OGH 3Ob174/97b

OGH3Ob174/97b16.9.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johanna P*****, vertreten durch Dr. Günther Schnitzer, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Valentin L*****, vertreten durch Dr. Gerd Tschernitz, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Unzulässigkeit einer Exekution, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgerichtes vom 13. Dezember 1996, GZ 1 R 353/96y-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 16. August 1996, GZ 6 C 27/96b-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben; das Berufungsurteil wird dahin abgeändert, daß das Ersturteil wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 6.902,40 (darin enthalten S 1.150,40 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Rechtsmittelverfahren binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist Alleineigentümerin der Liegenschaft EZ 5 KG R*****, an dessen Grenze Josef P***** im November 1994 im Auftrag der Klägerin einen Zaun errichtete. Die Liegenschaft wurde im Sommer 1995 von der Klägerin als Schafweide genutzt.

Der Beklagte führt gegen den Verpflichteten Josef P***** zu 7 E 37/96m des Erstgerichtes aufgrund des Endbeschlusses des Erstgerichtes vom 25. 10. 1995, 22 C 906/95h-8, unter anderem Exekution gemäß § 353 EO zur Erwirkung der Wiederherstellung des früheren Zustandes durch Entfernung eines Zaunes; der Beklagte wurde mit Beschluß vom 20. 2. 1996 ermächtigt, den Zaun auf Kosten des Verpflichteten durch einen Dritten entfernen zu lassen; der Verpflichtete wurde dazu verpflichtet, die dadurch entstehenden und vorläufig mit S 30.312 bemessenen Kosten dieser Handlung der betreibenden Partei im voraus binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Die Klägerin macht die Unzulässigkeit dieser Exekution geltend, weil sie Eigentümerin der betroffenen Liegenschaft sei. Bei Entfernung der Umzäunung müßte sie die dort betriebene Schafzucht einstellen; dadurch würde sie einen wesentlichen finanziellen Nachteil erleiden.

Der Beklagte wendete ein, er habe mit der Klägerin einen Bewirtschaftungsvertrag geschlossen, der nach wie vor aufrecht sei; er sei daher berechtigt, diese Parzellen zu bewirtschaften. Dessenungeachtet habe die Klägerin dem Verpflichteten Josef P***** uneingeschränkte Vollmacht bezüglich ihrer Liegenschaft gegeben. Der Verpflichtete Josef P***** habe unter Berufung auf diese Vollmacht den Zaun errichtet und benütze die Grundflächen nun als Schafweide. Er habe unter Berufung auf diese Vollmacht im Besitzstörungsverfahren mangelnde Passivlegitimation eingewendet. Da Josef P***** seine Besitzstörungshandlungen offenbar aufgrund von Weisungen und der Vollmacht der Klägerin gesetzt habe, könne die Klägerin die Vollstreckung des Endbeschlusses nicht mit der bloßen Behauptung, sie sei Alleineigentümerin, als unzulässig erklären. Die Klägerin müsse als Vollmachtgeberin den Endbeschluß auch gegen sich gelten lassen; insbesondere habe sie den Bewirtschaftungsvertrag mit dem Beklagten zu erfüllen.

Die Klägerin replizierte, der sogenannte Bewirtschaftungsvertrag sei ihr herausgelockt worden; sie habe zwar dem Verpflichteten Josef P***** Vollmacht erteilt, die jedoch keineswegs rechtswidrige Handlungen umfaßt habe.

Das Erstgericht wies die Klage ab; es stellte fest, die Klägerin habe mit dem Beklagten am 30. 10. 1994 einen Bewirtschaftungsvertrag geschlossen, wonach der Beklagte mehrere Parzellen dieser Liegenschaft ab 30. 10. 1994 "bis zum Lebensende der Besitzerin, aber mindestens fünf Jahre mit einjähriger Nachnutzung" pachtete. In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, die Rechtssphäre der Klägerin werde nicht verletzt, weil der Beklagte aufgrund des nach wie vor aufrechten Pachtvertrags zur Bewirtschaftung der Liegenschaft berechtigt sei. Die Klägerin habe also alles zu unterlassen, was den Beklagten im bedungenen Gebrauch der Liegenschaften störe; sie sei daher nicht berechtigt, auf dieser Liegenschaft eine Schafzucht zu betreiben.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil im klagsstattgebenden Sinn ab und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei, weil der Oberste Gerichtshof zum vorliegenden Problem (mit Ausnahme der Entscheidung SZ 14/167 zu einem ähnlich gelagerten Fall) noch nicht Stellung genommen habe. In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, was zunächst die Abwehrmöglichkeit durch die Klägerin im Exszindierungsverfahren betreffe, sei grundsätzlich festzuhalten, daß die Rechtskraft zivilgerichtlicher Entscheidungen in subjektiver Hinsicht auf die Parteien des rechtskräftig entschiedenen Prozesses sowie deren Gesamt- und Einzelrechtsnachfolger beschränkt sei. Abgesehen von dem hier nicht vorliegenden Fall der erweiterten Rechtskraftwirkung und der Wirkung auf den Rechtsnachfolger trete die Rechtskraftwirkung also nur bei Identität der Parteien ein. Es müsse sich bei den Parteien im neuen Rechtsstreit um dieselben physischen oder juristischen Personen handeln, die bereits im rechtskräftig entschiedenen Vorprozeß als Parteien aufgetreten sind. Identität der Parteien sei selbst dann erforderlich, wenn im Vorfragenbereich Rechtsbeziehungen zu Dritten gelöst werden mußten. Es treffe daher nicht zu, daß die Klägerin die Wirkungen des Endbeschlusses von vornherein auch gegen sich gelten lassen müßte.

Selbst wenn man aber die Feststellungen über die Gültigkeit des Bewirtschaftungsvertrages zwischen den Streitteilen der rechtlichen Beurteilung zugrundelegen wollte, welche die Berufungswerberin auf der Sachverhaltsebene in Zweifel ziehe, wäre für den Beklagten nichts gewonnen. Wie der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung SZ 14/167 zu einer Widerspruchsklage des Eigentümers der mit dem gesetzlichen Pfandrecht des Vermieters belasteten Sachen ausgesprochen habe, sei das Eigentum ein die Exekution unzulässig machendes Recht an der Sache nur dann, wenn der Eigentümer nicht kraft dinglichen Rechtes verpflichtet ist, die Exekution zu dulden. Für den vorliegenden Fall bedeute dies, daß sich die Klägerin mit Erfolg gegen die Exekution wehren könne, weil der Beklagte ihr gegenüber kein dingliches, sondern lediglich ein obligatorisches Recht behaupte, dessen Bestand gar keiner Prüfung zu unterziehen sei, weil es die Exszindierungsklage eben nicht hindern könne.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Zunächst ist auszuführen, daß ein Dritter auch gegen eine Exekution nach § 353 EO Widerspruch nach § 37 EO erheben kann: Von der Exekution ist ein Gegenstand auch dann betroffen, wenn nicht auf ihn Exekution geführt wird, sondern dort exekutive Handlungen vorgenommen werden sollen (vom Obersten Gerichtshof gebilligte Rechtsausführungen des Berufungsgerichtes in SZ 7/204).

Die erstgerichtlichen Feststellungen über die Gültigkeit des zwischen der Klägerin und dem Beklagten geschlossenen Bewirtschaftungsvertrags wurden in der Berufung der Klägerin nicht bekämpft. Die Klägerin begehrte ausschließlich weitere Feststellungen über die Einwendungen des nunmehrigen Verpflichteten Josef P***** im Besitzstörungsverfahren. Das Berufungsgericht hat somit zu Unrecht angenommen, daß eine Tatsachenrüge vorliege, die es aber aus rechtlichen Gründen nicht behandelt. Daher ist eine abschließende Beurteilung der Rechtssache durch den Obersten Gerichtshof möglich, ohne daß eine Zurückverweisung der Rechtssache an das Berufungsgericht zur Behandlung der Tatsachenrüge erforderlich wäre. Ob weitere Feststellungen aus rechtlichen Gründen erforderlich sind, ist eine vom Obersten Gerichtshof zu lösende Rechtsfrage.

Auf Grundlage der erstgerichtlichen Feststellungen ist der Beklagte aufgrund eines aufrechten Bewirtschaftungsvertrags mit der Exszindierungsklägerin zur Nutzung der Liegenschaft berechtigt. Die Klägerin hat als Exszindierungsgrund allein geltend gemacht, sie sei Eigentümerin dieser Liegenschaft. Nachdem der Beklagte ausdrücklich vorgebracht hatte, diese Behauptung allein reiche zur Begründung der Exszindierungsklage nicht aus, brachte die Klägerin vor, dieser Bewirtschaftungsvertrag sei ihr herausgelockt worden, konnte hiefür jedoch keinen Beweis erbringen.

Auf dieser Tatsachengrundlage ist das Erstgericht zutreffend zum Schluß gekommen, die Exekutionsführung des Beklagten greife nicht in ein Recht der Exszindierungsklägerin ein.

Wohl ist Eigentum Exszindierungsgrund, allein der betreibende Gläubiger (Beklagter im Widerspruchsprozeß) kann dem entgegenhalten, daß er zum Zugriff auf den von der Exekution betroffenen Gegenstand auch dem Widerspruchskläger gegenüber berechtigt ist. Es ist nicht erforderlich, daß er bereits einen Titel in Händen hat, der sein besseres Recht darlegt (vgl Schuschke in Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz2 Rz 32 zu § 771 dZPO; Münzberg in Stein/Jonas21 Rz 51 zu § 771 dZPO).

Das Berufungsgericht kann sich bei seiner Ansicht, es komme darauf an, ob der Eigentümer kraft dinglichen Rechtes zur Duldung der Exekution verpflichtet ist, in Wahrheit nicht auf die Entscheidung SZ 14/167 stützen. Der dort vorliegende Fall der Widerspruchsklage (§ 37 EO) des Eigentümers der mit dem gesetzlichen Pfandrecht des Vermieters nach § 1101 ABGB belasteten Sachen ist nicht vergleichbar.

Auch die Entscheidung SZ 32/92 betrifft nur die Stellung eines Mitbesitzers, der die Durchsetzung eines gegen den anderen Mitbesitzer gerichteten Endbeschlusses auf Wiederherstellung des früheren Zustandes nicht hindern kann (siehe hiezu auch LGZ Wien RPflSlgE 1982/22).

Die Berechtigung der vom Liegenschaftseigentümer erhobenen Exszindierungsklage gegen eine Exekution nach § 353 EO auf Entfernung eines Zaunes ist vielmehr immer dann zu verneinen, wenn der Liegenschaftseigentümer aufgrund vertraglicher Vereinbarungen mit dem betreibenden Gläubiger zur Duldung der Exekution verpflichtet ist, diesem daher auch gegen den Dritten ein besseres Recht zusteht.

Es war daher das Ersturteil wieder herzustellen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 ZPO, im Rechtsmittelverfahren iVm § 50 ZPO.

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