OGH 15Os132/98 (15Os133/98)

OGH15Os132/98 (15Os133/98)1.10.1998

Der Oberste Gerichtshof hat am 1. Oktober 1998 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder, Dr. Rouschal, Dr. Schmucker und Dr. Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Fitz als Schriftführer, in der Strafsache gegen Adrian C***** und Martin S***** wegen des Verbrechens des schweren und gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, 130 zweiter Satz zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 25. Juni 1998, GZ 1 b Vr 3060/98-33, sowie über deren Beschwerde gegen den gleichzeitig verkündeten Beschluß auf Absehen vom Widerruf gemäß § 55 StGB nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Staatsanwältin Mag. Fuchs, und der Verteidiger Dr. Joachimsthaler und Dr. John, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

1. Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben; es werden das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, in dem die zwei Angeklagten betreffenden Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) sowie der gemäß § 55 StGB gefaßte Beschluß aufgehoben; die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

2. Die Staatsanwaltschaft wird mit ihrer Berufung und ihrer Beschwerde auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

3. Gemäß § 390 a StPO fallen beiden Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden die polnischen Staatsangehörigen Adrian C***** und Martin S***** des Verbrechens des schweren und gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, 130 zweiter Satz zweiter Fall StGB schuldig erkannt, weil sie in der Nacht zum 8.Jänner 1998 in Wien gewerbsmäßig durch fünf Einbruchsdiebstähle in versperrte Fahrzeuge Gegenstände im Gesamtwert von ca 30.300 S gestohlen hatten. Das Erstgericht verurteilte sie hiefür nach dem höheren Strafsatz des § 130 StGB unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 11.März 1998, GZ 13 Vr 370/98-18 (mit dem über die Angeklagten wegen in der Nacht vom 4. auf den 5.Februar 1998 in Graz gewerbsmäßig durch Einbruch verübter PKW-Einbruchsdiebstähle Freiheitsstrafen von je einem Jahr verhängt worden waren, von denen gemäß § 43 a Abs 3 StGB jeweils ein Strafteil von acht Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen worden war), zu Zusatzfreiheitsstrafen in der Dauer von je sechs Monaten, von denen gemäß § 43 a Abs 3 StGB je vier Monate für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurden.

Unter einem faßte das Erstgericht den Beschluß, gemäß § 55 StGB vom Widerruf der vom Landesgericht für Strafsachen Graz den Angeklagten gewährten bedingten Strafnachsichten abzusehen.

Gegen die (gesetzwidrige) Strafenteilung richtet sich eine von der Staatsanwaltschaft aus Z 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde; die (ihrer Ansicht nach zu niedrige) Strafhöhe bekämpft sie mit Berufung und den verweigerten Widerruf gemäß § 55 Abs 1 StGB mit Beschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde ist im Recht, weil das Schöffengericht übersehen hat, daß gemäß dem klaren Wortlaut der von ihm zitierten Bestimmung des § 43 a Abs 3 erster Satz StGB eine teilbedingte Freiheitsstrafe unter den dort genannten weiteren Voraussetzungen nur dann zu gewähren ist, wenn das Ausmaß der im Urteil verhängten Freiheitsstrafe mehr als sechs Monate beträgt, was vorliegend nicht zutrifft. Dies gilt auch bei Verhängung einer Zusatzstrafe gemäß §§ 31, 40 StGB (Leukauf/Steininger Komm3 RN 11 und 13 sowie Foregger/Kodek StGB6 Anm III. vorletzter Satz je des § 43 a). In einem solchen Fall ist nämlich allein die Höhe der verhängten Zusatzstrafe (die einen eigenständigen Strafausspruch enthält), aber nicht die sich unter Einrechnung der im zeitlich vorangegangenen Urteil ausgesprochenen Freiheitsstrafe ergebende "Gesamt- strafe" maßgebend (Leukauf/Steininger aaO RN 18; Foregger/Kodek aaO Anm V.; Mayerhofer/Rieder StGB4 E 54 a, 55 a; Pallin in WK Rz 1 und 7 jeweils zu § 31; jüngst 15 Os 56/98 = ÖJZ-LSK 1998/160 = EvBl 1998/150). Der Oberste Gerichtshof sieht sich nicht veranlaßt, von dieser Rechtsprechung abzugehen.

Die in Leukauf/Steininger aaO RN 8 und 13 enthaltene Kritik, auf welche sich der Angeklagte S***** in seiner Gegenausführung zur Nichtigkeitsbeschwerde und seiner gemäß § 35 Abs 2 StPO erstatteten Äußerung beruft, ist keine an der Rechtsprechung; die Bedenken der Kommentatoren richten sich gegen die kriminalpolitische Zweckmäßigkeit der durch ein bestimmtes Strafmaß ausgelösten Anwendungsbeschränkung einer bedingten Strafnachsicht durch das Gesetz. Zur Schaffung einer "befriedigenden" Lösung des dort angeschnittenen Problems ist aber allein der Gesetzgeber berufen.

Auch das Vorbringen im Gerichtstag, durch Säumigkeit der Gerichte sei es vorliegend zu zwei Urteilen und damit zur Verhängung einer Zusatzstrafe gekommen, versagt: Denn erst nach Fällung des Urteiles des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 11. März 1998, GZ 13 Vr 370/98-18, langte am 18. März 1998 die dem nunmehrigen Verfahren zugrunde liegende Anzeige ein, die ihrerseits wieder auf den notwendigen Erhebungen aus Anlaß einer beim Angeklagten und seinem Komplizen bei der versuchten Ausreise aus Österreich vorgefundenen, auf fremden Namen lautenden Parkkarte beruhte.

Zufolge der dem Erstgericht in bezug auf beide Angeklagten unterlaufenen Urteilsnichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO) waren der (gesetzwidrige) Strafausspruch - einschließlich der Vorhaftanrechnung - sowie der damit sachlich untrennbar verbundene Beschluß gemäß § 55 StGB aufzuheben, die Sache - unter Verweisung des öffentlichen Anklägers mit seiner Berufung und Beschwerde hierauf - in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Schöffengericht erster Instanz zurückzuverweisen.

Da den Angeklagten, die sich nach ihrer Entlassung aus der Untersuchungshaft nicht mehr in Österreich aufhalten (sicherheitsbehördliche Erhebungsergebnis ON 5 des Os-Aktes) die Vorladung zum Gerichtstag nicht zugestellt werden konnte, und für sie keine Wahlverteidiger, sondern gemäß § 41 Abs 2 StPO bestellte Verfahrenshilfeverteidiger einschritten, durfte der Gerichtstag über die von der Staatsanwaltschaft zum Nachteil der Angeklagten erhobenen Berufung nicht durchgeführt werden. Denn nach der Vorschrift der §§ 294 Abs 5 zweiter Satzund 296 Abs 3 zweiter SatzStPO ist der nicht verhaftete Angeklagte zum Gerichtstag über die Berufung stets vorzuladen. Der Gerichtstag vor dem Obersten Gerichtshof wurde daher auf die Verhandlung und Entscheidung über die zum Nachteil der Angeklagten ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft eingeschränkt.

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