OGH 9ObA192/98w

OGH9ObA192/98w21.10.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Hradil sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Michael Manhard und Helmut Stöcklmayer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Christian M*****, Chemielaborant, ***** vertreten durch Dr. Christian Kleinszig und Dr.Christian Puswald, Rechtsanwälte in St. Veit an der Glan, wider die beklagte Partei Ing. Günter F*****, Inhaber der Firma Ing. Günter F***** Umwelt- und Prozeßanalytik, ***** vertreten durch Dr. Diethard Schimmer, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 159.502 brutto sA, infolge Revision (Revisionsinteresse S 144.504 brutto sA) der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18. März 1998, GZ 7 Ra 286/97a-14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom 28. August 1997, GZ 35 Cga 46/97s-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S

8.370 (darin S 1.395 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Mängel des Verfahrens erster Instanz, deren Vorliegen das Berufungsgericht verneint hat, können nach ständiger Rechtsprechung in der Revision nicht neuerlich geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0042963).

Der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit liegt nur vor, wenn die Feststellungen auf aktenwidriger Grundlage getroffen wurden, also auf einem bei der Darstellung der Beweisergebnisse unterlaufenen Irrtum, auf einem Formverstoß beruhen, der aus den Prozeßakten selbst erkennbar und behebbar ist; die Aktenwidrigkeit muß überdies für das Urteil von wesentlicher Bedeutung sein. In der hier vorliegenden Übernahme der Feststellungen des Erstgerichtes durch das Berufungsgericht kann schon begrifflich keine Aktenwidrigkeit liegen (Kodek in Rechberger ZPO Rz 4 zu § 503).

Das Berufungsgericht hat die Frage, ob die Entlassung des Klägers berechtigt war, zutreffend verneint, sodaß es ausreicht, auf die Richtigkeit der Entscheidungsbegründung zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Ergänzend ist den Ausführungen der Revisionswerberin entgegenzuhalten:

Auch für den Entlassungstatbestand des § 27 Z 1, dritter Tatbestand AngG gilt der allgemeine Grundsatz (Kuderna, Entlassungsrecht**2 69), daß der Entlassungsgrund schuldhaft gesetzt worden sein muß, wenngleich für den speziellen Tatbestand die Schuldform der Fahrlässigkeit ausreicht (Kuderna aa0 86). Auch hier dient jedoch das essentielle Tatbestandsmerkmal der Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung der Abgrenzung zu einer auf einem nur geringfügigen Verschulden (etwa einem unbedeutenden Versehen) beruhenden, vergleichsweise geringfügigen Verfehlung (Kuderna aaO 86). Nach den für den OGH bindenden Feststellungen hatte Dipl. Ing. P*****, ein Geschäftspartner des Beklagten, dem Kläger schon zu Beginn dessen Tätigkeit seine Hilfe angeboten und blieb auch in der Folge Ansprechpartner des Klägers, wenn Probleme auftraten. Dieser Zeuge war es auch, der den Kläger am 7. 2. 1997, also fünf Tage vor dessen Entlassung, unter dessen Privatnummer anrief, die er nur von der Gattin des Beklagten erhalten haben konnte. Dabei schilderte der Kläger seine Probleme bei Ausübung seiner Tätigkeit, und daß er nicht wisse, wie er weiterarbeiten solle und unterstrich seinen Verdacht, daß sich der Beklagte in finanziellen Schwierigkeiten befinde, mit nicht gezahlten Mietzinsen und offenen Telefongebühren sowie Verspätungen bei der Auszahlung seines laufenden Gehaltes. Dabei gab er auch seine Meinung wieder, daß das Unternehmen des Beklagten vor dem Ruin stehe und die nächsten zwei, drei Monate nicht überleben werde.

Ausgehend von diesen Feststellungen kann dem Kläger gegenüber ein nur geringfügiger Schuldvorwurf erhoben werden. Zum einen durfte der Kläger aufgrund der Nichtzahlung von Mietzinsen und Telefongebühren sowie der sonst unbegründeten Verspätung bei der Auszahlung von Gehältern annehmen, daß der Beklagte tatsächlich Finanzierungsprobleme hatte. Zum anderen mußte er P***** nicht bloß als außenstehenden Lieferanten beurteilen, sondern durfte von einem Naheverhältnis dieses Zeugen zum Beklagten und davon ausgehen, daß er über die finanzielle Situation des Beklagten ohnehin ausreichend informiert und der Kläger daher mit seiner Äußerung keine Geheimnisse des Unternehmens preisgab. Daraus folgt, daß von einem solchen Grad der Vertrauensunwürdigkeit, der dem Beklagten die Weiterbeschäftigung des Klägers unzumutbar gemacht hätte, nicht gesprochen werden kann.

Der vom Revisionswerber erhobene Vorwurf grundsätzlicher Illoyalität des Klägers findet in den Feststellungen keine Deckung.

Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers kann auch der "nachgeschobene" Entlassungsgrund, der darin gelegen sein soll, daß der Kläger unbefugt private Telefongespräche auf Kosten des Arbeitgebers geführt haben soll, nicht erkannt werden: Daß Arbeitnehmer in geringem Umfang - von einem solchen ist auch hier auszugehen - Privatgespräche mit oder ohne Kostenersatz vom Arbeitsplatz aus führen, ist nicht unüblich. Ein Arbeitgeber, der verhindern will, mit den Kosten von privaten Telefongespräche belastet zu werden, wäre demnach verhalten, entweder Privatgespräche überhaupt zu verbieten, umfänglich einzuschränken oder nach vorgeschriebenen Aufzeichnungen zu verrechnen. Nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen ist dies im vorliegenden Fall jedoch nicht erfolgt. Die vom Kläger geführten Privatgespräche waren - unbeschadet einer allfälligen Kostenersatzpflicht - somit ebenfalls nicht geeignet, die Unzumutbarkeit seiner Weiterbeschäftigung zu bewirken und seine Entlassung zu rechtfertigen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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