OGH 4Ob260/98h

OGH4Ob260/98h20.10.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Pflegschaftssache des Minderjährigen Rene E*****, infolge Revisionsrekurses der Mutter Anna-Maria E*****, vertreten durch Dr. Peter Eigenthaler, Rechtsanwalt in Lilienfeld, gegen den Beschluß des Landesgerichtes St. Pölten als Rekursgericht vom 1. Juli 1998, GZ 10 R 135/98z-27, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 14. Mai 1998, GZ 1 P 1656/95i-24, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Beim Recht auf persönlichen Verkehr (kurz: Besuchsrecht) handelt es sich nach herrschender Auffassung um ein aus der Eltern-Kind-Beziehung abgeleitetes Grundrecht (Menschenrecht) des nichtbetreuenden Elternteils (EFSlg 53.875, 68.627 f, 71.652 uva; Pichler in Rummel, ABGB**2 Rz 1 zu § 148), dessen Zweck darin besteht, den auf Blutsverwandtschaft beruhenden Zusammenhang aufrecht zu erhalten und eine Entfremdung zu verhindern (EFSlg 53.878, 68.624). Oberster Grundsatz bei der gerichtlichen Regelung der Ausübung des Besuchsrechtes ist dabei immer das Kindeswohl (EFSlg 68.629, 71.655, 74.980 uva). Sträubt sich ein Kind gegen das Besuchsrecht des anderen Elternteiles, ist der Erziehungsberechtigte verpflichtet, positiv auf das Kind einzuwirken, um die Ausübung des Besuchsrechtes zu ermöglichen (EFSlg 32.656, 42.406 ua). Auf den Willen unmündiger Minderjähriger kommt es bei der Besuchsrechtsregelung nicht an (EFSlg 74.998); gegenüber mündigen Minderjährigen soll aber kein Zwang ausgeübt werden, wenn sie den persönlichen Verkehr mit dem antragstellenden Elternteil (und sei es auch völlig unbegründet) ablehnen (stRsp EFSlg 45.737, 53.911, 56.633, 75.001; ÖA 1997, 168). Eine anständige, von gegenseitiger Achtung und Zuneigung getragene Begegnung kann nämlich nicht erzwungen werden, und ein mit Zwangsmitteln gegen den Willen des mündigen Minderjährigen durchgesetzter persönlicher Verkehr widerspricht jedenfalls dem Kindeswohl (ÖA 1997, 168).

Die angefochtene Entscheidung bewegt sich im Rahmen dieser Rechtsprechung, wenn sie dem antragstellenden Elternteil infolge Erklärung des im siebzehnten Lebensjahr stehenden mündigen Minderjährigen, er wolle mit seiner Mutter nichts zu tun haben und wünsche keinen Kontakt zu ihr, im Hinblick auf das Kindeswohl kein Besuchsrecht zuerkannt hat. Es macht dabei im Ergebnis keinen Unterschied, ob erst die zwangsweise Durchsetzung eines bestehenden Besuchsrechtstitels verweigert wird oder schon ein Antrag auf Schaffung eines - nicht durchsetzbaren - (Formal-)Titels abgewiesen wird.

Ob auch einem mündigen Sonderschüler eine selbständige verstandesmäßige Willensbildung über den persönlichen Verkehr zum anderen Elternteil zuzugestehen ist, die bei der Beurteilung des Kindeswohls nicht übergangen werden darf, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iS des § 14 Abs 1 AußStrG zeigt der Rechtsmittelwerber nicht auf. Der Revisionsrekurs war deshalb ungeachtet des - den Obersten Gerichtshof gem. § 16 Abs 3 AußStrG nicht bindenden - Zulassungsausspruches des Rekursgerichtes zurückzuweisen.

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