OGH 9ObA267/98z

OGH9ObA267/98z21.10.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Hopf sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Michael Manhard und Helmut Stöcklmayer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Autohaus G***** Gesellschaft mbH, ***** im Revisionsverfahren nicht vertreten, wider die beklagte Partei Johann I*****, Angestellter, ***** vertreten durch Mag. Daniel Schöpf und Mag. Christian Maurer, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Zustimmung zur Entlassung eines Betriebsratsmitgliedes, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. Juni 1998, GZ 11 Ra 137/98s-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 26. Februar 1998, GZ 20 Cga 260/97f-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat die Frage, ob der Entlassung des Beklagten als Betriebsratsmitglied zuzustimmen sei, zutreffend bejaht. Es kann daher auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung hingewiesen werden (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO). Ergänzend ist den Ausführungen des Revisionswerbers entgegenzuhalten:

Auszugehen ist davon, daß das Gericht unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen des § 120 ArbVG einer Entlassung eines Betriebsratsmitgliedes - soweit hier relevant - nur dann zustimmen darf, wenn sich das Betriebsratsmitglied einer mit Bereicherungsvorsatz begangenen gerichtlich strafbaren Handlung schuldig machte, sofern die Verfolgung von Amts wegen oder auf Antrag des Betriebsinhabers zu erfolgen hat (§ 122 Abs 1 Z 2 ArbVG).

Nach den bindenden Feststellungen der Vorinstanzen wurde der seit 1988 bei der Klägerin, die einen Autohandel betreibt, als Autoverkäufer beschäftigte Beklagte am 24. 11. 1997 rechtskräftig wegen versuchten Betruges (§§ 15, 146 StGB) zu Lasten der E***** Versicherungs AG (im folgenden kurz Versicherung genannt) zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 3 Wochen verurteilt. Zwischen der Klägerin und dieser Versicherung besteht eine enge geschäftliche Zusammenarbeit; insbesondere sind die Autoverkäufer der Klägerin dazu verhalten, die Autokäufer auf die Möglichkeit eines Versicherungsabschlusses bei dieser Versicherung besonders hinzuweisen. Die Klägerin wird zu diesem Zweck auch täglich von Vertretern dieser Versicherung aufgesucht. Darüber hinaus besteht auch eine enge wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen der Konzernmutter der Klägerin, der T***** AG, und dieser Versicherung. Der Beklagte war seit 1992 Betriebsratsmitglied, zuletzt auch Vorsitzender des gemeinsamen Arbeiter- und Angestelltenbetriebsrates. Der versuchte Versicherungsbetrug des Beklagten bezog sich auf seinen bei der Versicherung kaskoversicherten Privat-PKW. Am 18. 12. 1997 erfuhr der Vorgesetzte des Beklagten von der strafgerichtlichen Verurteilung, noch am selben Tag wurde der Beklagte entlassen.

Der Revisionswerber stellt nicht in Abrede, daß er einen Entlassungstatbestand nach § 122 Abs 1 Z 2 ArbVG verwirklicht hat, wendet jedoch ein, daß die strafbare Handlung nur den Privatbereich betroffen habe, schon längere Zeit zurückliege und im übrigen der Reputation der Klägerin und ihrer wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit der Versicherung nicht weiter geschadet habe. Der Entlassung dürfe daher nicht zugestimmt werden, weil der Klägerin die Weiterbeschäftigung des Beklagten zumutbar sei.

Dem kann nicht beigepflichtet werden. Dem Revisionswerber ist entgegenzuhalten, daß es schon beim "normalen" Angestellten (der nicht Betriebsratsmitglied ist) der herrschenden Auffassung entspricht, daß die Entlassung auch auf Handlungen des Angestellten beruhen kann, die mit dem Arbeitsverhältnis in keinem oder keinem unmittelbaren Zusammenhang stehen (Martinek/M.Schwarz/W.Schwarz, AngG7 611 f; Dusak in RdW 1988, 355 f; Arb 6511; Arb 7413; Arb 9091; RdW 1996, 539; WBl 1998/23 ua; vgl auch beim Beamten ÖJZ 1987/288 VwGH [A]). Das außerdienstliche Verhalten muß sich aber auf das Arbeitsverhältnis in der Weise auswirken, daß dadurch das dienstliche Vertrauen des Arbeitgebers verloren geht (Kuderna, Entlassungsrecht2 87; WBl 1995, 417). Der Entlassungstatbestand nach § 122 Abs 1 Z 2 ArbVG unterscheidet nicht, ob die strafbare Handlung des Betriebsratsmitgliedes mit dem Arbeitsverhältnis im Zusammenhang steht oder außerdienstlich ("privat") begangen wurde. Entscheidend ist letztlich nur, ob - trotz Begehung einer strafbaren Handlung im Sinne dieser Gesetzesbestimmung - dem Betriebsinhaber nach den besonderen Umständen des Falles die Weiterbeschäftigung des Betriebsratsmitgliedes zumutbar ist. Aufgrund des Ausnahmecharakters ist diese Bestimmung grundsätzlich restriktiv auszulegen (Heinz, Der besondere Kündigungs- und Entlassungsschutz für Betriebsratsmitglieder und ihnen gleichgestellte Personen 122; Arb 10.415). Derartige besondere Gründe, die ausnahmsweise die Weiterbeschäftigung zumutbar erscheinen lassen, liegen hier nicht vor.

Dem Revisionswerber ist einzuräumen, daß bei einem außerdienstlichen Verhalten die Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung im allgemeinen eher bestehen bleiben und auch die Vertrauenswürdigkeit allenfalls weniger leiden wird als bei einem dienstlichen Verhalten (Kuderna aaO 87). Gerade diese allgemeine Regel greift hier aber nicht, weil durch die im vorliegenden Fall festgestellte enge Zusammenarbeit der Klägerin und ihrer Muttergesellschaft mit der von der strafbaren Handlung des Beklagten betroffenen Versicherung die Interessen der Klägerin an einer auch in Zukunft ungetrübten, vom wechselseitigen Vertrauen getragenen Geschäftsbeziehung auch durch eine bloß außerdienstlich begangene strafbare Handlung des Beklagten derartig schwerwiegend beeinträchtigt wurden, daß die Entlassung des Beklagten letztlich gerechtfertigt war (Arb 5813; Arb 9091; ARD 4210/19/90; ÖJZ 1991/125 VwGH [A]; JBl 1993, 338). Dieser schon an den "normalen" Angestellten anzulegende Maßstab muß um so mehr auch für den Vorsitzenden des gemeinsamen Arbeiter- und Angestelltenbetriebsrates, dem im Betrieb auch eine gewisse Vorbildfunktion zukommt, gelten (vgl Drs in Glosse zu ZAS 1995/13; ecolex 1997, 870).

Daß zwischen der strafbaren Handlung einerseits und der strafgerichtlichen Verurteilung und Entlassung andererseits fünf bis sechs Monate lagen, liegt in der Natur des Strafverfahrens und der Notwendigkeit, den zu beurteilenden strafrechtlichen Sachverhalt sorgfältig aufzuklären, begründet, und vermag der Beklagte nicht für seinen Standpunkt, der Klägerin wäre die Weiterbeschäftigung zumutbar, ins Treffen zu führen. In zeitlicher Hinsicht ist hier entscheidend, daß die Klägerin nach Bekanntwerden des Entlassungsgrundes - unstrittig - ohne jeglichen Verzug reagierte (Kuderna aaO 13 ff mwN).

Der Argumentation des Revisionswerbers, es wäre der Klägerin durch seine strafbare Handlung kein konkreter Schaden entstanden, ist zu erwidern, daß der gegenständliche Entlassungstatbestand auf die Begehung einer bestimmten gerichtlich strafbaren Handlung, nicht jedoch auf den Eintritt eines Schadens, abstellt (vgl auch Arb 5813 ua). Im übrigen war gerade die rasche und strikte Reaktion der Klägerin auf die strafgerichtliche Verurteilung des Beklagten geeignet, einem auch in objektiver Hinsicht zu befürchtenden Reputationsschaden und einer sonstigen relevanten Trübung ihrer ständigen Geschäftsbeziehung zur genannten Versicherung entgegenzuwirken.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40, 50 Abs 1 ZPO iVm § 58 Abs 1 ASGG.

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