OGH 12Os78/98

OGH12Os78/9827.8.1998

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. August 1998 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler, Dr. E.Adamovic, Dr. Holzweber und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Urban als Schriftführer, in der Strafsache gegen Petar V***** wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB, AZ 6 U 70/97d des Bezirksgerichtes Herzogenburg, über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß vom 30. Oktober 1997, GZ 6 U 70/97d-12, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Fabrizy, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Beschluß des Bezirksgerichtes Herzogenburg vom 30. Oktober 1997, GZ 6 U 70/97d-12, vom Widerruf der Petar V***** mit Urteil des Landesgerichtes St.Pölten vom 13. November 1993, GZ 17 E Vr 783/93-8, gewährten bedingten Strafnachsicht abzusehen und die Probezeit auf fünf Jahre zu verlängern, verletzt das Gesetz in dem im XX.Hauptstück der Strafprozeßordnung verankerten Grundsatz der materiellen Rechtskraft und in der Bestimmung des § 56 StGB.

Dieser Beschluß wird aufgehoben und der ihm zugrundeliegende Antrag der Staatsanwaltschaft vom 24. Juli 1997 abgewiesen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Einzelrichters des Landesgerichtes St.Pölten vom 13. Dezember 1993, GZ 17 E Vr 783/93-8, wurde Petar V***** des Vergehens der Hehlerei nach § 164 Abs 1 Z 2 und Abs 2 StGB idF vor der Strafgesetznovelle 1993 schuldig erkannt und zu einer gemäß § 43 Abs 1 StGB für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt. Das Urteil erwuchs am 17.Dezember 1993 in Rechtskraft. Nach Ablauf der Probezeit am 17.Dezember 1996 sprach das Landesgericht St.Pölten mit rechtskräftigem Beschluß vom 1.April 1997, GZ 17 E Vr 783/93-15, gemäß § 497 StPO (§ 43 Abs 2 StGB) die endgültige Strafnachsicht aus.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes Herzogenburg vom 30.Oktober 1997, GZ 6 U 70/97d-12, wurde Petar V***** des am 14.Dezember 1996 - sohin in der Probezeit - begangenen Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu einer gemäß § 43 Abs 1 StGB für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt. Unter einem faßte das Gericht, dem die das Vorverfahren betreffenden Akten zur Verfügung standen (183 in 17 E Vr 783/93 des Landesgerichtes St.Pölten), gemäß § 494 a Abs 1 Z 2 StPO den Beschluß, vom Widerruf der vom Landesgericht St.Pölten gewährten bedingten Strafnachsicht abzusehen und (gemäß § 494 a Abs 6 StPO) die Probezeit auf fünf Jahre zu verlängern.

Rechtliche Beurteilung

Der erwähnte Beschluß des Bezirksgerichtes Herzogenburg steht, wie der Generalprokurator in seiner zur Wahrung des Gesetzes ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt, mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Der Beschluß des Landesgerichtes St.Pölten vom 1.April 1997 auf endgültige Strafnachsicht entfaltete (auch schon vor Eintritt der Rechtskraft) Bindungswirkung, derzu- folge ein Gericht ohne vorangegangene Aufhebung dieses Beschlusses nicht berechtigt war, über den Entscheidungs- gegenstand neuerlich abzusprechen. Das Bezirksgericht Herzogenburg hat daher mit der erwähnten Beschlußfassung eine Entscheidungskompetenz rechtswidrig in Anspruch genommen. Dieser Beschluß konnte weder die schon vorher rechtskräftig beschlossene endgültige Strafnachsicht beseitigen noch sonst für den Verurteilten irgendwelche Rechtsfolgen nach sich ziehen; die konstitutive Wirkung des Beschlusses des Landesgerichtes St.Pölten blieb vielmehr hievon unberührt (vgl EvBl 1989/64 = JBl 1989, 400 uva).

Im übrigen waren die zeitlichen Voraussetzungen des § 56 StGB für die Verlängerung der Probezeit nicht gegeben, weil die Entscheidung vom 30. Oktober 1997 nicht innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf der Probezeit erging und im Hinblick darauf, daß das neue Strafverfahren bei Ablauf der Probezeit noch nicht anhängig war, eine derartige Entscheidung nach Ablauf der bezeichneten Sechsmonatefrist unzulässig war.

Die unterlaufenen Gesetzesverletzungen wirkten sich zum Nachteil des Verurteilten aus, weshalb der verfehlte Beschluß zu beseitigen und der ihm zugrundeliegende Antrag der Staatsanwaltschaft abzuweisen war (§ 292 letzter Satz StPO).

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