OGH 15Os137/98-6 (15Os138/98, 15Os139/98)

OGH15Os137/98-6 (15Os138/98, 15Os139/98)27.8.1998

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. August 1998 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder, Dr. Rouschal, Dr. Schmucker und Dr. Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kolarz als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Jürgen T***** wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und Abs 4 erster Fall StGB über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Voitsberg vom 28. Oktober 1997, GZ 4 U 19/97i-25 iVm 5. der Endverfügung S 139, sowie gegen die Beschlüsse des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Beschwerdegericht vom 18. Dezember 1997, AZ 1 Bl 297/97 (= ON 32 des U-Aktes), und vom 5. Februar 1998, AZ 1 Bl 21/98 (= ON 38 des U-Aktes), nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Kirchbacher, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten und seines Verteidigers zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Gesetz wurde in der Bestimmung des § 389 Abs 2 und Abs 3 StPO verletzt, und zwar durch

1. den Beschluß des Bezirksgerichtes Voitsberg vom 28.Oktober 1997 betreffend die Verpflichtung des Verurteilten T***** zum Ersatz der (gesamten) Gebühren des medizinischen Sachverständigen Dr.M***** (Punkt 5. der Endverfügung S 139), ausgefertigt mit Datum 3.November 1997 (ON 25),

2. die diesen Beschluß bestätigende Beschwerdeentscheidung des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 18.Dezember 1997, AZ 1 Bl 297/97 (ON 32), und

3. die Begründung der Beschwerdeentscheidung dieses Landesgerichtes vom 5.Februar 1998, AZ 1 Bl 21/98 (ON 38).

Der bezeichnete Beschluß des Bezirksgerichtes Voitsberg und die Beschwerdeentscheidung des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 18. Dezember 1997 (ON 32) werden aufgehoben. Dem Bezirksgericht Voitsberg wird die neuerliche Entscheidung über die vom Verurteilten T***** zu ersetzenden Gebühren des medizinischen Sachverständigen Dr.M***** aufgetragen.

Text

Gründe:

Im Verfahren AZ 4 U 19/97i des Bezirksgerichtes Voitsberg erhob die Staatsanwaltschaft gegen Jürgen T***** und Markus R***** (gesonderte) Strafanträge wegen Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und Abs 4 erster Fall StGB, weil sie verdächtig waren, am 31. Jänner 1997 in Krottendorf jeweils als Fahrzeuglenker einander und zwei Mitfahrer fahrlässig am Körper verletzt zu haben (ON 3 und 4). In der (auf unbestimmte Zeit vertagten) Hauptverhandlung vom 27.März 1997 bestellte der Bezirksrichter einerseits auf Antrag der Beschuldigten einen (dem angeordneten Ortsaugenschein beizuziehenden) Kraftfahrzeug-Sachverständigen und andererseits von Amts wegen einen medizinischen Sachverständigen, der die Verletzungen der vier Unfallopfer zu begutachten hatte (S 67 f iVm S 1 a und Punkt 6. S 1 b des Antrags- und Verfügungsbogens und ON 21). In der Folge erstellte der gerichtsärztliche Sachverständige OMR Dr.Otto M***** vier getrennte schriftliche, in der Hauptverhandlung vom 23.Oktober 1997 verlesene (129) Gutachten, verzeichnete aber zusammengefaßte Gebühren, die am 3.Juli 1997 auch antragsgemäß und rechtskräftig bestimmt wurden (ON 15 bis 20).

In der Hauptverhandlung vom 23.Oktober 1997 erstattete der beigezogene technische Sachverständige Ing.Max C***** ein Gutachten über das Unfallgeschehen. Der Beschuldigte T***** wurde daraufhin unter anderem wegen des angeführten Vergehens zu einer Geldstrafe verurteilt und gemäß § 389 StPO zum Kostenersatz verpflichtet, während der Beschuldigte R***** gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen wurde (ON 21, 22). Dieses unangefochten gebliebene Urteil erwuchs am 28. Oktober 1997 in Rechtskraft.

Im Rahmen der am 28.Oktober 1997 erlassenen Endverfügung ordnete der Bezirksrichter unter Punkt 5. an, vom Verurteilten T***** sowohl die gesamten bereits bestimmten Gebühren des gerichtsmedizinischen Sachverständigen Dr.M***** als auch die betragsmäßig noch nicht aktenkundigen Gebühren des technischen Sachverständigen Ing.C***** einzuheben (139). Diese Maßnahme war jedoch bezüglich der noch gar nicht bekannten Gebühren des technischen Experten verfrüht (Foregger/Kodek StPO7 § 389 Erl II. zweiter Absatz), zumal dessen Gebührennote (ON 26) erst am 7.November 1997 beim Bezirksgericht eingelangt ist.

Eine mit 3.November 1997 datierte Ausfertigung der in der Endverfügung getroffenen Entscheidungen über die vom Verurteilten T***** zu ersetzenden Kosten des Strafverfahrens (StPOForm KO1) enthielt neben dem Pauschalkostenbeitrag von 2.000 S die gesamten Gebühren des medizinischen Sachverständigen (ON 25). Die Gebühren des technischen Gutachters wurden erst am 14.November 1997 der Höhe nach mit 7.354 S bestimmt (ON 27) und deren Ersatz mit Beschluß vom 8. Jänner 1998 (mit StPOForm KO1) dem Verurteilten auferlegt (S 148 iVm ON 34). Diesen Beschluß über die Ersatzpflicht (ON 34) stellte das Bezirksgericht nur dem Verurteilten T***** zu; dem öffentlichen Ankläger wurde er nach der dem Obersten Gerichtshof vorliegenden Aktenlage bisher überhaupt nicht bekannt gemacht.

Beschwerden des Verurteilten gegen die Beschlüsse ON 25 und 34 betreffend die Anordnung des vom Verurteilten zu leistenden vollen Ersatzes aller Sachverständigengebühren gab das Landesgericht für Strafsachen Graz mit Beschlüssen vom 18.Dezember 1997, AZ 1 Bl 297/97 (ON 32), und vom 5.Februar 1998, AZ 1 Bl 21/98 (ON 38), nicht Folge. In der Entscheidung betreffend die Gebühren des medizinischen Sachverständigen Dr.M***** (ON 32) vermengte das Beschwerdegericht den Beschluß des Bezirksgerichtes über die Konkretisierung der im Urteil grundsätzlich ausgesprochenen Kostenersatzpflicht (ON 25) mit der bereits im Juli 1997 rechtskräftig beschlossenen Bestimmung der Höhe der Gebühren (ON 20). Dem gegen eine gänzliche oder auch nur teilweise Kostentragung vorgebrachten Einwänden des Verurteilten entgegnete es an sich zutreffend, daß die Ersatzpflicht gemäß § 381 Abs 1 Z 2 StPO davon unabhängig ist, ob ein Sachverständiger auf Grund des Antrages einer der Prozeßparteien oder - entsprechend dem Gesetzesauftrag zur Erforschung der materiellen Wahrheit (§§ 3, 254 StPO) - von Amts wegen bestellt wurde.

Im zweiten Beschluß (ON 38) hielt das Beschwerdegericht eine Ausscheidung verschiedener Kosten der Gebühren des technischen Sachverständigen vom Ersatz (der Beschwerdeführer hatte beantragt, ihm lediglich die Hälfte des Betrages in Höhe von 3.677 S aufzuerlegen) deshalb für unzulässig, weil der Kostenausspruch im Urteil unbekämpft in Rechtskraft erwachsen ist und vom Verurteilten eine Beschränkung gemäß § 389 Abs 2 StPO auch nicht beantragt worden war.

Entgegen dieser irrigen Rechtsansicht ist nicht schon im Urteil, sondern erst in einem gesonderten Beschluß gemäß § 389 Abs 2 und 3 StPO zu entscheiden, welche Kosten im einzelnen den Ersatzpflichtigen treffen (Mayerhofer StPO4 § 389 E 13, 14a). Diesem verfehlten Argument für das - im Ergebnis prozeßordnungsgemäße - Unterbleiben einer Kostenseparation im Urteil fügte der Beschwerdesenat im Gegensatz zu seiner Vorentscheidung noch den Hinweis auf einen unmaßgeblichen Umstand bei, daß nämlich der Verurteilte T***** als erster die Beiziehung eines technischen Sachverständigen beantragt hatte und daher als Verursacher der entstandenen Kosten anzusehen ist.

Rechtliche Beurteilung

Nach den zutreffenden Ausführungen der vom Generalprokurator erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes stehen der mit 3.November 1997 datierte Kostenbestimmungsbeschluß des Bezirksgerichtes Voitsberg vom 28.Oktober 1997 (Punkt 5. der S 139, ON 125) sowie die Beschwerdeentscheidung des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 18.Dezember 1997 (ON 32) und die Begründung der Beschwerdeentscheidung dieses Gerichtes vom 5.Februar 1998 (ON 38) mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Ausgehend von dem (aus § 389 Abs 2 StPO ableitbaren) Grundsatz, daß der Angeklagte nur die Kosten des Schuldspruchs zu ersetzen hat, kann nämlich das Gericht die Haftung eines Verurteilten für die Verfahrenskosten auch dann gemäß § 389 Abs 3 StPO beschränken, wenn es nicht gleichzeitig andere Personen verurteilt hat. Dabei ist nach Tunlichkeit die Auferlegung solcher Kosten zu vermeiden, die ausschließlich durch Verfahrensschritte gegen einen nicht verurteilten anderen Beschuldigten erwachsen sind (RZ 1982/8 S 15 und 39; EvBl 1994/31).

Die medizinischen Gutachten betrafen auftragsgemäß nur Schwere und Ausmaß der Verletzungen der vier Fahrzeuginsassen, aber nicht ihr Zustandekommen. Die Begutachtung jener Verletzungen, die Jürgen T***** davongetragen hatte, geschah demnach ausschließlich zur Überprüfung des auch gegen den (letztlich) freigesprochenen Mitbeschuldigten R***** im Strafantrag erhobenen Schuldvorwurfes. Bei dieser Konstellation waren aber die befaßten Gerichte verpflichtet, die im § 389 Abs 2 und Abs 3 StPO vorgesehene Möglichkeit der Ausscheidung von Verfahrenskosten vom Ersatz durch den Verurteilten zu prüfen. Weder das Bezirksgericht noch das Landesgericht als Beschwerdegericht hat diesem Gesetzesauftrag entsprochen. Da sich die inkriminierten Entscheidungen (Punkt 5. S 139 iVm ON 25; ON 32) zum Nachteil des Verurteilten ausgewirkt haben könnten, war zugleich mit der Feststellung der Gesetzesverletzung die Verfahrenserneuerung anzuordnen (§ 292 letzter Satz StPO). Die in der Begründung der zweiten Beschwerdeentscheidung (ON 38) angeführte Präklusionswirkung hinwieder ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Eine Kostenausscheidung gemäß § 389 Abs 2 und Abs 3 StPO, die nicht im grundsätzlichen Kostenausspruch der das Verfahren für die betreffende Instanz erledigenden Entscheidung (Urteil, Strafverfügung) ausgedrückt wurde, ist erst im Zuge der betragsmäßigen Konkretisierung der Ersatzpflicht in einem gesonderten Beschluß auszusprechen (Foregger/Kodek aaO § 389 Erl I. und II., § 392 Erl. I jeweils zweiter Absatz).

Die demnach irrige Rechtsansicht des Landesgerichtes für Strafsachen Graz blieb allerdings ohne nachteilige Auswirkung auf das Ergebnis des Beschwerdeverfahrens über einen Ersatz der Gebühren des technischen Sachverständigen Ing.C*****, weil die Zuordnung dieses Aufwandes zum Schuldspruch des Verurteilten T***** nicht zweifelhaft sein kann und es unerheblich ist, daß das Verfahren auch gegen einen freigesprochenen Beschuldigten geführt wurde. Deshalb war diese Gesetzesverletzung bloß festzustellen.

Sohin war insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

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