OGH 7Ob260/98f

OGH7Ob260/98f30.9.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter, Dr. Graf, Dr. Schalich und Dr. Tittel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Arzu O*****, vertreten durch Dr. Walter Mardetschläger und Dr. Peter Mardetschläger, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Münup O*****, vertreten durch Dr. Harald Hauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ehescheidung (hier: Erlassung einer einstweiligen Verfügung gemäß § 382b EO) infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 15. Juli 1998, GZ 45 R 490/98m-15, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs der beklagten Partei wird gemäß §§ 78, 402 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Das Rekursgericht ist bei der Ermittlung des anzuwendenden Rechts auf die Voraussetzungen und Wirkungen der Scheidung einer Ehe im Ergebnis zutreffend zur Auffassung gelangt, daß zufolge einer Rückverweisung durch das türkische Recht österreichisches Sachrecht anzuwenden ist. Maßgebend ist allerdings nicht Art 13 sondern Art 12 Abs 2 des türkischen Gesetzes Nr. 2675 über das internationale Privat- und Zivilverfahrensrecht. Demnach unterliegen die Wirkungen der Ehe dem gemeinsamen Heimatrecht der Ehegatten; falls die Parteien verschiedener Staatsangehörigkeit sind, wird das Recht des gemeinsamen Wohnsitzes, bei Fehlen eines solchen das Recht des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts und, falls auch ein solcher fehlt, türkisches Recht angewandt.

§ 20 Abs 1 IPRG erklärt für die Scheidung der Ehe, soferne nicht einer der Ausnahmefälle des Abs 2 vorliegt, das für die persönlichen Ehewirkungen im Zeitpunkt der Ehescheidung (d. i. nach der Rechtsprechung der Schluß der Verhandlung der letzten Tatsacheninstanz: JBl1981, 36; EFSlg 52.019, 60.630, 78.988; SZ 62/189) maßgebliche Recht für anwendbar. Durch diese akzessorische Anknüpfung wird auf jenes Recht verwiesen, das einen anderen Teilbereich der Rechtsbeziehungen zwischen den Ehegatten beherrscht. Auf diese Weise will das Gesetz das Auseinanderfallen von rechtlicher Verpflichtung während aufrechter Ehe und den aus den Pflichtverletzungen ableitbaren Scheidungsgründen verhindern (RV BlgNR 14. GP zu § 20). Daraus folgt aber auch zwingend, daß das für die persönlichen Rechtswirkungen der Ehe im Zeitpunkt der Scheidung anwendbare Recht nach dem Grundsatz der Gesamtverweisung (§ 5 IPRG) aufzusuchen ist. Dasselbe materielle Recht entscheidet dann auch über die Ehescheidung. Keinesfalls ist jenes Kollisionsrecht, das die Verweisung über die persönlichen Ehewirkungen annimmt, dann noch über seine Verweisung oder Annahme hinsichtlich der Scheidung zu befragen. Diese akzessorische Anknüpfung bedeutet, daß Rück- und Weiterverweisungen hinsichtlich der Hauptsache, die persönlichen Ehewirkungen, nachzugehen ist (SZ 59/22). Nimmt daher Art 12 Abs 2 des zitierten türkischen Gesetzes die Gesamtverweisung des § 20 Abs 1 iVm § 18 Abs 1 Z 1 IPRG für die persönlichen Rechtswirkungen einer Ehe nicht an, sondern verweist er auf das österreichische Recht zurück, dann sind die Voraussetzungen und die Wirkungen der Scheidung einer Ehe nach österreichischem Recht zu beurteilen, ohne daß es noch auf die Rückverweisung in Art 13 Abs 2 des zitierten türkischen Gesetzes enthaltene Rückverweisung für die Scheidung und Trennung ankommt. Die Ausführungen im Revisionsrekurs, daß § 18 Abs 1 Z 1 IPRG als Spezialnorm gegenüber § 5 IPRG (Grundsatz der Gesamtverweisung) den Vorrang habe, treffen dahe nicht zu. Der maßgebenden Rückverweisungsnorm ist auch nicht zu entnehmen, daß sie nur dann gilt, wenn die Parteien niemals ein gemeinsames Personalstatut gehabt haben.

Daraus ergibt sich für den vorliegenden Fall folgendes: § 18 Abs 1 Z 1 IPRG verweist mangels Vorliegens eines gemeinsamen Personalstatuts der Streitteile (zum Zeitpunkt der Erhebung der Klage) auf das letzte gemeinsame Personalstatut (hier: türkisches Recht). Art 12 Abs 2 des türkischen Gesetzes Nr. 2675 über das internationale Privat- und Zivilverfahrensrecht verweist auf das österreichische Recht zurück, weil die Parteien nunmehr verschiedener Staatsangehörigkeit sind und ihren gemeinsamen Wohnsitz in Österreich haben. Nach türkischem Recht liegt ein gemeinsamer Wohnsitz auch dann vor, wenn die Ehefrau - wie hier - ohne gerichtliche Anerkennung den Wohnsitz des Ehemannes verlassen hat (vgl Hohloch (Hrsg), Internationales Scheidungs- und Scheidungsfolgenrecht 471). Die - befristete - Verweisung des Ehemannes aus der Ehewohnung gemäß § 382b EO hat keinen Einfluß auf dessen Wohnsitz.

Stichworte