OGH 15Os155/98 (15Os157/98)

OGH15Os155/98 (15Os157/98)1.10.1998

Der Oberste Gerichtshof hat am 1. Oktober 1998 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder, Dr. Rouschal, Dr. Schmucker und Dr. Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Fitz als Schriftführer, in der Strafsache gegen Karl W***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 19. Mai 1998, GZ 27 Vr 520/97-18, sowie über dessen Beschwerde gegen den gleichzeitig gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO verkündeten Widerrufsbeschluß nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch unbekämpft gebliebene Freisprüche enthält, wurde Karl W*****, geborener K*****, früher auch S*****, des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer Freiheitsstrafe sowie gemäß § 369 Abs 1 StPO zur Zahlung von 878.608 S an die Privatbeteiligte Rosa H***** verurteilt.

Danach hat er in Saxen Rosa H***** und (im Schuldspruchsfaktum 3 auch) Josef H***** mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich unrechtmäßig zu bereichern, und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung der Taten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, durch Täuschung über nachangeführte Tatsachen zu Handlungen verleitet, die diese in einem 500.000 S übersteigenden Betrag am Vermögen schädigten, indem er vorgab,

1. vor dem 2. Februar 1995, sie habe sich wegen Vermietung von Zimmern an Ausländer ohne (schriftlichen) Mietvertrag strafbar gemacht und er werde ihr die Liegenschaft nach drei Jahren wieder zurückgeben, zum Abschluß des Schenkungsvertrages vom 2. Februar 1995 und zur Übertragung des Eigentumsrechtes an der Liegenschaft EZ 237, GB 43003 E*****, im Wert von zumindest 500.000 S (= Anzeigefaktum 3),

2. sie habe die Rechtsanwaltskosten für die Errichtung des Schenkungsvertrages zu bezahlen,

a) Ende Jänner 1995 zur Übergabe von 5.000 S (= Anzeigefaktum 4),

b) am 2. Februar 1995 zur Übergabe weiterer 25.000 S (= Anzeigefaktum

5);

3. in der Karwoche 1995, er müsse für Rosa H***** eine Geldstrafe vom Finanzamt Linz in Höhe von 185.000 S bezahlen, zur Übergabe von 100.000 S (= Anzeigefaktum 8);

4. im März 1996, er werde für sie einen Perserteppich um 25.000 S verkaufen, zur Herausgabe des Teppichs (= Anzeigefaktum 11);

5. am 29. März 1996, Rosa H***** sei beim Finanzamt angezeigt worden und müsse eine Strafe von 285.000 S bezahlen, ansonsten sie eingesperrt werde, zur Übergabe von 140.000 S (= Anzeigefaktum 12);

6. am 18. April 1996, es sei wegen des fehlenden Mietvertrages mit den Ausländern zu einer außertourlichen Strafe gekommen, zur Auflösung eines Sparbuches und Übergabe des Realisats in Höhe von 83.608 S (= Anzeigefaktum 13).

Unter einem verkündete der Vorsitzende gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO iVm einerseits § 53 Abs 1 StGB, andererseits § 55 Abs 1 StGB auf Widerruf zweier dem Angeklagten bedingt gewährter Freiheitsstrafen von zehn und vier Monaten.

Ausdrücklich nur gegen die Schuldspruchsfakten 1, 3, 5 und 6 des Urteilssatzes richtet sich die vom Angeklagten auf Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde. Den Strafausspruch bekämpft er (der Sache nach) mit Nichtigkeitsbeschwerde aus § 281 Abs 1 Z 11 StPO und mit Berufung; ebenso beruft er gegen die Entscheidung über die privatrechtlichen Ansprüche. Den Widerrufsbeschluß ficht er mit Beschwerde an.

Rechtliche Beurteilung

Unberechtigt ist der in der Mängelrüge (Z 5) nur gegen einen Teil der erstgerichtlichen Feststellungen zum Schuldspruchsfaktum 1 = Anzeigefaktum 3 (US 15) erhobene Vorwurf, wonach die zwischen dem Angeklagten und Rosa H***** vereinbarte Rückübereignung der in Rede stehenden Liegenschaft nicht eingehalten "wird", entbehre jeglicher Begründung; da Rosa H***** bereits im Jahre 1996 - also vor dem vereinbarten Rückgabetermin - auf Übergabe der gegenständlichen Liegenschaft geklagt habe, hätte er gar keine Möglichkeit gehabt, die getroffene Vereinbarung einzuhalten.

Indem die Beschwerde zum einen bloß eine der beiden tatkausalen Täuschungsvarianten kritisiert, die andere, die für sich gleichfalls den Schuldspruch tragen könnte, aber unbekämpft läßt, berührt das Vorbringen keinen entscheidenden Umstand, was jedoch für die erfolgreiche Geltendmachung von Begründungsfehlern eine essentielle Voraussetzung ist (vgl Mayerhofer StPO4 § 281 Z 5 E 26, 32 ff; Foregger/Kodek StPO7 S 422 unten).

Zum anderen läßt der Beschwerdeführer ebenso prozeßordnungswidrig außer acht, daß ihm die Erkenntnisrichter aufgrund einer ausführlichen und kritischen Gesamtschau der maßgeblichen Verfahrensergebnisse getreu den Vorschriften der freien Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) seine im Verfahren gewählte Verantwortung, er habe die Liegenschaft um einen angemessenen Kaufpreis von 200.000 S gekauft, nicht glaubten, sondern vielmehr zur Überzeugung gelangten, sein Vorsatz sei von vorneherein nur auf die durch Täuschung bewirkte Erlangung des Grundstückes gerichtet gewesen und er niemals vorgehabt habe, das Eigentumsrecht nach drei Jahren rückzuübertragen (vgl US 6 f, 10 f, 14 und 15). Aus dieser Sicht war aber der Vermögensschaden bei Rosa H***** bereits mit der (unter höchst bedenklichen Umständen erfolgten) Unterfertigung des (zwar die Aufsandungserklärung, jedoch nicht das mündlich gegebene Rückgabeversprechen enthaltenden) Schenkungsvertrages eingetreten und der Betrug sohin formell vollendet.

Daran ändert nichts, daß Josef P***** (als Vertreter der besachwalterten Rosa H*****) zum AZ 5 Cg 185/96 des Landesgerichtes Linz erfolgreich auf Rückgabe der Liegenschaft klagte (vgl Blg zu ON 10), weil der Betrugsschaden kein dauernder sein muß (Leukauf/Steininger Komm3 RN 44 zu § 146) und der relevierte Umstand nur die für den Schuldspruch unerhebliche Frage einer nachträglichen (objektiven) Schadensgutmachung betreffen könnte.

Der behauptete Begründungsmangel haftet daher dem bekämpften Schuldspruch nicht an.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a), entbehrt zur Gänze einer gesetzmäßigen Darstellung. Hiefür wird nämlich nicht nur ein striktes Festhalten am gesamten Urteilssachverhalt gefordert, sondern - fallbezogen - auch der Nachweis auf dessen Basis verlangt, daß das Erstgericht eine Tatsache nicht festgestellt hat, derzufolge die Unterstellung der Tat unter das konkret angewendete Strafgesetz ausgeschlossen ist. Dabei darf weder ein konstatierter Umstand übergangen noch die Entscheidungsgrundlage eigenmächtig erweitert werden.

In eben diese prozessualen Fehler verfällt aber der Beschwerdeführer, indem er zum Schuldspruchsfaktum 1 = Anzeigefaktum 3 fehlende Konstatierungen darüber reklamiert, "ob H***** aufgrund des Nichtabschlusses eines schriftlichen Mietvertrages mit einem Finanzstrafverfahren rechnen mußte"; in diesem Fall - so argumentiert er weiter - läge gar keine Täuschung der Zeugin H***** vor.

Solcherart greift der Nichtigkeitswerber abermals - den Verfahrensgesetzen zuwider - nur einen einzigen für die selbstschädigende Täuschung der als einfältig, leichtgläubig und verängstigt charakterisierten Rosa H***** ausschlaggebenden Aspekt isoliert aus dem Gesamtgefüge des erstgerichtlichen Tatsachensubstrats heraus. Überdies vernachlässigt er, daß - bei komplexer, sinnvoller und lebensnaher Leseart - allein schon seine Behauptung, sie werde durch allfällige Maßnahmen des Finanzamtes (US 6) und durch finanzrechtliche Maßnahmen, für die (in concreto) gar keine faßbare Befürchtung bestand (vgl US 15 dritter Absatz), ihr Haus verlieren, Rosa H***** derart verängstigte, daß sie sich zum Abschluß des Schenkungsvertrages bereit erklärte.

Damit ist nicht nur die von der Beschwerde zum Schuldspruchsfaktum 1 vermißte Frage im Urteil klar beantwortet, sondern auch der zu den weiteren Schuldspruchsfaktum laut 3, 5 und 6 des Urteilssatzes (ident mit den Anzeigefakten 8, 12 und 13) behauptete Mangel einer Feststellung darüber, "ob gegen Frau H***** bzw den Angeklagten ein Finanzstrafverfahren anhängig war". Auch insoweit verläßt der Beschwerdeführer prozeßordnungswidrig die Urteilsfeststellungen (US 15). Daß kein Finanzstrafverfahren anhängig war, blieb außerdem im gesamten Verfahren unbestritten und war nach der Aktenlage evident.

Dem im Rahmen der Berufungsausführung erhobenen Einwand (der Sache nach § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO), die Berücksichtigung des Erschwerungsgrundes der Tatmehrheit (§ 33 Z 1 StGB), verstoße gegen das Doppelverwertungsverbot, genügt es zu erwidern, daß im Sinne der jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes bei Wiederholung strafbarer Handlungen auch bei gewerbsmäßiger Tatbegehung erschwerendes Gewicht zukommt. Denn eine Tatwiederholung, mag sie auch bei gewerbsmäßig handelnden Tätern die Regel sein, gehört nicht zu den begrifflichen Voraussetzungen der Qualifikation nach §§ 70, 148 StGB und kann daher bei Gewichtung der Strafzumessungsgründe innerhalb des aktuellen Strafrahmens nicht außer Acht bleiben (vgl für viele RZ 1995/89 = EvBl 1995/104; 15 Os 154, 155/97; Mayerhofer aaO § 281 Z 11 E 9).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war sonach gemäß § 285d Abs 1 Z 1 und Z 2 iVm § 285a Z 2 StPO teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt, teils als offenbar unbegründet bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Daraus folgt, daß zur Entscheidung über die zudem erhobene Berufung und Beschwerde das Oberlandesgericht Linz zuständig ist (§ 285i StPO), wobei darauf hinzuweisen ist, daß das Erstgericht bisher die Zustellung der Rechtsmittelschrift mit der Ausführung über die Berufung gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche an die Privatbeteiligte als Berufungsgegnerin zu Handen ihres Vertreters unterlassen hat (§ 294 Abs 2 und Abs 3 StPO). Das Berufungsgericht wird die Behebung dieser Säumnis zu veranlassen haben.

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