OGH 7Ob214/98s

OGH7Ob214/98s20.10.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter, Dr. Schalich, Dr. Tittel und Dr. Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Adelheid K*****, vertreten durch Dr. Alfred Lind und Dr. Klaus Rainer, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Franz K*****, vertreten durch Dr. Annemarie Stipanitz-Schreiner, Rechtsanwalt in Graz, wegen Unterhalt (Revisionsinteresse S 185.760,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 6. März 1998, GZ 2 R 37/98w-54, womit das Urteil des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 23. Oktober 1997, GZ 29 C 169/95p-46, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 9.900,-- (darin S 1.650,-- USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die am 8. 2. 1969 geschlossene kinderlos gebliebene Ehe der Streitteile wurde aufgrund der am 11. 6. 1995 erhobenen Scheidungsklage mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes für ZRS Graz vom 13. 11. 1995 aus dem Alleinverschulden des Beklagten geschieden. Die Klägerin war bis ca Dezember 1992 als Angestellte mit einem durchschnittlichen Monatseinkommen von zuletzt S 10.861,-- beschäftigt. Bis Anfang des Jahres 1993 war sie arbeitslos und im Krankenstand, seit 1. 6. 1993 bezieht sie eine Berufsunfähigkeitspension, und zwar 1993 von monatlich durchschnittlich S 10.300,--, 1994 durchschnittlich monatlich S 11.000,-- und 1995 von monatlich durchschnittlich S 11.400,--. Sie besitzt an Vermögen Wertpapiere mit einem Nominale von S 200.000,--, einen Bausparvertrag von S 51.000,--, der im Dezember 1995 ausbezahlt wurde, eine Lebensversicherung, auf die bis Feber 1995 S 36.000,-- einbezahlt wurden, Schmuck im geschätzten Wert von S 20.000,-- bis S 30.000,--. Darüberhinaus erhielt die Klägerin von ihrer Schwester Geldgeschenke von jährlich S 40.000,-- sowie monatliche Zuwendungen von ihrer Mutter bis zu deren Tod von durchschnittlich S 3.000,-- bis S 4.000,--.

Der Beklagte bezog im Jahr 1992 ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von S 26.503,--, 1993 von S 29.982,--, 1994 von S 30.780,--, 1995 von S 31.568,-- und 1996 von S 31.354,--. Er besitzt an Vermögen ein Sparkonto mit einem Guthabensstand von S 260.000,-- (Stand zum Feber 1996), eine Lebensversicherung, auf die bis zum Februar 1996 S 90.000,-- geleistet wurden, Wertpapiere mit einem Nominale von S 100.000,-- sowie zwei PKWs, und zwar einen Mercedes, der im Februar 1996 einen Zeitwert von S 290.000,-- hatte und einen Mitsubishi Colt, der ebenfalls im Februar 1996 einen Zeitwert von S 70.000,-- hatte.

Am Anfang der Ehe wurde zwischen den Streitteilen ausdrücklich vereinbart, daß die Klägerin ein Wirtschaftsgeld erhält und der Beklagte mit dem restlichen Familieneinkommen wirtschaftet. Tatsächlich erhielt die Klägerin von Anfang der Ehe an S 3.000,-- bis S 4.000,-- aus dem gemeinsamen Familieneinkommen, der Rest wurde vom Beklagten in das gemeinsame Haus investiert, das auch zweimal umgebaut wurde und wofür er sämtliche Kosten, auch die Betriebskosten, beglich. Wenn Rechnungen an die Klägerin persönlich gerichtet waren, öffnete sie die Kuverts und gab die Erlagscheine dem Beklagten zur Bezahlung weiter. Auch 1993/94 wurden am gemeinsamen Haus Arbeiten durchgeführt, zB wurden Türen ersetzt und ein Kachelofen gebaut. Auch in dieser Zeit überließ daher die Klägerin dem Beklagten die Disposition über das Familieneinkommen bis auf ein Wirtschaftsgeld von etwa S 4.000,-- monatlich. Diese Verfügungen traf der Beklagte für das gemeinsame Geld bis zur Einbringung der Scheidungsklage, danach überließ die Klägerin dem Beklagten die Verwaltung ihres Vermögens und Einkommens nicht mehr. Die Klägerin händigte ihr Einkommen dem Beklagten bis einschließlich Mai 1995 aus. Nach diesem Zeitpunkt leistete die Klägerin an den Beklagten keinerlei Zahlungen mehr, sondern verwendete ihre gesamte Pension ausschließlich für ihre eigenen Zwecke, während der Beklagte nunmehr die laufenden Aufwendungen für die gemeinsame Liegenschaft alleine zu tragen hatte. Die gemeinsamen Aufwendungen der Ehegatten für den Zeitraum Dezember 1992 bis Dezember 1995 beliefen sich zusammen auf S 865.247,88, darin enthalten sind Aufwendungen für das gemeinsame Wohnhaus, Zahlungen für die Merkur Krankenversicherung, Kirchenbeiträge, Hausbetriebskosten (Radio-Fernsehen, Heizöl, Telefon, Grundsteuer und Müllgebühren, Strom, Rauchfangkehrerrechnung), diverse Versicherungszahlungen, PKW-Haftpflichtversicherung, Rechtsschutzversicherung, Gebäudebündelversicherung, Bündelversicherung, Er- und Ablebensversicherungen, sowie eine Kraftfahrzeugkaskoversicherung für einen Mercedes C 220 und die Platzmiete für das Wochenendgrundstück W*****.

Mit der am 28. 11. 1995 bei Gericht eingelangten Klage begehrte die Klägerin vom Beklagten einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 6.600,-- ab 1. 12. 1992. Sie habe von ihrem Einkommen monatlich lediglich zwischen S 3.000,-- und S 4.000,-- als Wirtschaftsgeld behalten dürfen bzw erhalten, den Rest habe sie dem Beklagten weitergegeben. Dieser habe also über ihr Einkommen verfügt. Die Klägerin habe nach der Beendigung ihrer Tätigkeit bei der Firma H***** eine Abfertigung von S 188.000,-- erhalten, die der Beklagte in Wertpapieren angelegt habe, der Beklagte habe jedoch die Zinsen daraus für sich verbraucht. Der Beklagte habe stets teure Autos gekauft, es sei auch ein Zweitwagen vorhanden gewesen, den der Beklagte aber bei schlechtem Wetter benützt habe, um den teureren PKW Mercedes zu schonen. Die Klägerin habe mit dem Rad oder Autobus zur Arbeit fahren müssen. Im Sommer 1994 sei es zu einer Unterhaltsvereinbarung gekommen, wonach sich der Beklagte verpflichtet habe, einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 8.000,-- zu leisten.

Der Beklagte anerkannte einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 2.700,-- ab 1. 12. 1995. Darüber hinaus beantragte er die Abweisung des Klagebegehrens. Zwischen den Parteien habe Einvernehmen über die Finanzierung des Lebensunterhaltes von Anfang an bestanden. Die Klägerin habe ein Wirtschaftsgeld von S 3.000,-- bis S 4.000,-- monatlich erhalten, mit dem Rest des Familieneinkommens habe der Beklagte gewirtschaftet. Er habe sämtliche Zahlungen in der Ehe geleistet, wie zB für die Haus- und Betriebskosten, die Merkur-Zusatzversicherung, die Kirchensteuer, die PKW-Kosten und Investitionen in das Haus. Darüberhinaus habe der Beklagte Einkäufe getätigt. Während der Ehe habe die Klägerin zahlreiche Kleider angeschafft und Schmuck gekauft, so seien drei Pelzmäntel und 56 Pullover vorhanden. Darüberhinaus habe der Beklagte mit dem von ihm verwalteten Geld für sich und die Klägerin Ansparungen in namhafter Höhe getätigt. Erst im Sommer 1994 habe die Klägerin für die Zukunft ein Wirtschaftsgeld von S 8.000,-- monatlich verlangt.

Das Erstgericht sprach der Klägerin für die Zeit vom 1. 12. 1992 bis 31. 5. 1995 einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von S 6.110,--, für die Zeit vom 1. 6. 1995 bis 30. 11. 1995 von monatlich S 4.310,-- und ab 1. 12. 1995 über den mit dem Teilanerkenntnisurteil vom 20. 12. 1995 zugesprochenen Betrag von S 2.700,-- einen weiteren monatlichen Unterhaltsbetrag von S 1.610,-- zu und wies das darüber hinausgehende Klagebegehren (rechtskräftig) ab. Rechtlich folgerte das Erstgericht aus den getroffenen Feststellungen, daß die Klägerin mit 40 % am Familieneinkommen zu partizipieren habe, weshalb ihr die zugesprochenen Beträge für die Zeit der Ehe gemäß § 94 ABGB, für die Zeit danach gemäß § 66 EheG zustünden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten teilweise Folge und wies nach einer Beweiswiederholung das von der Klägerin für die Zeit vom 1. 12. 1992 bis 31. 5. 1995 erhobene Unterhaltsbegehren zur Gänze ab, verpflichtete den Beklagten für die Zeit vom 1. 6. 1995 bis 30. 11. 1995 zu einer monatlichen Unterhaltszahlung von S 3.900,-- und wies das darüber hinausgehende noch aufrechte Unterhaltsbegehren (von monatlich S 410,--) ab. Es bestätigte das Ersturteil in seinem Unterhaltszuspruch für die Zeit ab 1. 12. 1995 und erklärte die Erhebung der ordentlichen Revision für zulässig. Rechtlich folgerte das Berufungsgericht, daß die Streitteile miteinander eine Unterhaltsvereinbarung getroffen hätten, mit der der Beklagte ermächtigt worden sei, das ihm überlassene Arbeitseinkommen der Klägerin weitestgehend für gemeinsame Zwecke zu verwenden, während der Klägerin nur ein Wirtschaftsgeld bis monatlich maximal S 4.000,-- für die Anschaffung der monatlich benötigten Speisen und Getränke überlassen worden sei. Diese Vereinbarung habe die Klägerin mit Mai 1995 rechtswirksam widerrufen. Demnach sei es ihr verwehrt, mehr an Unterhalt für die Zeit davor rückwirkend zu verlangen, als sie tatsächlich erhalten habe.

Die gegen die gänzliche Abweisung des Unterhaltsbegehrens für die Zeit vom 1. 12. 1992 bis 31. 5. 1995 und gegen die Abweisung des Unterhaltsmehrbegehrens vom 1. 6. 1995 bis 30. 11. 1995 von der Klägerin erhobene Revision war aus folgenden Gründen zurückzuweisen:

Rechtliche Beurteilung

Nach Lehre und Rechtsprechung setzt eine schlüssige ("stillschweigende") Unterhaltsvereinbarung gemäß § 863 ABGB einen derart eindeutigen Aussagewert des Parteienverhaltens und der sonstigen Umstände voraus, daß eine andere Auslegung vernünftigerweise nicht in Betracht kommt. Eine besondere Art der Unterhaltsvereinbarung stellt der Unterhaltsverzicht dar. Für die Vergangenheit kann auf Unterhalt unbeschränkt verzichtet werden, für die Zukunft ist während aufrechter Ehe der Unterhaltsanspruch als solcher gemäß § 94 Abs 3 ABGB dem Grunde nach unverzichtbar. Zulässig ist ein nur umfänglich beschränkter Verzicht auf zukünftigen Unterhalt, nämlich ein Verzicht auf (konkretisierte oder konkretisierbare) zukünftige Einzel- oder Teilleistungen des Unterhaltes. Ist ein Verzicht auf zukünftigen Unterhalt nicht eindeutig terminisiert, so ist Widerruflichkeit anzunehmen. Verzichtserklärungen sind eng auszulegen, ein schlüssiger Verzicht ist aber zu bejahen, wenn und soweit er sich aus den Umständen des konkreten Falles absolut zweifelsfrei ergibt. So hat ein Unterhaltsberechtigter (bis auf Widerruf) auf allfällige ihm nach dem Gesetz zustehende Mehrleistungen eindeutig verzichtet, wenn er dem Verpflichteten ausdrücklich erklärt hat, mit einem bestimmten monatlichen Unterhaltsbetrag einverstanden zu sein (vgl Schwimann in Schwimann ABGB2 § 94 Rz 4 und 8 mwN).

Die Klägerin hat mit dem Beklagten ihre in diesem Sinne getroffene Vereinbarung bis Mai 1995 durch Überweisung bzw Aushändigung ihres gesamten Arbeits- bzw Pensionseinkommens praktiziert. Dies entsprach der partnerschaftlichen Einigung über die Gestaltung der Lebensverhältnisse. Auch das vom Beklagten zugestandene Verlangen nach einem höheren Wirtschaftsgeld im Herbst 1994 hat die Klägerin nicht veranlaßt, ihre Überweisungsaufträge zu widerrufen, sodaß ihrem Begehren nur die Qualifikation eines Vorschlages, die bisherige Vereinbarung zu ändern, der aber von ihr selbst nicht weiter verfolgt wurde, zukommt. Die vom Berufungsgericht angenommene Wertung, daß die Zusage und das folgende Verhalten der Klägerin bis Mai 1995 als Unterhaltsvereinbarung unter gleichzeitig teilweisem Verzicht auf den ihr zustehenden gesetzlichen Unterhalt zu beurteilen ist, entspricht daher im Ergebnis den dargelegten Grundsätzen. Mit dem Widerruf im Mai 1995 - dies fällt ungefähr mit der Einbringung der Scheidungsklage zusammen - ist diese Vereinbarung ab diesem Zeitpunkt hinfällig geworden und hat der Beklagte ab diesem Zeitpunkt der Klägerin den ihr zustehenden gesetzlichen Unterhalt, dessen von den Vorinstanzen ausgemittelte Höhe nicht substantiell bestritten wird, zu bezahlen. Der Beurteilung der vorliegenden Rechtsfragen kommt im übrigen keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu, sodaß die Revision auch aus diesem Grund zurückzuweisen war. Das Berufungsgericht ist nicht davon ausgegangen, daß sämtliche durch die Unterhaltsvereinbarung vom Beklagten vereinnahmten Beträge tatsächlich auch gemeinsamen Investitionen zugeflossen sind. Es führte vielmehr aus, daß private und gemeinsame Ausgaben des Beklagten nicht lückenlos dokumentiert werden konnten. Die von der Klägerin gerügte Aktenwidrigkeit liegt daher nicht vor.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO. Das Kostenmehrbegehren war abzuweisen, weil das Revisionsinteresse nur mehr S 185.760,-- betrug.

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