Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Einziges Nachlaßvermögen der am 21. 4. 1981 verstorbenen Agnes P***** ist die Liegenschaft EZ *****, bestehend aus den Grundstücken 686/2 Baufläche und 197 Baufläche im Gesamtausmaß von 452 m**2. Das Anwesen liegt auf einem bewaldeten Hügel südöstlich des Ortes W***** und ist nur über einen steilen, verwachsenen Gehweg erreichbar. Eine Zufahrt besteht nicht. Strom-, Wasser- oder Abwasseranschlüsse sind nicht vorhanden. Das auf der Liegenschaft einst vorhandene Wohngebäude ist verfallen, es bestehen noch Mauerreste. Der Einheitswert der gesamten Liegenschaft beträgt S 63.000,--. Die Liegenschaft wurde im Verlassenschaftsverfahren mit S 4.520,-- geschätzt. Sie ist mit Pfandrechten in der Höhe von ca S 54.000,-- belastet.
Alle als Erben in Frage kommenden Nachkommen und Geschwister der Verstorbenen haben sich ihres Erbrechts entschlagen. Ein Ediktalverfahren blieb fruchtlos. Der Fiskus erklärte, das Heimfallsrecht nicht zu beanspruchen. Die Buchgläubiger waren nicht bereit, ein Zwangsversteigerungsverfahren einzuleiten. Verkaufschancen auf dem Realitätenmarkt bestehen für dieses Objekt nicht. Auch die zuständige Ortsgemeinde erklärte, am Erwerb nicht interessiert zu sein.
Im Verlassenschafts-pflegschaftsverfahren wurde der Antragsteller zum Kurator bestellt. Ein die Eintragung der Herrenlosigkeit dieser Liegenschaft anordnender Beschluß des Bezirksgerichtes Liezen vom 19. 12. 1996 (P 86/86-68) und der bestätigende Beschluß des Rekursgerichtes vom 12. 12. 1996, GZ 1 R 687/96p-71, des Landesgerichtes Leoben wurde über Rekurs des Verlassenschaftskurators mit Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom 25. 2. 1997, 4 Ob 37/97p ersatzlos aufgehoben, weil schon mangels einer auf die Aufgabe des Eigentums an der Liegenschaft gerichteten Willensbetätigung des Verlassenschaftskurators die Voraussetzungen für die Eintragung der Herrenlosigkeit nicht vorlägen.
Am 8. 8. 1997 legte der Verlassenschaftskurator dem Bezirksgericht Liezen eine Dereliktionsurkunde vor, worin er ausdrücklich erklärte, namens der Verlassenschaft Besitz und Eigentum an der Liegenschaft EZ ***** aufzugeben, womit diese als derelinquiert zu qualifizieren sei. Weiters teilte er mit, bei aufrechter Erledigung dieses Antrags, der zum Vorteil der Verlassenschaft gereiche, beim Erstgericht um Löschung der Grundbuchseinlage anzusuchen.
Das Verlassenschaftsgericht genehmigte am 14. 8. 1997 die in der Dereliktionsurkunde zum Ausdruck gebrachte Willensbetätigung des Verlassenschaftskurators und bestätigte zugleich, daß dieser berechtigt war, die Dereliktionsurkunde rechtsverbindlich zu unterfertigen.
Am 6. 11. 1997 beantragte der Verlassenschaftskurator aufgrund der vom Verlassenschaftsgericht genehmigten Dereliktionserklärung, die EZ ***** als herrenlos zu löschen.
Mit Beschluß vom 10. 11. 1997 wies das Bezirksgericht Liezen zu TZ 1847/97 den Antrag ab. Die Löschung der Grundbuchseinlage und des damit verbundenen Eigentumsrechtes könne nur durch Eintragung eines anderen Eigentümers (Nachmannes) erfolgen. Durch die Löschung würden die betroffenen Grundstücke "EZ-los" gestellt, was zu einem gesetzwidrigen Zustand (§§ 9 Abs 4 und 5, 45 Abs 1 VermG) führen würde.
Dagegen erhob der Verlassenschaftskurator Rekurs an das Landesgericht Leoben.
Mit dem angefochtenen Beschluß gab das Rekursgericht dem Rekurs des Verlassenschaftskurators nicht Folge und erklärte den Revisionsrekurs für zulässig. Nach § 3 Abs 3 GBG sei eine Einlage zu löschen, wenn alle in einer Grundbuchseinlage eingetragenen Liegenschaften abgeschrieben worden seien oder wenn sie aufgehört hätten, ein Gegenstand des Grundbuchs zu sein. Daß eigentümerlose Einlagen keinen Bestand haben könnten und daher nach Abs 3 leg cit zu löschen seien, sei schon durch § 12 Abs 1 AllGAG widerlegt, wonach bei Liegenschaften, die öffentliches Gut sind, in dem Eigentumsblatte nur die Eigenschaft der Liegenschaft als öffentliches Gut ersichtlich zu machen sei. Daß ein grundbücherlich nicht existent gewordenes Grundstück nach § 3 GBG gelöscht werden könne (vgl Oberster Gerichtshof vom 12. 12. 1989, 5 Ob 90/89), sei auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden. Auch die Vorschrift des § 45 EAG sei hier nicht analog anwendbar. Die Löschung der Grundbuchseinlage würde zu einem den Vorschriften der §§ 9 Abs 4 und 5, 45 Abs 1 VermG widersprechenden Zustand und zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit führen. Daran ändere auch die Möglichkeit nichts, daß Grundstück in das Verzeichnis der nichtverbücherten Liegenschaften aufgenommen werden könnten, wie im ADV-Handbuch Justiz, Kapitel 3 Z 11 vorgesehen.
Die Konsequenz der Dereliktion sei daher die Eintragung der Herrenlosigkeit. Zu Recht habe das Erstgericht den Antrag auf Löschung der gegenständlichen EZ abgewiesen.
Das Rekursgericht erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil zur Frage der grundbücherlichen Durchführung einer Dereliktion eines Grundstückes Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen erhobene Revisionsrekurs des Verlassenschaftskurators ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Die durch § 362 iVm §§ 386, 387 ABGB eröffnete Möglichkeit eines Eigentümers, sich seines Eigentumsrechtes zu begeben und die ihm gehörigen "Sachen" zu derelinquieren, wird von der überwiegenden Lehre auch für Grundstücke bejaht (Klang II**2 125, 256; Ehrenzweig, System**2 I/284 f; Dengler, Dereliktion und Okkupation von Liegenschaften NZ 1983, 182; Spielbüchler in Rummel ABGB**2 Rz 1 zu § 387; Klicka in Schwimann, ABGB**2 II Rz 1 zu § 387; Hoyer unter Hinweis auf Ofner, Der Urentwurf und die Beratungsprotokolle des Österreichischen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (1889) I 259 f und II 377 [NZ 1994, 195]; zweifelnd Koziol/Welser10 II 292, dagegen Gschnitzer**2 79).
Die einzige bisher zu dieser Frage veröffentlichte höchstgerichtliche Entscheidung (GlUNF 151) bejahte zwar materiellrechtlich die Möglichkeit eines Eigentümers, sich seiner - auch unbeweglichen - Sachen zu begeben, lehnte jedoch eine Eintragung der Dereliktion im Grundbuch mit der Begründung ab, eine Grundbuchseinlage könne nicht ohne Eintragung eines Eigentümers bestehen. Die Löschung des Eigentumsrechtes ohne seine gleichzeitige Übertragung auf einen neuen Erwerber sei unstatthaft.
Die materiellrechtliche Frage offenlassend sprach das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien in der in EFSlg 40.974 veröffentlichten Entscheidung aus, daß, halte man die Preisgabe verbücherter Liegenschaften überhaupt für möglich, § 350 ABGB jedenfalls beachtlich sei, sodaß ein tatsächliches Verlassen und auch eine diesbezügliche Erklärung allein noch nicht für den Verlust des Besitzers ausreiche, sondern noch die Eintragung der "Herrenlosigkeit" im Grundbuch dazuzukommen habe.
In jüngster Zeit schloß sich das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz (NZ 1994, 192 = ecolex 1994, 753) den oben dargestellten Lehrmeinungen an und bewilligte auf Antrag des dort bestellten Verlassenschaftskurators die Eintragung der Herrenlosigkeit eines derelinquierten (unbebauten) Grundstücks.
In dem hier in Frage stehenden Fall hatte das Erstgericht ursprünglich die Eintragung der Herrenlosigkeit angeordnet und das Landesgericht Leoben als Rekursgericht mit Beschluß vom 12. 12. 1996, GZ 1 R 687/96p-71, dem Rekurs des Verlassenschaftskurators nicht Folge gegeben. Zur Derelinquierung einer Liegenschaft müsse auch die Eintragung der Herrenlosigkeit im Grundbuch dazu treten. Einer sinngemäßen Anwendung des §§ 177 AußStrG, 29 LiegTeilG stehe nichts im Wege.
Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung vom 25. 2. 1997, 4 Ob 37/97p, die Beschlüsse der Vorinstanzen ersatzlos aufgehoben und den Nachweis einer Willensbetätigung des für die Verlassenschaft bestellten Kurators auf Aufgabe des Eigentums an der Liegenschaft gefordert. Ein amtswegiges Vorgehen des Verlassenschaftsgerichtes (das die Eintragung der Herrenlosigkeit angeordnet hatte) könne eine solche Willensbetätigung nicht ersetzen. Eine solche obliege allein dem zur Vermögensverwaltung und Vertretung bestellten Kurator. Nur dieser könnte sich des Eigentums an der Liegenschaft mit Wirksamkeit für den ruhenden Nachlaß begeben.
Eine solche Willenserklärung, die auch vom Verlassenschafts-Pflegschaftsgericht genehmigt wurde, ist, wie oben ausgeführt, zwischenzeitig erfolgt.
Auch der erkennende Senat schließt sich aus den dort angeführten Argumenten den oben dargestellten Lehrmeinungen an, daß die Möglichkeit der Preisgabe auch unbeweglicher Sachen besteht. Die Einschränkung des § 386 ABGB auf bewegliche Sachen sagt nicht das Gegenteil, weil die in § 387 ABGB bezogenen "politischen Vorschriften" die Preisgabe geradezu fingieren, sodaß ihre Zulässigkeit angenommen werden muß. An den Rechten Dritter am Grundstück ändert die Preisgabe nichts, sie erschwert auch die Rechtsverfolgung nicht, weil zur Vertretung der aufgegebenen Grundstücke ein Kurator bestellt werden kann. Aus der inneren Einrichtung des Grundbuchs kann vernünftiger Weise kein Grund gegen die Zulässigkeit der Preisgabe von Grundstücken abgeleitet werden und der Mangel einer ausdrücklichen gesetzlichen Vorschrift über die Form der Eintragung ist kein Hindernis, weil die Eintragung der Erlöschung des Eigentums auf den allgemeinen Eintragungsgrundsatz (§ 444 ABGB, § 48 GBG) gestützt werden kann (Klang II 56 mwN).
Bei verbücherten Liegenschaften muß nach den das österreichische Sachenrecht beherrschenden Grundsätzen, insbesondere nach § 444 ABGB, auch die Preisgabe des Eigentums im öffentlichen Buch eingetragen werden (vgl Klang II 256, FN 9; dagegen nur GlUNF 151). Einzutragen ist aber nicht die Löschung des Eigentums für den letzten Inhaber, da diese nicht Herrenlosigkeit bewirkt, sondern die Eintragung des Vorbesitzers wieder in Kraft brächte, sondern die Herrenlosigkeit des Grundstücks (vgl Klang aaO FN 11; NZ 1994, 192 = ecolex 1994, 753 mit zustimmender Besprechung Hoyer in NZ 1994, 195; Spielbüchler in Rummel**2 Rz 1 zu § 387 ABGB; Pfeiffer, Herrenloses Grundstück, ecolex 1994, 154; Feil in Grundbuchsrecht Rz 24 zu § 4 GBG).
Gegen die vom Revisionsrekurswerber vorgeschlagene Lösung, es habe diesfalls eine Löschung der Einlage zu erfolgen, spricht vor allem § 3 Abs 3 GBG. Eine Einlage ist zu löschen, wenn alle in einer Grundbuchseinlage eingetragenen Liegenschaften abgeschrieben worden sind, oder wenn sie aufgehört haben, ein Gegenstand des Grundbuchs zu sein. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Aus der vom Revisionsrekurswerber zitierten Entscheidung 5 Ob 90/89 ergibt sich nur, daß § 3 GBG der Löschung eines grundbücherlichen nicht existent geworden Grundstücks nicht entgegen steht.
Das Argument, eigentümerlose Einlagen könnten keine Grundbuchbestand haben (so GlUNF 151) ist durch § 12 Abs 1 AllGAG und etwa § 3 Abs 1 des burgenländischen GAG BGBl 1927/119 zu widerlegten (vgl Hoyer in NZ 1994, 195). § 1 AllGAG spricht aus, daß in die Grundbücher alle Liegenschaften mit Ausnahme jener aufzunehmen seien, die den Gegenstand eines Eisenbahnbuches (oder Bergbuches) bilden. Daß der Mangel einer ausdrücklichen gesetzlichen Vorschrift über die Form der Eintragung der Erlöschung des Eigentums kein Hindernis sein kann, lehrt nachvollziehbar bereits Klang (in Klang II 56 mwN).
Da eine herrenlose Liegenschaft von jedermann durch Aneignung erworben werden kann und Eigentümer derjenige wird, dessen Einverleibungsgesuch zuerst beim Grundbuchsgericht einlangt (vgl Spielbüchler in Rummel ABGB**2 Rz 3 zu § 388 ABGB), ist auch aus diesem Grund der grundbücherliche Weiterbestand der Einlage, sachgerecht.
Die Preisgabe des Eigentums an verbücherten Liegenschaften wird durch Eintragung der Herrenlosigkeit, nicht aber durch Löschung der Einlage, im Grundbuch bewirkt.
Dem Revisionsrekurs war daher der Erfolg zu versagen.
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