OGH 13Os120/98

OGH13Os120/9830.9.1998

Der Oberste Gerichtshof hat am 30. September 1998 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel, Dr. Rouschal, Dr. Habl und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Urban als Schriftführer, in der Strafsache gegen Karl K***** wegen des Vergehens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Krems an der Donau als Schöffengericht vom 16. Juni 1998, GZ 14 Vr 552/97-13, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Karl K***** wurde wegen des Vergehens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 29. April 1997 in Schrems-Eugenia vorsätzlich Berta S***** mit Gewalt, indem er sie von hinten mit beiden Händen umfaßte, ihr die Knöpfe des Arbeitsmantels abriß und mit beiden Händen seitlich bei den Beinausschnitten unter den Body in die Scheidengegend griff, zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung genötigt hat.

Gegen den Schuldspruch richtet sich eine auf die Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die jedoch nicht berechtigt ist.

Rechtliche Beurteilung

Bevor auf die zahlreichen Anfechtungspunkte eingegangen wird, scheint es geboten, hier aktuelle Grundsätze voranzustellen, wodurch eine gesonderte und detaillierte Behandlung jedes einzelnen Beschwerdeargumentes weitgehend entbehrlich wird.

Die erfolgreiche Geltendmachung formeller Nichtigkeitsgründe (hier: Z 5 und 5a) setzt unabdingbar voraus, daß sich die Beschwerdeausführungen auf entscheidende - also entweder für die Unterstellung der Tat unter ein bestimmtes Strafgesetz oder für die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes maßgebende - Umstände beziehen. Zudem müssen die Beweismittel auch in ihrer Gesamtheit berücksichtigt werden (§ 258 Abs 2 StPO), weshalb Einwendungen, die nur auf einzelne, isoliert betrachtete Gesichtspunkte abstellen, von vornherein kein Erfolg beschieden sein kann.

Ein Urteil ist unvollständig begründet, wenn das Gericht bei Feststellung entscheidender Tatsachen wichtige und in der Hauptverhandlung vorgeführte Verfahrensergebnisse mit Stillschweigen übergeht, Widersprüche zwischen den vernommenen Personen nicht würdigt oder die seinen Feststellungen widerstreitenden Beweisergebnisse nicht erörtert oder die Gründe nicht angibt, aus denen es diese Beweise nicht für stichhältig erachtet. Kein Begründungsmangel im Sinne der Z 5 liegt vor, wenn das Gericht nicht den vollständigen Inhalt sämtlicher Aussagen wie überhaupt alle Verfahrensergebnisse in extenso erörtert und darauf untersucht, inwieweit sie für oder gegen diese oder jene Darstellung sprechen, oder/und sich nicht mit jedem gegen seine Beweiswürdigung möglichen, im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde konkret erhobenen Einwand im voraus auseinandersetzt (EvBl 1972/17). Es genügt vielmehr, wenn der Gerichtshof im Urteil in gedrängter Form die entscheidenden Tatsachen bezeichnet und schlüssig und zureichend begründet, warum er von der Richtigkeit dieser Annahme überzeugt ist, ohne dagegensprechende wesentliche Umstände mit Stillschweigen zu übergehen.

Der Ausspruch des Gerichtes über entscheidende Tatsachen ist mit sich selbst im Widerspruch, wenn das Urteil verschiedene Tatsachen feststellt, die sich gegenseitig ausschließen oder wenn die gezogenen Schlußfolgerungen tatsächlicher Art nach den Denkgesetzen nebeneinander nicht bestehen können. Dagegen begründet es keinen Mangel, wenn neben einem an sich folgerichtig gezogenen Schluß auch noch andere Schlußfolgerungen und Auslegungen möglich wären.

Wenn die Beschwerde also behauptet, die Feststellungen seien unzureichend begründet, weil mit Stillschweigen übergangen worden sei - hier aus der Beschwerdeschrift teils verkürzt wiedergegeben -

a) "die Aussage von Berta S*****, S 17, wonach sie fünf Minuten vor acht Uhr abends in ihrem eigentlichen Arbeitsbereich Schluß gemacht habe und in die Versandhalle Objekt M 5 der Lagerskizze 'ein bißchen was' nach acht Uhr abends gekommen sei",

b) "in obigem Zusammenhang die Feststellung des Erstgerichtes, wonach das Zusammentreffen und das Tatgeschehen um 20 Uhr 15 stattgefunden habe",

c) "warum sohin ein Tatzeitpunkt um 20 Uhr 15 und ein zweites Betreten des Angeklagten der Versandhalle angenommen wurde",

d) "warum letztlich überhaupt die S 17 gegenteilige Aussage der Zeugin S*****, wonach sich der Vorfall um 20 Uhr 15 ereignet hat, den Entscheidungsgründen und dem Urteil zugrundegelegt wurde, wenn andererseits die insoweit exakte Angabe S 17, wonach nach Blick auf die Uhr ein bißchen nach acht Uhr abends die Versandhalle betreten wurde, als Beweisergebnis (insoweit übereinstimmend mit Stempelzeit und Angaben des Angeklagten über den Zeitpunkt des Zusammentreffens) besteht",

e) "wie denn der Angeklagte überhaupt wissen konnte oder sollte, daß sich um 20 Uhr 15 Berta S***** im Versand Objekt M 5 der Lageskizze befindet, wenn - wovon die Entscheidungsgründe ausgehen - beim ersten Durchgang zwischen 20 Uhr 02 bis 20 Uhr 04 zwischen Stempelplatz 12 Objekt M 6 und Stempelplatz 7 Objekt 5, im Objekt M 5 sich die Zeugin S***** ja noch nicht dort befunden hat",

f) "das Erstgericht mit Stillschweigen und ungewürdigt gelassen hat, ein von der Zeugin S***** gehörtes Gespräch des Angeklagten mit Kollegen nach Verlassen der Versandhalle",

- übersieht sie, daß es auf die minutengenaue Feststellung der Tatzeit, die das Erstgericht mit "etwa um 20.15 Uhr", sohin ohnedies nicht exakt konstatiert hat (bzw konnte), und entgegen der in der Äußerung (§ 35 Abs 2 StPO) vertretenen Meinung auch gar nicht auf ein allfällig wiederholtes Betreten der Halle ankommt, zumal die Tatrichter noch - logisch und empirisch einwandfrei - auf die Möglichkeit der Zeitgewinnung des Angeklagten durch bloß geringfügige Beschleunigung seines Schrittempos hingewiesen haben.

Die Beschwerde zeigt sohin keine formalen Begründungsmängel im Sinne der Z 5 auf, sondern bekämpft im Kern - im Nichtigkeitsverfahren gegen kollegialgerichtliche Urteile unzulässig - die tatrichterliche Beweiswürdigung, indem sie Widersprüche über unwesentliche Details aufzuzeigen sucht und über letztere selbst Beweiserwägungen anstellt.

Gleiches gilt für die umfängliche Tatsachenrüge, welche spekulativ alle zeitlichen Momente des Geschehensablaufes erörtert, daraus eine Unmöglichkeit der Tatbegehung und eine Unglaubwürdigkeit der Zeugin S***** ableiten und damit der leugnenden Verantwortung des Angeklagten doch noch zum Durchbruch verhelfen will.

Solcherart werden jedoch nicht sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der den Schuldspruch stützenden tatrichterlichen Feststellungen geltend gemacht.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach schon bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 285d StPO), sodaß über die außerdem erhobene Berufung des Angeklagten das Oberlandesgericht Wien zu entscheiden hat (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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