteilung der Tat nach § 131 StGB in den Bereich der Möglichkeit rückt (vgl Leukauf/Steininger Komm3 RN 3, 4, 12 und 14 zu § 131). Die Stellung der vom Angeklagten vermißten Eventualfrage war sohin nicht indiziert.

Die Instruktionsrüge (Z 8) übersieht zunächst, daß die Rechtsbelehrung auf S 9 zweiter und dritter Absatz sehr wohl eine hinreichend ausführliche Abgrenzung der Tatbestände einerseits des Raubes und andererseits des räuberischen Diebstahls aufweist. Allerdings wäre - der Beschwerdeauffassung zuwider - eine solche Erörterung gar nicht notwendig gewesen, weil die Rechtsbelehrung nur in Ansehung tatsächlich im Frageschema aufscheinender Rechtsbegriffe zu erteilen und nur insoweit anfechtbar ist, eine entsprechende Eventualfrage aber gar nicht gestellt wurde (vgl Mayerhofer aaO E 20 und 23a zu § 345 Abs 1 Z 8).

Der weitere Vorwurf, die schriftliche Rechtsbelehrung sei für Laien unverständlich, ist weder ausreichend substantiiert noch zutreffend; daß diese Rechtsbelehrung - allenfalls - schwer verständlich ist, stellt keine Nichtigkeit dar, weil sie noch mündlich erläutert wird (vgl Mayerhofer aaO E 66a zu § 345 Abs 1 Z 8). Auch die Erörterung (nach Ansicht des Beschwerdeführers) überflüssiger Rechtsfragen begründet keine Nichtigkeit (vgl Mayerhofer aaO E 9a zu § 345 Abs 1 Z 8).

Zutreffend ist hingegen, daß der letzte Satz der Rechtsbelehrung auf S 19 insofern unrichtig ist, als es im Kausalsatz statt ("zurechnungsfähigen" "zurechnungsunfähigen" Zustand heißen müßte. Indes ist diese - ersichtlich auf einem bloßen Schreibfehler beruhende - Unrichtigkeit nicht erheblich (und vermag somit den herangezogenen Nichtigkeitsgrund nicht zu verwirklichen), weil sich aus dem Kontext des gesamten Satzes zweifelsfrei ergibt, daß im letzten Halbsatz nur von einem "zurechnungsunfähigem Zustand" die Rede sein kann (vgl abermals Mayerhofer aaO E 9a zu § 345 Abs 1 Z 8).

Schließlich sei - angesichts der fallbezogen in Betracht kommenden Strafdrohung des § 143 erster Satz StGB - der Beschwerdeführer auch darauf verwiesen, daß vorliegend - wie in der Rechtsbelehrung zutreffend hervorgehoben wird (S 22) - nicht die allfällige Anwendung der Z 2, sondern nur die der Z 3 des § 41 Abs 1 StGB zur Diskussion stehen konnte.

Die Tatsachenrüge (Z 10a) schließlich läuft ihrer Zielrichtung nach lediglich auf eine (unzulässige) Anfechtung der Beweiswürdigung der Geschworenen hinaus, wenn sie behauptet, es müsse ein Irrtum oder Mißverständnis des - in der Hauptverhandlung nicht mehr (auch) von einer verbalen Drohung mit dem Umbringen sprechenden - Zeugen O***** angenommen werden. Erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten Tatsachen lassen sich hingegen dem Akt ebensowenig entnehmen wie Anzeichen einer formal unrichtigen oder unvertretbaren Beweiswürdigung. Im übrigen wäre der Tatbestand des § 143 erster Satz StGB auch dann erfüllt, wenn die Geschworenen (nicht - auch - von einer ausdrücklichen verbalen, sondern) nur von einer von konkludenten Drohungen begleiteten Verwendung einer Waffe beim Raubversuch ausgegangen wären (vgl Leukauf/Steininger aaO E 6 zu § 143).

Die nur zum Teil gesetzmäßig ausgeführte, in diesem Umfang jedoch sachlich nicht begründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher zu verwerfen.

Das Geschworenengericht hatte den Angeklagten wegen des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 StGB erster Satz StGB gemäß dem ersten Strafsatz des § 143 StGB zu einer sechsjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Zugleich wurde ein zum AZ 14 BE 106/97 des Landesgerichtes Eisenstadt bedingt nachgesehener Strafrest von vier Monaten gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO iVm § 53 Abs 1 StGB widerrufen.

Bei der Bemessung der Strafe wurde der rasche Rückfall, zwei einschlägige Vorstrafen und die Begehung einer strafbaren Handlung während einer offenen Probezeit als erschwerend, als mildernd der Umstand gewertet, daß es beim Versuch geblieben ist.

Der Berufung, mit welcher der Angeklagte unter Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung nach § 41 StGB eine Herabsetzung des Strafmaßes anstrebt, kommt insofern Berechtigung zu, als die Gewichtung der vom Geschworenengericht im wesentlichen vollständig erfaßten Strafzumessungsgründe zum Vorteil des Angeklagten ausschlägt. Angesichts der zwar einschlägigen, aber wegen relativ geringfügiger Eigentumsdelikte erfolgten Vorabstrafung und bei Bedachtnahme darauf, daß die Begehung der Straftat während einer offenen Probezeit im Hinblick auf den dafür angeordneten Widerruf an Bedeutung verliert, ist eine maßvolle Reduzierung der Freiheitsstrafe gerechtfertigt. Die reklamierte Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung dagegen scheitert schon am Fehlen der dafür erforderlichen Voraussetzungen, kann doch von einem beträchtlichen Überwiegen der Milderungsgründe ebensowenig die Rede sein wie von einer qualifizierten Wohlverhaltensprognose, sodaß eine weitergehende Strafminderung nicht in Betracht gezogen werden konnte.

Zu einer Abänderung der recte getroffenen Widerrufsentscheidung besteht schließlich keine Veranlassung.

Die Kostenentscheidung ist in § 390a StPO begründet.

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