Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird mit der Maßgabe bestätigt, daß es zu lauten hat:
"Das Klagebegehren, es werde zwischen den Streitteilen festgestellt, daß
1. die beklagte Partei nicht verpflichtet sei, den Angestellten der Abteilung OE-EDV-Entwicklung für die Leistung von Rufbereitschaft auch zukünftig Ersatzfreizeit im Ausmaß von einer Stunde für an Werktagen, zwei Stunden für an Samstagen und drei Stunden für an Sonntagen/Feiertagen geleistete Rufbereitschaft zu gewähren, und
2. die beklagte Partei nicht berechtigt sei, den Angestellten in der Abteilung OE-EDV-Entwicklung einseitig Rufbereitschaft anzuordnen,
wird abgewiesen."
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 8.112,-- (darin S 1.352,-- USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Auf die Dienstverhältnisse der betroffenen Arbeitnehmer ist der Kollektivvertrag "Dienstordnung A (DO.A) für Verwaltungsangestellten, Pflegepersonal und zahntechnische Angestellte bei den Pensionsversicherungsträgern Österreichs" anzuwenden.
Seit 1987 wurde den Mitarbeitern, die für die Programme der Pensionsabteilung der organisationseinheitlichen EDV-Entwicklung zuständig sind, aufgrund einer mündlichen Vereinbarung zwischen dem damaligen Betriebsratsvorsitzenden und dem damaligen Abteilungsleiter zusätzlich zur Entlohnung für geleistete Rufbereitschaft Ersatzfreizeit im Ausmaß von einer Stunde pro Wochentag, zwei Stunden pro Samstag und drei Stunden pro Sonntag/Feiertag gewährt. Den Mitarbeitern, die sich erkundigten, wie lange diese Regelung gelten sollte, wurde mitgeteilt, solange es möglich sei. Es wurde jedoch nicht jeder Betroffene ausdrücklich darauf hingewiesen, daß es sich um eine good-will-Regelung handle, die jederzeit widerrufbar sei. Die Regelung wurde außerhalb der Abteilung nicht bekannt und fand keinen Niederschlag in der Lohnverrechnung. Die Gutzeiten wurden nämlich von einem Angestellten mit einem "Z" in die Gleitzeitlisten eingetragen, wobei der Zeitzähler nicht betätigt wurde. Ein anderer Angestellter trug hierauf für das Umschreiben der Gleitzeitlisten Sorge. Damit schienen diese Zeiten der Ersatzfreizeit in den Listen als Arbeitszeiten auf. Diese Vorgangsweise war abteilungsintern. In der ersten Hälfte des Jahres 1996 kam es zu einem Gespräch zwischen dem (neuen) Abteilungsleiter, dem Rechenzentrum und dem Betriebsratsvorsitzenden über die Notwendigkeit der Rufbereitschaft. Im August 1996 wurde den Mitarbeitern mitgeteilt, daß die damalige Vereinbarung hinfällig sei und nurmehr Bezahlung nach der DO.A folgen solle.
Mit der vorliegenden Klage stellte der Angestelltenbetriebsrat wider die beklagte Pensionsversicherungsanstalt das aus dem Spruch ersichtliche Begehren mit der Begründung, sie hätten einen Rechtsanspruch aufgrund langjähriger vorbehaltloser Übung. Außerdem hätten die Mitarbeiter darauf vertraut, daß die Abgeltung der Rufbereitschaft durch Ersatzfreiheit auch in Zukunft im bisherigen Ausmaß und unter den bisherigen Voraussetzungen gewährt werde.
Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren, beantragte Klagsabweisung und wendete im wesentlichen ein, daß die Mitarbeiter immer wieder darauf hingewiesen worden seien, daß es sich hiebei lediglich um eine "good-will-Regelung" handle und diese jederzeit widerrufbar sei. Im übrigen sei diese Regelung allein zwischen dem damaligen Betriebsratsvorsitzenden und dem damaligen Abteilungsleiter getroffen worden, ohne daß die für Personalangelegenheiten zuständigen leitenden Angestellten oder Funktionäre der beklagten Partei davon Kenntnis erlangt hätten; überdies fehle die Zustimmung des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren nicht statt, formulierte es aber insofern um, als es aussprach, daß die beklagte Partei nicht verpflichtet sei, den Angestellten der Abteilung OE-EDV-Entwicklung für die Leistung von Rufbereitschaft auch zukünftig Ersatzfreizeit im genannten Zeitraum zu gewähren, sowie es werde festgestellt, daß die beklagte Partei berechtigt sei, den Angestellten in der Abteilung OE-EDV-Entwicklung einseitig Rufbereitschaft anzuordnen.
Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, daß gemäß § 54a DO.A für Rufbereitschaft eine gesonderte Abgeltung gebühre. Aus der nur zwischen dem damaligen Betriebsratsvorsitzenden und dem damaligen Abteilungsleiter getroffenen Regelung, daß für solche Zeiten zusätzlich Ersatzfreizeit im aus dem Spruch ersichtlichen Ausmaß zustehe, könne kein Rechtsanspruch abgeleitet werden, weil der Abteilungsleiter weder befugt gewesen sei, Dienstverträge selbständig zu ändern, noch von der beklagten Partei ausdrücklich oder schlüssig eine Vollmacht hiezu erhalten habe. Die Anstaltsleitung habe auch nie ein Verhalten gesetzt, welches mit Überlegung aller Umstände als Vollmachtserteilung oder Duldung des vollmachtslosen Handelns gedeutet hätte werden können. Eine einen Rechtsanspruch begründende betriebliche Übung liege daher nicht vor. Darüber hinaus bestimme § 1 Abs 8 DO.A, daß Vereinbarungen mit einzelnen Angestellten, die von der DO.A abweichen, zu ihrer Rechtswirksamkeit im Sinn des § 3 Abs 1 ArbVG der vorherigen Zustimmung des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger gemäß § 460 Abs 1 ASVG bedürften, die nie erfolgt sei. Aus dem Wortlaut des § 54a Abs 2 DO.A, der die Befugnis des Dienstgebers zur Anordnung von Rufbereitschaft voraussetze, ergebe sich, daß die Rufbereitschaft vom Dienstgeber einseitig angeordnet werden könne.
Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichts und gab der Berufung nicht Folge. Die strittige Frage, ob § 1 Abs 8 DO.A eine Abschlußnorm und nicht eine Inhaltsnorm darstelle und somit nicht zum normativen Teil des Kollektivvertrages gehöre (so Arb 10.241; ablehnend Holzer, ZAS 1984, 106 ff und Binder, DRdA 1995, 297 ff), könne dahingestellt bleiben, weil die Vereinbarung im Jahr 1987 auf Arbeitgeberseite nicht von der hiezu zuständigen Geschäftsleitung getroffen worden sei. Auf eine betriebliche Übung könnten sich die Arbeitnehmer nur dann berufen, wenn sie hätten beweisen können, daß diese Übung der Geschäftsleitung zur Kenntnis gelangt wäre. Gerade diese Kenntnisnahme der Geschäftsleitung von der bloß abteilungsintern gehandhabten Praxis der Freizeitgewährung für Rufbereitschaft sei aber vermieden worden.
Gegen das Berufungsurteil wendet sich die weitwendige Revision der klagenden Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im klagsstattgebenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Vorweg ist festzuhalten, daß das vom Revisionswerber im Rahmen der Rechtsrüge behauptete Abgehen von den erstgerichtlichen Feststellungen durch das Berufungsgericht unzutreffend ist; das Berufungsgericht hat die erstgerichtlichen Feststellungen zur Gänze und ohne Einschränkung übernommen und lediglich ausgeführt, warum es die Beweisrüge nicht für zutreffend erachtete.
Es ist zwar zutreffend, daß es zum Wesen der betrieblichen Übung gehört, daß sie sich aus der faktischen Leistungserbringung ableitet und unter dem Gesichtspunkt einer konkludenten Vertragsergänzung des Einzeldienstvertrages nach § 863 ABGB gesehen wird, sodaß ein Rekurs auf die Absicht der Parteien ausscheidet, wenn diese nicht aus der Leistungserbringung selbst entnehmbar ist, und daß die betriebliche Übung auch dann zur Ergänzung des Einzelvertrages führt, wenn kein Verpflichtungswille des Arbeitgebers vorliegt.
Entscheidend ist aber, was die Arbeitnehmer bei sorgfältiger Würdigung aller Umstände den Erklärungsverhalten entnehmen können. Der § 863 ABGB zugrundeliegende Vertrauensschutz kommt nämlich nur dann zum Tragen, wenn das Verhalten des Arbeitgebers nicht nur objektiv den Schluß auf einen bestimmten rechtsgeschäftlichen Willen zuläßt, sondern wenn die Arbeitnehmer tatsächlich auf darauf vertraut haben und darauf vertrauen durften (SZ 52/76; Arb 10.493; DRdA 1989/2 [Schwarz] uva).
Ein zur Weitergewährung der Ersatzfreizeit verpflichtendes Vertrauen der betroffenen Arbeitnehmer muß aber im vorliegenden Fall verneint werden.
Kann nicht einmal ein mit entsprechender Vollmacht nach außen handelnder Vertreter seinen Vollmachtgeber verpflichten, wenn dem Dritten der bewußte Mißbrauch der Vertretungsmacht offenbar auffallen mußte (für alle Koziol/Welser, Grundriß I10 176 f mwN), muß dies umsomehr gelten, wenn der zum Schaden des Arbeitgebers Handelnde gar keine Vertretungsmacht zum Abschluß einer derartigen Vereinbarung hatte und den Arbeitnehmern aus den Begleitumständen der offenbare Mißbrauch bzw das zumindest grob treuwidrige Verhalten des Abteilungsleiters (vgl DRdA 1994/7 [Riedler]; 8 ObA 195/97b) auffallen mußte.
Während die zuständigen Organe des Arbeitgebers über die von dem hiezu unzuständigen Abteilungsleiter getroffene, geheimgehaltene Vereinbarung mit dem Betriebsratsvorsitzenden nichts wußten und infolge der Manipulationen an den Gleitzeitlisten auch bei entsprechender Aufmerksamkeit nichts wissen konnten, sodaß der beklagten Partei kein Organisationsverschulden an der Nichtkenntnis angelastet werden kann, mußte den Arbeitnehmern doch auffallen, daß abteilungsintern alles versucht wurde, daß die ihnen nach dem Kollektivvertrag nicht zustehende Ersatzfreizeit nicht bekannt wurde, insbesondere daß die zuständigen Organe hievon keine Kenntnis erlangten. Besonders bedenklich hätte die Arbeitnehmer stimmen müssen, daß die gewährten Ersatzfreizeiten für Rufbereitschaft in den Arbeitszeitlisten und in der Lohnverrechnung keinen Niederschlag fanden, sondern als normale Arbeitszeiten aufschienen; eine solche Vorgangsweise widerspricht einer ordnungsgemäßen Buchhaltung. Unter diesen Umständen konnten die Arbeitnehmer nicht darauf vertrauen, daß der Arbeitgeber von dieser Praxis Kenntnis erlangte, sie billigte und sich unwiderruflich zur Weitergewährung derartiger Ersatzfreizeiten verpflichten wollte; sie sind daher nicht als redliche Erklärungsempfänger anzusehen, sodaß eine betriebliche Übung in dieser Richtung ausscheidet und die Berechtigung des Punktes 1 des Klagebegehrens von den Vorinstanzen zu Recht verneint wurde.
Unter diesen Umständen erübrigt es sich - wie bereits das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat - auf die Kontroverse zwischen dem Obersten Gerichtshof und einem Teil der Lehre (vgl oben) zum Wesen des § 1 Abs 8 DO.A und der sich hieraus ergebenden Konsequenzen einzugehen.
Dem erstmals in der Revision erhobenen Vorwurf, die Vorinstanzen hätten sich nicht an das Klagebegehren gehalten, kann durch eine entsprechende "Rückformulierung" des Urteilsspruchs im Sinn des Klagebegehrens leicht Rechnung getragen werden, da die Vorinstanzen eindeutig das Klagebegehren abweisen und nicht etwas, was nicht begehrt worden war, zusprechen wollten.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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