Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das Urteil des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, daß das erstgerichtliche Zwischenurteil wiederhergestellt wird.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bleibt dem Endurteil vorbehalten.
Text
Entscheidungsgründe:
Eine natürliche Person (in der Folge Verbotsbelasteter) war zu einem Viertel Eigentümer einer Liegenschaft. Auf diesem Liegenschaftsanteil war im März 1955 zugunsten einer anderen Person (in der Folge Verbotsberechtigter) das Belastungs- und Veräußerungsverbot einverleibt worden. Der Verbotsberechtigte verstarb am 23. 12. 1994. In dem beim Bezirksgericht Klagenfurt seit 28. 12. 1994 anhängigen Verlassenschaftsverfahren erlag die Mitteilung über diesen Todesfall bereits seit dem 29. 12. 1994.
Am 2. 3. 1995 beantragte die Klägerin beim Bezirksgericht Klagenfurt, ihr aufgrund eines vollstreckbaren Versäumungsurteils zur Hereinbringung einer Forderung von S 155.000 sA gegen den Verbotsbelasteten die Exekution mittels zwangsweiser Pfandrechtsbegründung durch bücherliche Einverleibung des Pfandrechts auf dem Viertelanteil der im Eigentum des Verbotsbelasteten stehenden Liegenschaft zu bewilligen. In einem dem Exekutionsantrag angeschlossenen „Verweisblatt“ verwies die Klägerin darauf, daß der Verbotsberechtigte am 23. 12. 1994 verstorben und das Verlassenschaftsverfahren zu AZ 24 A 1257/94 des Bezirksgerichts Klagenfurt anhängig sei; dort erliege auch die Sterbeurkunde im Original. Für diesen Antrag verzeichnete die Klägerin Kosten von S 7.764,08.
Das Bezirksgericht Klagenfurt als Exekutionsgericht wies den Antrag auf Bewilligung der zwangsweisen Pfandrechtsbegründung mit Beschluß vom 7. 3. 1995 deshalb ab, weil auf dem Liegenschaftsanteil des Verpflichteten das Belastungs- und Veräußerungsverbot zugunsten des Verbotsberechtigten einverleibt sei. Das Landesgericht Klagenfurt bestätigte diesen Beschluß. Es begründete seine Entscheidung damit, daß ein im Grundbuch einverleibtes, noch nicht gelöschtes Belastungs- und Veräußerungsverbot im Sinne des § 364c ABGB der Begründung eines Zwangspfandrechts auch dann entgegenstehe, wenn der betreibende Gläubiger durch Vorlage der Sterbeurkunde des verpflichteten Liegenschaftseigentümers das materiellrechtliche Erlöschen des Rechts nachweise; dabei übernahm es die Rechtsausführungen der Entscheidung EvBl 1962/486 praktisch wortwörtlich.
Am 15. 3. 1995 brachte die Klägerin beim Bezirksgericht Klagenfurt gegen den Verbotsbelasteten eine Klage mit dem Begehren ein, der dort Beklagte sei schuldig, den Grundbuchsstand dadurch zu berichtigen, daß er beim Bezirksgericht Klagenfurt den Antrag auf Löschung des zugunsten des Verbotsberechtigten eingetragenen Belastungs- und Veräußerungsverbots stelle und die Exekutionsführung der Klägerin durch zwangsweise Pfandrechtsbegründung zur Hereinbringung der vollstreckbaren Forderung von S 155.000 sA auf dem ihm gehörigen Liegenschaftsanteil dulde. Dieser Rechtsstreit endete mit Vergleich vom 15. 5. 1995, mit dem sich der dort beklagte Verbotsbelastete im wesentlichen dem Klagebegehren unterwarf. Mit Beschluß des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 21. 8. 1995 wurde das Belastungs- und Veräußerungsverbot auch tatsächlich gelöscht.
Am 23. 8. 1995 beantragte die Klägerin beim Bezirksgericht Klagenfurt aufgrund des Vergleichs vom 15. 5. 1995 und der Sterbeurkunde des Verbotsberechtigten die Exekution durch Löschung des Belastungs- und Veräußerungsverbots und die Exekution zur Hereinbringung der vollstreckbaren Forderung von S 155.000 sA durch zwangsweise Begründung eines Pfandrechts auf dem Liegenschaftsanteil des Verbotsbelasteten. Dieser Antrag wurde vom Bezirksgericht Klagenfurt mit Beschluß vom 4. 9. 1995 deshalb abgewiesen, weil das Belastungs- und Veräußerungsverbot bereits vor Einbringung des Exekutionsantrags gelöscht und zwischenzeitig auf dem ideellen Miteigentumsanteil des Verbotsbelasteten das Belastungs- und Veräußerungsverbot zugunsten einer anderen Person einverleibt worden war. Dieser Beschluß erwuchs ohne Erhebung eines Rechtsmittels in Rechtskraft.
Mit der vorliegenden Amtshaftungsklage begehrte die Klägerin vom beklagten Rechtsträger die Zahlung von S 182.230,68 (nicht einbringliche Forderung von S 155.000, Zinsen im Betrag von S 12.491,60, Exekutionsantragskosten von S 7.764,08 und Rekurskosten von S 6.975). In dem über ihren Antrag vom 2. 3. 1995 abgeführten Exekutionsverfahren sei das noch eingetragene, aber durch den Tod des Verbotsberechtigten bereits gegenstandslos gewordene Belastungs- und Veräußerungsverbot zu Unrecht als Exekutionshindernis angesehen worden. Die Entscheidungen in diesem Anlaßverfahren beruhten auf einer unvertretbaren Rechtsansicht, zumal der Oberste Gerichtshof in einer veröffentlichten Entscheidung aus dem Jahre 1987 von der vom Rekursgericht im Anlaßverfahren zitierten Entscheidung ausdrücklich abgegangen sei. Bei ordnungsgemäßer Bewilligung des Exekutionsantrags wären die Forderungen der Klägerin vollständig befriedigt worden.
Die beklagte Partei wendete ein, dem Rekursgericht im Anlaßverfahren könne eine unvertretbare Rechtsansicht nicht unterstellt werden. Der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 4. 3. 1987 sei im Gegensatz zum hier zu beurteilenden Fall der Tod des Verbotsbelasteten und nicht der des Verbotsberechtigten zugrundegelegen. Eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs stelle überdies keine ständige Rechtsprechung dar. Zur Frage, ob der Tod des Verbotsberechtigten bei dessen Nachweis keine exekutionshemmende Wirkung mehr entfalte, liege oberstgerichtliche Rechtsprechung nicht vor.
Das Erstgericht erkannte mit Zwischenurteil den Anspruch der Klägerin als dem Grunde nach zu Recht bestehend. Der Oberste Gerichtshof sei von der vom Rekursgericht im Anlaßverfahren zitierten Entscheidung ausdrücklich abgegangen; dieses Abgehen habe bekannt sein müssen und die Rechtsansicht des Rekursgerichts sei deshalb im Anlaßverfahren nicht vertretbar.
Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Die Judikatur zur Frage, ob ein gegenstandslos gewordenes Veräußerungs- und Belastungsverbot die zwangsweise Pfandrechtsbegründung hindere, sei uneinheitlich. Wenn sich ein Gericht einer älteren Entscheidung anschließe, sei darin noch keine unvertretbare Rechtsansicht zu erblicken. Dies gelte selbst dann, wenn die jüngere Rechtsprechung mehrfach den neueren Standpunkt zum Ausdruck bringe. Die Entscheidung des Rekursgerichts im Anlaßverfahren habe auch den Wortlaut des § 94 Abs 1 Z 1 GBG für sich, wonach das Grundbuchsgericht das Ansuchen und dessen Beilagen einer genauen Prüfung zu unterziehen habe und eine grundbücherliche Eintragung nur dann bewilligen dürfe, wenn aus dem Grundbuch in Ansehung der Liegenschaft oder des Rechts kein Hindernis gegen die begehrte Eintragung hervorgehe. Der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs aus dem Jahre 1987 sei der Tod des Verbotsbelasteten zugrundegelegen und nicht der Tod des Verbotsberechtigten. Dies sei deshalb bedeutsam, weil auch die Auffassung vertreten werde, daß das Belastungs- und Veräußerungsverbot aktiv vererblich sei. In einem solchen Fall wäre dieses Verbot durch den Tod des Verbotsberechtigten nicht erloschen. Unter diesem Gesichtspunkt sei es nicht unvertretbar, die grundbücherliche Eintragung noch als Exekutionshindernis anzusehen, weil es - folgte man der zwar nicht herrschenden, aber doch auch vertretenen Ansicht - dann fraglich wäre, ob die grundbücherliche Eintragung mit dem Tod des Verbotsberechtigten tatsächlich gegenstandslos geworden sei. Zur Frage, ob der (nachgewiesene) Tod eines Verbotsberechtigten ein noch eingetragenes Belastungs- und Veräußerungsverbot gegenstandslos mache und einer Exekutionsbewilligung auf zwangsweise Pfandrechtsbegründung entgegenstehe, fehle also Rechtsprechung des Höchstgerichts.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Klägerin ist zulässig und berechtigt.
Gemäß § 1 Abs 1 AHG haften der Bund und die anderen dort genannten Rechtsträger nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts für den Schaden am Vermögen oder an der Person, den die als ihre Organe handelnden Personen in Vollziehung der Gesetze durch ein rechtswidriges Verhalten wem immer schuldhaft zugefügt haben. Im vorliegenden Fall ist also zu prüfen, ob das Verhalten der Gerichte im Anlaßverfahren deshalb rechtswidrig und schuldhaft war, weil deren Rechtsauffassung unvertretbar war:
Nicht jede Rechtsansicht, die von der höheren Instanz nicht gebilligt wurde, ist schon rechtswidrig; noch weniger muß das Verhalten von Organen des Rechtsträgers schuldhaft sein. Die Rechtsanwendung soll „lebendig“ erhalten und der Rechtsauslegung sollen daher nicht allzu strenge Fesseln angelegt werden. Sind Gesetzesbestimmungen nicht vollkommen eindeutig, enthalten sie Unklarheiten über die Tragweite ihres Wortlauts und steht zudem keine höchstrichterliche Rechtsprechung als Entscheidungshilfe zur Verfügung, dann kommt es allein darauf an, ob bei pflichtgemäßer Überlegung die getroffene Entscheidung als vertretbar bezeichnet werden kann. Das Abweichen von einer klaren Gesetzeslage oder der ständigen Rechtsprechung des zuständigen Höchstgerichts, das nicht erkennen läßt, daß es auf einer sorgfältigen und bei geforderter Schriftlichkeit auch begründeten Überlegung beruht, ist als schuldhaft zu beurteilen (Schragel, AHG2 Rz 147 mwN).
Das Rekursgericht im Anlaßverfahren stützte sich bei seiner Entscheidung auf höchstgerichtliche Rechtsprechung, nämlich auf die in EvBl 1962/486 veröffentlichte Entscheidung, nach der ein im Grundbuch einverleibtes, noch nicht gelöschtes Belastungs- und Veräußerungsverbot im Sinne des § 364c ABGB der Begründung eines Zwangspfandrechtes auch dann entgegensteht, wenn der betreibende Gläubiger durch Vorlage der Sterbeurkunde des verpflichteten Liegenschaftseigentümers das materiellrechtliche Erlöschen des Rechtes nachweise. Es gab insoweit die Ausführungen des Höchstgerichts zwar wortgetreu wieder, ohne allerdings auch nur im geringsten darauf hinzuweisen oder sich gar damit auseinanderzusetzen, daß der Oberste Gerichtshof in seiner mehrfach veröffentlichten Entscheidung vom 4.3.1987 (SZ 60/39 = EFSlg 54.116 = MietSlg 39.029 = RPflSlgE 1987/120) ausdrücklich von der in EvBl 1962/486 geäußerten Rechtsansicht abgegangen war und sich der in Heller-Berger-Stix 4 905 f vertretenen Meinung angeschlossen hatte, sei der Tod des Verbotsbelasteten durch das beim selben Gericht anhängige Verlassenschaftsverfahren nachgewiesen, so sei das Anlaß zur sofortigen Löschung bietende Unwirksamwerden der bücherlichen Eintragung infolge des Todes des Verbotsbelasteten auch bei der Entscheidung über den Antrag auf Begründung des Zwangspfandrechts zu beachten. Ausdrücklich führte der Oberste Gerichtshof in dieser Entscheidung aus, der beantragten Eintragung des Zwangspfandrechtes stehe ein Hindernis nach dem Grundbuchsstand in Wahrheit nicht mehr entgegen, wenn kein Zweifel bestehe, daß das eingetragene vertragliche Belastungsverbot erloschen und die Eintragung daher gegenstandslos sei. Diese Rechtsansicht wurde vom Obersten Gerichtshof in der Entscheidung 3 Ob 13/88, die in RPflSlgE 1989/24 veröffentlicht wurde, ganz allgemein - also nicht nur für den Fall des Todes des Verbotsbelasteten - vertreten. Die auf SZ 60/39 basierende neue Rechtsprechung wurde schließlich auch in der Entscheidung SZ 61/151 = NZ 1988, 335 aufrecht erhalten. Der kritischen Stellungnahme Hofmeisters (NZ 1988, 337), das Belastungs- und Veräußerungsverbot erlösche nicht sofort mit dem Tod des Verbotsbetroffenen, sondern erst mit der Einantwortung von dessen Nachlaß, trat der Oberste Gerichtshof in seiner in NZ 1990, 99, veröffentlichten Entscheiduung vom 20. 6. 1989 entgegen und sprach abermals aus, ein Veräußerungs- und Belastungsverbot nach § 364c ABGB erlösche mit dem Tod des durch das Verbot Belasteten, weil die grundbücherliche Eintragung gegenstandslos geworden sei. Er verwies in diesen Entscheidungen auf die beiden Vorentscheidungen aus den Jahren 1987 und 1988. Bei der durch SZ 60/39 begründeten, von der Entscheidung EvBl 1962/486 abgehenden Rechtsprechung handelt es sich demnach um eine gefestigte, ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, die über die zuvor genannten Veröffentlichungen hinaus auch von Spielbüchler in Rummel, ABGB2, Rz 10 zu § 364c, und in der im Jahre 1995 zur Verfügung gestandenen MGA EO12 (E 33 und 34 zu § 87) zitiert wurde.
Die Entscheidung des Rekursgerichts im Anlaßverfahren setzt sich mit dieser neuen, mehrfach veröffentlichten und ausführlich begründeten Rechtsprechung des Höchstgerichts überhaupt nicht auseinander, sondern es wird lediglich der Inhalt einer älteren, indes bereits mehrfach abgelehnten Entscheidung wortgetreu wiedergegeben. Diese Wiedergabe läßt aber nicht erkennen, daß die Entscheidung des Rekursgerichts im Anlaßverfahren auf einer sorgfältigen und begründeten Überlegung beruhte; dazu hätte es vielmehr einer Auseinandersetzung mit der neueren Judikatur des Obersten Gerichtshofs bedurft; das Rechtsmittelgericht läßt indes Darlegungen, warum die in EvBl 1962/486 geäußerte Rechtsauffassung überzeugender sein sollte als die nunmehr ständige Rechtsprechung des Höchstgerichts, völlig vermissen. Dieser Mangel läßt die Entscheidung des Rekursgerichts im Anlaßfall nicht mehr als vertretbar erscheinen.
Daran ändert auch der Umstand nichts, daß in dem hier zu entscheidenden Rechtsstreit nicht der Tod des Verbotsbelasteten, sondern der des Verbotsberechtigten zum Erlöschen des Belastungs- und Veräußerungsverbots führte. Den (neueren) Entscheidungen des Höchstgerichts ist nämlich eindeutig zu entnehmen, daß die Gegenstandslosigkeit des Belastungs- und Veräußerungsverbots - aus welchem Grunde immer - maßgeblich ist; diese wird dabei aber nicht nur aus dem Tod des Verbotsbelasteten abgeleitet. Nach herrschender Ansicht stellt das Belastungs- und Veräußerungsverbot als solches kein Vermögensobjekt dar, sondern ist ein höchstpersönliches und nicht verwertbares Recht, das mit dem Ableben des Berechtigten oder mit dem Tod des Belasteten oder der Veräußerung der Sache erlischt (NZ 1996, 274; SZ 66/31 uva; Welser in Rummel ABGB2 Rz 6 zu § 531; Koziol-Welser, Grundriß II10 289). Sollte das Rekursgericht im Anlaßverfahren von der gegenteiligen - nicht herrschenden - Ansicht (Kralik, Erbrecht 11; 3 Ob 530/85) ausgegangen sein, daß ein vertragliches oder letztwilliges Veräußerungs- oder Belastungsverbot aktiv vererblich sei (siehe NZ 1996, 274), dann hätte es auch diese der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs und der überwiegenden Lehre entgegenstehende Rechtsauffassung eingehend und sorgfältig begründen müssen, um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, es sei in nicht mehr vertretbarer Weise von einer ständigen Rechtsprechung des Höchstgerichts abgegangen.
In Stattgebung der Revision ist somit das erstinstanzliche Zwischenurteil wiederherzustellen.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 393 Abs 4 und § 52 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)